Der Weltkrieg am 6. August 1914

 

Kaiser Wilhelm II. an Heer und Marine

Berlin, 6. Aug. (W. B.)
Das "Marine-Verordnungs-Blatt" veröffentlicht folgenden kaiserlichen Erlaß an das deutsche Heer und die deutsche Marine:

Nach dreiundvierzig-jähriger Friedenszeit rufe ich die deutsche wehrfähige Mannschaft zu den Waffen. Unsere heiligsten Güter, das Vaterland, den eigenen Herd gilt es gegen ruchlosen Überfall zu schützen. Feinde ringsum. Das ist das Kennzeichen der Lage. Ein schwerer Kampf, große Opfer stehen uns bevor. Ich vertraue, daß der alte kriegerische Geist noch in dem deutschen Volke lebt, jener gewaltige kriegerische Geist, der den Feind, wo er ihn findet, angreift, koste es, was es wolle, der von jeher die Furcht und der Schrecken unserer Feinde gewesen ist. Ich vertraue auf Euch, Ihr deutschen Soldaten. In jedem von Euch lebt der heiße, durch nichts zu bezwingende Wille zum Siege. Jeder von Euch weiß, wenn es sein muß, wie ein Held zu sterben. Gedenkt unserer großen ruhmreichen Vergangenheit. Gedenkt, daß Ihr Deutsche seid.
Gott helfe uns.

   Berlin (Schloß) den 6. August.

gezeichnet
Wilhelm I. R.

 

Kaiser Wilhelm II. an das deutsche Volk

Berlin, 6. Aug. (Priv.-Tel.)
In einer Sonderausgabe des "Reichsanzeigers" wird heute Abend folgender Aufruf des Kaisers mitgeteilt:

An das deutsche Volk!


Seit der Reichsgründung ist es durch 43 Jahre Mein und Meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und im Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit. 
Alle offenkundige und heimliche Feindschaft von Ost und West, von jenseits der See haben wir bisher ertragen im Bewußtsein unserer Verantwortung und Kraft. Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, daß wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zu tückischem Überfall rüsten, man will nicht dulden, daß wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist.
So muß denn das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. Darum auf! Zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. 
Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter neu sich gründeten. Um Sein oder Nichtsein deutscher Macht und deutschen Wesens. 
Wir werden uns wehren bis zum letzten Hauch von Mann und Roß. Und wir werden diesen Kampf bestehen auch gegen eine Welt von Feinden. Noch nie ward Deutschland überwunden, wenn es einig war. 
Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit den Vätern war.


Berlin, den 6. August 1914

Wilhelm I. R.

 

An die deutschen Frauen

Berlin, 6. Aug. (W. B.)
Die Kaiserin hat folgenden Aufruf an die deutschen Frauen erlassen:

Dem Rufe des Kaisers folgend, rüstet sich das Volk zu einem Kampfe ohne gleichen, den wir nicht heraufbeschworen haben, den wir nur zur Verteidigung führen. Wer Waffen zu tragen vermag, wird freudig zu den Fahnen eilen, um mit seinem Blute einzustehen für das Vaterland. Der Kampf aber wird ein ungeheurer, die Wunden werden unzählige sein, die zu schließen sind. Darum rufe ich Euch, deutsche Frauen und Jungfrauen, alle, denen es nicht vergönnt ist, für die geliebte Heimat zu kämpfen, zur Hilfe auf. Trage jede nach Kräften dazu bei, unseren Gatten, Söhnen und Brüdern den Kampf leicht zu machen. Ich weiß, daß in allen Kreisen unseres Volkes ausnahmslos der Wille besteht, diese hohe Pflicht zu erfüllen. Gott der Herr aber stärke uns zu dem heiligen Liebeswerk, daß auch uns Frauen beruft, unsere ganze Kraft dem Vaterlande in dem Entscheidungskampfe zu weihen. Wegen der Sammlung freiwilliger Hilfskräfte und Gaben aller Art sind weitere Bekanntmachungen von denjenigen Organisationen bereits ergangen, denen diese Ausgabe in erster Linie obliegt, und deren Unterstützung vor allem nötig ist.

  6. August.

Auguste Viktoria.

 

Österreichs Kriegserklärung an Rußland

Berlin, 6. Aug. (W. B.)
Die österreichisch-ungarische Regierung hat der deutschen Regierung mitgeteilt, Botschafter Szapary in Petersburg sei beauftragt der russischen Regierung zu notifizieren, daß Österreich-Ungarn angesichts der drohenden Haltung Rußlands im Konflikt mit Serbien sowie im Hinblick auf den Kriegszustand mit Deutschland sich seinerseits als im Kriegszustand mit Rußland befindlich betrachte.

Wien, 6. Aug. (W. B.)
Dem hiesigen russischen Botschafter Schebeko sind die Pässe zugestellt worden. Der österreichisch-ungarische Botschafter in Petersburg, Szapary wurde angewiesen, seine Pässe zu fordern und womöglich noch heute Rußland zu verlassen.

Wien, 6. Aug. (Wiener Korr.-Bur.)
Eine Extraausgabe der "Wiener Zeitung" meldet: Auf Grund einer Allerhöchsten Ermächtigung wurde am 5. August der österreichisch-ungarische Botschafter in Petersburg beauftragt, an den russischen Minister des Äußern sollende Note zu überreichen:
Im Auftrage seiner Regierung beehrt sich der unterzeichnete österreichisch-ungarische Botschafter Seiner Exzellenz dem russischen Minister des Äußern folgendes zur Kenntnis zu bringen: Im Hinblick auf die drohende Haltung Rußlands in dem Konflikt zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und Serbien sowie angesichts der Tatsache, daß Rußland infolge dieses Konfliktes nach einer Mitteilung des Berliner Kabinetts die Feindseligkeiten gegen Deutschland eröffnen zu sollen glaubte und dieses sich somit im Kriegszustand mit der genannten Macht befindet, sieht sich Österreich-Ungarn ebenfalls als im Kriegszustand mit Rußland befindlich an.

 

Patriotische Kundgebungen in Österreich

Prag, 6. Aug. (W. B.)
Bei dem Statthalter erschien eine Deputation, welche im Namen von 166 tschechischen Bezirksvertretungen und den dazu gehörigen Gemeinden die Versicherung unbedingter Loyalität und Hingabe an den Kaiser, sowie die Erklärung abgab, alles tun zu wollen, was im Interesse des Reiches gelegen sei.

Wien, 6. Aug. (W. B.)
Der ukrainische Verband der Ruthenischen Abgeordneten der Bukowina hat einen Aufruf an sämtliche ruthenischen Gemeinden der Bukowina gerichtet, in dem zur Bezeugung der Solidarität des ukrainischen Volkes mit Kaiser und Reich aufgefordert wird. Der Aufruf besagt: Der Kaiser und das Vaterland rufen uns gegen Serbien. Unsere erprobte und unerschütterliche Treue wird keinen Augenblick dadurch ins Wanken gebracht werden, daß sich Serbien an die Ukrainer als slawische Brüder anbiedert. Jedes slawische Volk, das serbische oder ein anderes, zerreißt jede Kulturgemeinschaft mit uns, insolange Mord und Verbrechen der Leitstern seines Handelns sind. Nach einer wechselvollen Geschichte, in der die Unterdrückung gerade durch die Slawen ihre Blutspuren bei uns zurückließ, brachte uns Ukrainer in Österreich das Schicksal unter das Szepter eines gütigen Monarchen einer edlen Dynastie. Unter dem Schutze der Verfassung Österreichs gehen wir einer ruhigen Entwicklung entgegen zur Wohlfahrt und zum Glück unserer Nation. Wir wollen deshalb freudig und gemeinsam mit anderen Völkern dieses schönen Reiches jedes Opfer bringen für den Kaiser und die glorreiche habsburgische Monarchie.

 

Die Elsaß-Lothringer

Straßburg i. Elsaß, 6. Aug. (Priv.-Tel.)
Der Reichstagsabgeordnete Hauß, der Vorsitzende des elsaß-lothringischen Zentrums, erklärte, daß die Elsaß-Lothringer Schulter an Schulter mit allen deutschen Volksgenossen für die Ehre des Reichs eintreten würden. Die Zahl derer, die nicht einsähen, daß Deutschland nur notgedrungen das Schwert ziehe, sei sehr gering noch geringer das Verständnis dafür, daß die hochkultivierte französische Nation als Alliierte eines Staates im Kampfe stehe, in dem der Schutz des Meuchelmordes und der Barbarei oberstes Gesetz geworden sei. Die Elsässer würden ihre echt soldatischen Tugenden auch in diesem Kampfe bis zum Äußersten erweisen. Nach dieser Stellungnahme des Zentrumsführers kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Beschlüsse des Reichstags auch die Zustimmung der elsaß-lothringischen Zentrumsabgeordneten gefunden hätten.

 

Deutsche Erfolge

Berlin, 6. Aug. (W B.)
Bei Schwiddern (östlich von Johannisburg) und bei Grodken (zwischen Lauternburg und Soldau) versuchten russische Kavalleriedivisionen, den deutschen Grenzschutz zu durchbrechen. Sie wurden abgewiesen und gingen auf russisches Gebiet zurück. Die bei Soldau unter Verlust einer Brigade zurückgeworfene russische Kavalleriedivision erlitt beim Zurückgehen nach Rußland weitere Verluste.

Berlin, 6. Aug. (W. B.)
Briey, nordwestlich von Metz, auf französischem Gebiet gelegen, ist von deutschen Truppen besetzt worden

6. Aug. (W. B.)
Das Gefecht bei Soldau, das zur Vernichtung einer Brigade der angreifenden Kavalleriedivision und zu weiteren Verlusten der zurückgehenden Teile bei Neidenburg führte, kostete auf deutscher Seite 3 Tote und 18 Verwundete. Die Grenzschutzgefechte, deren für die dachen Truppen erfolgreicher Ausgang bereits gemeldet war, sind in Petersburg durch folgendes, den Tatsachen widersprechendes Telegramm veröffentlicht worden: Die Avantgarde unserer Truppen überschritt vom Gouvernement Suwalki aus die Grenze, ohne Widerstand zu finden.

 

Das serbische Parlament

Nisch, 6. Aug. (Meldung des serbischen Preßbureaus.)
Kronprinz Alexander hat die Skupschtina durch eine Botschaft eröffnet, welche sagt, daß Serbien zur Vermeidung des Kriege alles getan habe, was die Würde und Ehre des Landes gestatte. Die Regierung sei nicht verantwortlich; Beweis dafür sei, daß sie die Skupschtina zur Beratung berufen und die Wahlen vertagt habe. Die Botschaft betont weiter, daß das große Rußland und sein edler Herrscher, Zar Nikolaus mit besonders großem Interesse und Sympathie den Konflikt verfolgt hätten. Der Zar und seine edelherzige Sorge um Serbiens Zukunft habe Serbien die besondere Zusicherung dafür gegeben, daß er sich mit dem Schicksal Serbiens knüpfen werde. Der Kronprinz erklärte weiter: Es ist mir auch angenehm, versichern zu können, daß unsere gerechte Sache in Frankreich und England nicht geringe Sympathie findet. Um Serbien zu isolieren, ist man von dem Attentat von Sarajewo ausgegangen, aber ohne Erfolg. Mit Serbin stehen heute große, aber auch treue Verbündete Hand in Hand.

 

Vom belgischen Kriegsschauplatz

Aachen, 6. Aug. (Priv.-Tel.)
Auf dem belgischen Kriegsschauplatz geht alles nach Wunsch. Ernsthafte Kämpfe
haben aber nicht stattgefunden. Die Belgier zogen sich hinter die Maas zurück.

 

Wechsel im englischen Ministerium

Feldmarschall Lord Kitchener
Feldmarschall Lord Kitchener

London, 6. Aug. (Reutermeldung über Kopenhagen.)
Premierminister Asquith kündigte im Unterhause an, daß der Lordpräsident des Geheimen Rats Viscount Morley, der Handelsminister Burns und der Parlamentssekretär im Unterrichtsamt Trevelyan von ihren Ämtern zurückgetreten sind. Lord Beauchamp wurde zum Nachfolger Morleys ernannt, Burns wurde durch den Landwirtschaftsminister Runciman ersetzt.

London (über Kopenhagen), 6. Aug. (W. B.)
Feldmarschall Lord Kitchener ist zum Kriegsminister ernannt worden. Asquit trat von diesem Posten zurück, behält jedoch das Amt des Premierministers.

Abreise der Vertreter Englands und Belgiens

Berlin, 6. Aug. (W. B.)
Der englische Botschafter und der belgische Gesandte haben heute Morgen Berlin verlassen. Vor den deutschen Behörden wurden den beiden Diplomaten zwei Salonwagen mit Speisewagen zur Verfügung gestellt. Ein höherer Beamter des Auswärtigen Amtes war bei der Abreise auf dem Bahnhof anwesend. (Die Annahme, daß der englische Botschafter bereits am Dienstag abgereist sei, ist danach unzutreffend.)

 

Die deutschen Kabel

Berlin, 6. Aug. (Priv.-Tel.)
Die unterbrochenen drei Unterseekabel Emden-Vigo, Emden-Azoren und Emden-Teneriffa gehören nicht dem Reich, sondern zwei Kabelgesellschaften, nämlich die beiden ersten Kabel der Deutsch - Atlantischen Telegraphen - Gesellschaft in Köln und das Kabel Emden-Teneriffa der Deutsch-Südamerikanischen Telegraphen-Gesellschaft in Köln. Man nimmt hier an, daß die Kabel, die durch den Ärmel-Kanal gehen, von den Engländern abgeschnitten worden sind. Der durch das Abschneiden entstandene Schaden ist naturgemäß nur minimal, und auch der Ausfall, der durch das Unterbleiben von Telegrammen für die Gesellschaften entstehen dürfte, wird nicht allzu erheblich sein, da das Reich die Telegraphen - Gesellschaft subventioniert hat.

 

Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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