Der Weltkrieg am 27. August 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Der Siegeszug des Westheeres -
Mobilisierung des Landsturms

Großes Hauptquartier, 27. August.
Das deutsche Westheer ist 9 Tage nach Beendigung seines Aufmarsches unter fortgesetzt siegreichen Kämpfen auf französisches Gebiet von Cambrai bis zu den Südvogesen eingedrungen. Der Feind ist überall geschlagen und befindet sich in vollständigem Rückzuge. Die Größe seiner Verluste an Gefallenen, Gefangenen und Trophäen läßt sich bei der gewaltigen Ausdehnung der Schlachtfelder in zum Teil unübersichtlichem Wald- und Gebirgsgelände noch nicht annähernd übersehen.
Die Armee des Generalobersten v. Kluck hat die englische Armee bei Maubeuge geworfen und sie heute südwestlich von Maubeuge unter Umfassung erneut angegriffen.
Die Armeen der Generalobersten v. Bülow und v. Hausen haben etwa 8 Armeekorps französischer und belgischer Truppen zwischen Sambre, Namur und Maas in mehrtägigen
Kämpfen vollständig geschlagen und verfolgen sie jetzt östlich von Maubeuge vorbei. Namur ist nach dreitägiger Beschießung gefallen. Der Angriff auf Maubeuge ist eingeleitet.
Die Armee des Herzogs Albrecht von Württemberg hat den geschlagenen Feind über den Semois verfolgt und die Maas überschritten.
Die Armee des deutschen Kronprinzen hat befestigte Stellung vorwärts Longwy genommen und einen starken Angriff aus Verdun abgewiesen. Sie befindet sich im Vorgehen gegen die Maas. Longwy ist gefallen.
Die Armee des Kronprinzen von Bayern ist bei der Verfolgung in Lothringen von neuen feindlichen Kräften in der Position vor Nancy und aus südlicher Richtung angegriffen worden. Sie hat den Angriff zurückgewiesen.
Die Armee des Generalobersten v. Heeringen setzt die Verfolgung in den Vogesen nach Süden fort. Das Elsaß ist vom Feinde geräumt.
Aus Antwerpen haben vier belgische Divisionen gestern und vorgestern einen Angriff gegen unsere Verbindungen in der Richtung Brüssel gemacht. Die zur Abschließung von
Antwerpen zurückgelassenen Kräfte haben diese belgischen Truppen geschlagen und dabei viele Gefangene gemacht und Geschütze erbeutet. Die belgische Bevölkerung hat sich fast überall am Kampfe beteiligt, daher sind die strengsten Maßnahmen zur Unterdrückung des Franktireur- und Bandenunwesens angewandt worden.
Die Sicherung der Etappenlinien mußte bisher den Armeen überlassen bleiben. Da diese aber für den weiteren Vorstoß zu diesem Zwecke zurückgelassenen Kräfte notwendig in der Front brauchen, so hat Seine Majestät die Mobilmachung des Landsturms befohlen. Der Landsturm wird zur Sicherung der Etappenlinien und zur Besetzung von Belgien herangezogen werden. Dieses unter deutsche Verwaltung stehende Land soll für die Heeresbedürfnisse aller Art ausgenutzt werden, um das Heimatgebiet zu entlasten.

Generalquartiermeister v. Stein. 1)

 

Eine Ansprache des Kaisers

Dortmund, 27. Aug (W. B.) 
Berichten der Dortmunder "Tremonia" zufolge versammelte der Kaiser im Hauptquartier die Truppen zur Parade und hielt bei dieser Gelegenheit folgende Ansprache: 

"Kameraden! 
Ich habe Euch hier um mich versammelt, um mich mit Euch des herrlichen Sieges zu erfreuen, den unsere Kameraden in mehreren Tagen in heißem Ringen erfochten haben, Truppen aus allen Gauen halfen in unwiderstehlicher Tapferkeit und unerschütterlicher Treue mit zu dem großen Erfolge. Es standen unter der Führung des bayerischen Königssohnes nebeneinander und fochten mit gleichem Schneid Truppen aller Jahrgänge, Aktive, Reserve und Landwehr. Diesen Sieg danken wir vor allen Dingen unserm alten Gott, er wird uns nicht verlassen, da wir für eine heilige und gerechte Sache einstehen. Viele unserer Kameraden sind bereits im Kampfe gefallen. Sie sind als Helden fürs Vaterland gestorben. Wir wollen derselben hier in Ehren gedenken und bringen zu Ehren der draußen stehenden Helden ein dreifaches Hurra aus. Wir haben noch manche blutige Schlacht vor uns; hoffen wir auf weitere gleiche Erfolge. Wir lassen nicht nach und werden dem Feinde ans Leder gehen. Wir verlieren nicht die Zuversicht im Vertrauen auf unseren guten alten Gott dort oben. Wir wollen siegen und wir müssen siegen!"
2)

 

Kaiser Franz Josef an den Deutschen Kaiser

Wien, 27. Aug. (Priv.-Tel.) 
Kaiser Franz Josef hat an Kaiser Wilhelm folgendes Telegramm gesandt: 

Die herrlichen, den mächtigen Feind niederwerfenden Siege, welche das deutsche Heer unter Deiner obersten Führung erkämpft hat, haben ihre Grundlagen und ihren Erfolg Deinem eisernen Willen zu danken, welcher das wuchtige Schwert schärfte und schwang. Dem Lorbeer, der Dich als Sieger schmückt, möchte ich das hehrste militärische Ehrenzeichen, das wir besitzen, anreihen dürfen, indem ich Dich bitte, das Großkreuz meines militärischen Maria-Theresienordens als Zeichen meiner hohen Wertschätzung in treuer Waffenbrüderschaft annehmen zu wollen. Die Insignien soll Dir, teuerer Freund, ein besonderer Abgesandter überbringen, sobald es Dir genehm ist. Wohl wissend, wie sehr Du und Dein Heer die genialen Leistungen des Generals der Infanterie v. Moltke zu schätzen wissen, verleihe ich ihm das Kommandeurkreuz des militärischen Maria-Theresienordens.2)

 

Vereitelter Überfall der Bürgerschaft von Löwen

(vom Berichterstatter der "Frankfurter Zeitung" für den westlichen Kriegsschauplatz.)

Großes Hauptquartier, 27. Aug. (Priv.-Tel.) 
Zur selben Stunde, da der Ausfall der Belgier aus Antwerpen erfolgte, versuchte die gesamte Bürgerschaft von Löwen einen offenbar verabredeten Überfall auf die anwesenden deutschen Truppen. Dem sofortigen scharfen Eingreifen der Deutschen gelang es nach hartnäckigem Straßenkampf, der Belgier Herr zu werden. Da sofort in schärfster Form Bestrafung erfolgte, soll diese an Kunstschätzen so reiche Stadt nicht mehr existieren. 
2)

 

Zerstörung der Gasanstalt in Antwerpen

Großes Hauptquartier, 27. Aug. 
Im Anschluß an die Meldung vom Erscheinen eines Zeppelins über Antwerpen möchten wir noch bemerken, daß es dem Luftschiff gelang, durch wohlgezielten Wurf die Gasanstalt zu zerstören. Man konnte die Wirkung dieses Wurfes daran erkennen daß plötzlich sämtliche Lichter in einer Hälfte der Stadt erlöschten. Der Zeppelin wurde von den Belgiern heftig unter Feuer genommen, jedoch nicht getroffen, und traf gänzlich unversehrt am 25. morgens um 4 Uhr auf dem Heimweg über Lüttich ein.
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Österreich erklärt Belgien den Krieg

Wien, 27. Aug. (Priv.-Tel.) 
Österreich-Ungarn hat heute früh Belgien den Krieg erklärt. Die Kriegserklärung wird damit begründet, daß Belgien mit den Feinden der Monarchie zusammen gegen das verbündete Deutschland kämpft und daß die belgische Bevölkerung unter Duldung der belgischen Behörden Unmenschlichkeiten gegen österreichisch-ungarische Staatsangehörige beging, die auch dann unentschuldbar wären, wenn es sich um einen Staat handeln würde, mit dem der Kriegszustand besteht. Dem hiesigen belgischen Gesandten Grafen Dudzeele wurden heute die Pässe zugestellt. Der österreichische Gesandte Graf Clary befindet sich in Brüssel und wird telegraphisch aus Antwerpen seine Pässe verlangen.
Der hiesige japanische Botschafter hat heute Abend Wien mit einem Extrazug verlassen und sich nach Bern begeben, wo er als Gesandter beglaubigt ist. Die Briefpost und der private Telegrammverkehr nach Japan ist eingestellt.
2)

 

Ruhmvoller Untergang der "Magdeburg"

Berlin, 27. Aug. (W. B.) 
Seiner Majestät kleiner Kreuzer "Magdeburg" ist bei einem Vorstoß im Finnischen Meerbusen in der Nähe der Insel Odensholm im Nebel auf Grund geraten. Hilfeleistung durch andere Schiffe war bei dem dicken Wetter unmöglich. Da es nicht gelang, das Schiff abzubringen, wurde es beim Angriff weit überlegener russischer Streitkräfte in die Luft gesprengt und hat so einen ehrenvollen Untergang gefunden. Unter dem feindlichen Feuer hat das Torpedoboot "V 26" den größten Teil der Besatzung des Kreuzers gerettet. Die Verluste von "Magdeburg" und "V 26" stehen noch nicht ganz fest. Bisher gemeldet: Tot 17, verwundet 21, vermißt 85, darunter der Kommandant der "Magdeburg". Die Geretteten werden heute in einem deutschen Hafen eintreffen. Die Verlustliste wird sobald als möglich herausgegeben werden.
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Französische Stimmen

Genf, 27. Aug. (Priv.-Tel.) 
Der "Temps", der die drei ersten Tage der großen Schlachten in Belgien kommentiert, gibt zu, daß es den Franzosen nicht gelungen sei, die deutsche, von einer Million Kämpfer gebildete Linie zu durchbrechen und daß sie sich infolgedessen hinter ihre Deckungsstellungen zurückziehen müßten. Die Hoffnung, durch einen entscheidenden Erfolg diesen Krieg zu eröffnen, sei also enttäuscht worden. "Journal des Débats" schreibt: Nach blutigen Kämpfen hat unsere Offensive in Belgien darauf verzichten müssen, die deutsche Linie zu durchbrechen. Das ist ein Mißerfolg. General Joffre handelte richtig, den Kampf einzustellen, ehe er in eine Niederlage ausartete. So sind wir geordnet in die Verteidigungsstellung eingerückt.
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Erneuerung des französischen Ministeriums

Paris, 27. Aug.
 In der Absicht, dem Ministerium eine breitere Basis zu geben, hat Ministerpräsident Viviani dem Präsidenten der Republik das Entlassungsgesuch des gesamten Kabinetts überreicht. Der Präsident hat es angenommen und Viviani mit der Neubildung des Ministeriums beauftragt. Am Abend unterbreitete Viviani dem Präsidenten folgende, neue Ministerliste: Präsident Viviani (ohne Portefeuille), Justiz: Briand, Äußeres: Delcassé, Inneres: Malvy, Krieg: Millerand, Marine: Augagneur, Finanzen: Ribot, Öffentlicher Unterricht: Sarrant, Öffentliche Arbeiten: Sembat, Handel: Doumergue, Kolonien: Fernand David, Landwirtschaft (Minister ohne Portefeuille): Jules Guesde. - Zum Gouverneur von Paris ist an Stelle des Divisionsgenerals Michel General Gallieni ernannt worden. Michel hat um ein Kommando unter Gallieni gebeten. Morgen soll ein Erlaß im Amtsblatt erscheinen, der provisorisch für die Kriegsdauer gestattet, bei der Beförderung von Offizieren vom Dienstalter abzusehen.
2)

 

Österreich und Italien

Rom, 27. Aug. (W. B.) 
Die "Agenzia Stefani" meldet:
Die von dem "Petit Parisien" am 23. August verdeutlichten Meldungen entbehren jeder Begründung. Die Beziehungen zwischen Italien und Österreich-Ungarn sind ausgezeichnet.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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