Der Weltkrieg am 30. August 1914

 

30000 Russen gefangen!

Berlin, 30. Aug. (W. B. Amtlich)
Bei den großen Kämpfen, in denen die russische Armee in Ostpreußen bei Tannenberg, Hohenstein und Ortelsburg geworfen wurde, sind nach vorläufiger Schätzung über 30000 Russen mit vielen hohen Offizieren in Gefangenschaft geraten.
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10 russische Divisionen neuerlich geschlagen

Frankfurt, 30. Aug.
Das hiesige österreichisch-ungarische Generalkonsulat stellt uns die folgende Zirkulardepesche des Grafen Berchtold zur Verfügung:
"Soweit sich heute Mittag überblicken läßt, ist das große Ringen unserer Armeen mit Hauptkräften des russischen Heeres noch nicht zur Entscheidung herangereift. Nur die Erfolge der von dem General der Kavallerie Viktor Dankl in der Schlacht bei Krasnik siegreich geführten Armee sind bereits einigermaßen zu übersehen. In einer zweiten Schlacht vom 27. August, die durch die heldenmütige Erstürmung einer stark befestigten Stellung auf den Höhen von Nedrshwizadusha gekrönt war, gelang es, die bei Krasnik zurückgeworfenen russischen Kräfte und herangeführten Verstärkungen - im ganzen etwa 10 Divisionen von sechs verschiedenen Korps - neuerlich zu schlagen. Eines unserer Korps nahm in dieser zweiten Schlacht einen General, einen Obersten, drei sonstige Stabs- und 40 andere Offiziere und zirka 2000 Mann gefangen und erbeutete wieder sehr viel Kriegsmaterial."
Der linke Flügel der österreichisch-ungarischen Armee nützt den Sieg, den er bei Krasnik errungen, mit aller wünschenswerten Energie aus. Aus der vorstehenden Meldung geht hervor, daß unsere Verbündeten sich bis auf 20 Kilometer Lublin genähert haben; um diesen wichtigen Punkt, der die Eisenbahnlinie von Cholm, wo vermutlich die Aufmarschbasis der gegen den linken Flügel der Österreicher operierenden russischen Armee zu suchen ist, nach der Festung Iwangorod und darüber hinaus nach Warschau beherrscht, dürften sich noch heiße Kämpfe entwickeln.
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Die Schlacht zwischen Österreichern und Russen

Tausende von Gefangenen

Wien, 30. Aug. (W. B. Nichtamtlich.) 
Die Schlachten auf dem russischen Kriegsschauplatz dauern noch mit ungeminderter Heftigkeit fort. Östlich unserer trotz mehrfacher befestigter Stellung des Feindes unaufhaltsam gegen Lublin vordringenden Armee begannen unsere zwischen Bug und Wieprz vorgeführten Kräfte am 26. August den Angriff auf die aus dem Raume von Cholm entgegengerückte starke russische Armee. Hieraus entwickelten sich nach der Schlacht von Krasnik weitere hartnäckige, für unsere angriffsfreudigen Truppen siegreich verlaufende Kämpfe bei Samostje sowie nördlich und östlich von Tomaszow, in welche am 28. August die aus dem Raume von Belz nun gleichfalls auf russischen Boden vordringende Gruppe unserer Streitkräfte erfolgreich eingriff. In diesen Kämpfen wurden ebenso wie in den Schlachten von Krasnik Tausende von Gefangenen gemacht.
In Ostgalizien behaupten sich unsere Truppen mit hervorragender Bravour und Zähigkeit gegen sehr starke und überlegene feindliche Kräfte.
Auf dem südlichen Kriegsschauplatz haben in der letzten Zeit keine nennenswerten Kämpfe stattgefunden.

Wien, 30. Aug. (W. B.) 
Dem "Neuen Wiener Tagblatt" zufolge gelang drei Zügen des Infanterie-Regiments Nr. 72 ein rascher Frontalangriff, bei welchem zwei russische Hauptleute, sechs Subalternoffiziere und 470 Mann gefangengenommen wurden. - Generalstabshauptmann Roßmann ist mit seinem Flugzeug abgestürzt und getötet worden. Das Armeeverordnungsblatt veröffentlicht gerade heute eine Auszeichnung Roßmanns für hervorragend tapferes Verhalten vor dem Feinde.
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Was Paris offiziell zugibt

Paris, 30. Aug. (Indirekt.) 
Die letzte offizielle Kriegsnote besagt, daß die Deutschen auf La Fère (an der Mündung der Serre in die Oise im Departement Aisne, etwa 25 Kilometer südlich von St. Quentin) marschieren, während sonst der Feind aufgehalten und zurückgestoßen worden sei. Es wird in Paris angenommen, daß die Deutschen durch das Tal der Oise Paris zu erreichen suchen werden. Die Presse erörtert die Hindernisse, welche die Deutschen noch auf ihrem Vormarsch nach Paris vorfinden. Man vertraut auf die zweite Verteidigungslinie und das verschanzte Lager von Paris. Der Militärgouverneur von Paris hat die sofortige Zerstörung aller Häuser, die in der Servitutszone der Befestigungen um Paris liegen, angeordnet.
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Unzufriedenheit in Paris

Paris, 30. Aug. (Indirekt.) 
Clemenceau, der das ihm angebotene Portefeuille des Krieges abgelehnt hatte, klagt öffentlich, daß die neue Regierung viele Einberufene vorläufig wieder beurlaube und ihre Tätigkeit mit rhetorischen Aufrufen beginne. Der "Cri de Paris" verlangt, daß die Regierung endlich Verlustlisten veröffentliche und die Familien nicht länger in Ungewißheit lasse.
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Das Seegefecht in der Nordsee

Berlin, 30. Aug. (Priv.-Tel.) 
Von dem Untergang des Torpedobootes "V 187" in dem Treffen bei Helgoland wird uns amtlich ein Bericht eines Augenzeugen zur Verfügung gestellt, der ein der Festhaltung würdiges Bild vom Verlust dieses Schiffes entwirft. Zuerst wurde das Boot vom Norden her angegriffen, und bald sah es sich von allen Seiten umringt von englischen Torpedobootszerstörern und Unterseebooten. "V 187", auf dem sich außer dem Kommandanten auch der Flottillenchef befand, wehrte sich mit allen Kräften gegen die Übermacht, verlor aber bald einen Teil seiner Bewegungsfreiheit. Das Boot drehte im feindlichen Feuer auf den Feind zu, um mit ihm in ein Passiergefecht zu kommen, wurde aber unter dem Hagel der Geschosse bald ganz manövrierunfähig. Um es nun nicht dem Feinde in die Hände fallen zu lassen, wurde im Innern des Bootes eine Sprengung vorgenommen. Das Boot sank rasch, und während des Sinkens noch bediente die Bemannung bis zum letzten Augenblick die noch brauchbar gebliebenen Geschütze. Feuernd sank das Boot in die Tiefe. Der Flottillenchef Kapitän Ballis und der Kommandant Kapitänleutnant Lechler fanden den Heldentod. Dem Feind gebührt die vollste Anerkennung dafür, daß er, ungeachtet der Gefahren, seine Beiboote aussetzte, um die Lebenden aufzunehmen. Als er hiermit noch beschäftigt war, nahten sich deutsche Streitkräfte. Er mußte sich zurückziehen und die eigenen Beiboote treiben lassen. Aus diesen wurden die deutschen Geretteten auf unsere eigenen Schiffe übernommen.
Auf den Donner der Schiffsgeschütze vor Helgoland hin eilte der deutsche Kreuzer "Ariadne" unserem schwachen Vorpostengefechte zu Hilfe. Als er in der Vorpostenlinie ankam, hatte sich der Feind schon gegen Westen zurückgezogen. Das Schiff nahm die Verfolgung auf und bestrebte sich, die Fühlung mit dem Feinde wieder zu gewinnen, um, wenn möglich, diesen zum Kampf zu stellen. Plötzlich sah er einen anderen deutschen Kreuzer mit zwei englischen Panzerkreuzern der Lionschiffklasse von 27000 Tonnen mit je acht 34.3 Zentimeter-Geschützen im Kampfe. "Ariadne" kam zur Unterstützung. Ein Treffer in den vorderen Kesselraum setzte aber bald die Hälfte der Kessel außer Betrieb, so daß das Schiff nur mit 15 Seemeilen laufen konnte. Noch eine halbe Stunde dauerte der ungleiche Kampf, dann war das Achterschiff in Brand geschossen, und der Brand dehnte sich bald auf das ganze Vorderschiff aus. Die vordere Munitionskammer konnte noch unter Wasser gesetzt werden, bei der hinteren war das nicht mehr möglich.
Der Feind hatte inzwischen nach Westen abgedreht. Die "Ariadne" war aber dem Untergang geweiht. Die Mannschaft versammelte sich auf dem vorderen Deck und brachte, getreu der Überlieferung unserer Marine, drei Hurras auf den allerhöchsten Kriegsherrn aus. Dann erklang das Flottenlied, und unter dem Gesang "Deutschland, Deutschland über alles" wurde das Schiff in vollständiger Ordnung verlassen. Zwei deutsche Schiffe, die inzwischen herangekommen waren, nahmen die Mannschaft auf, während "Ariadne" in den Fluten versank. Von der Besatzung ist soweit bisher festgestellt werden konnte, ihr erster Offizier Korvettenkapitän Franck, der Schiffsarzt Ritter v. Boxberger, der Wachtingenieur Helbing und ungefähr 70 Mann gefallen. Die Zahl der Verwundeten ist groß. Dieses Verhalten der Mannschaft in einem unglücklichen Kampf und das Zugeständnis des Feindes, daß er schwere Beschädigung  erlitten hat, zeugen für die Tüchtigkeit und dem Kampfesmut unserer Marine.
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Der Kampf um Togo

30. August. 
Von der holländischen Grenze wird der "Kölnischen Zeitung" folgendes gemeldet: 
Unfähig, in Europa ihren betrogenen belgischen Verbündeten beizustehen, haben die Franzosen und Engländer an der Spitze von schwarzen Soldaten ihren Mut durch die Überwältigung der kleinsten deutschen Kolonie, des zwischen dem französischen Dahomey und der britischen Goldküste eingeklemmten Togo, zu beweisen Gelegenheit gehabt. Wie an dieser Stelle gemeldet wurde, hatten die Briten die deutschen Behörden zur unbedingten Übergabe aufgefordert, worauf diese Behörden um Kriegsehren beim Abzug und Erfüllung gewisser Bedingungen ersuchten. Das wurde ihnen verweigert, sie sollten sich bedingungslos übergeben. Nach amtlicher britischer Mitteilung sind nun am 26. August die verbündeten Streitkräfte in die Kolonie eingezogen. Die Deutschen haben sich zweifellos bis zur letzten Möglichkeit tapfer gehalten, denn die Gegner haben verhältnismäßig viel Verluste: zwei französische und ein englischer Offizier gefallen, ein englischer Leutnant, zwei französische Unteroffiziere lebensgefährlich, ein englischer Leutnant schwer, ein englischer Feldwebel leicht verwundet, dazu kommen an eingeborenen Soldaten 14 Tote auf französischer und 12 auf englischer Seite bezw. 15 Schwerverwundete usw. Zwei der französischen sind inzwischen ihren Wunden erlegen. Ein Franzose wird vermißt. Von britischer Seite allein wurde für diese Heldentat ein ganzes Regiment der West-African-Frontier-Force aufgeboten, also eine richtige Kriegstruppe, keine Polizeitruppe, wie sie Togo in der Stärke von einigen hundert Mann besitzt. Es ist allerdings sicher, daß neben der Polizeitruppe alle wehrpflichtigen Deutschen für die Ehre ihres Vaterlandes mitkämpften. Die "Sieger" werden sich hoffentlich für dieses wahnsinnige Verbrechen an der Kulturförderung Afrikas schwer zu verantworten haben.
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Die deutschen Heerführer


v. Bülow

v. Kluck

v. Hausen

In der letzten Veröffentlichung erst sind die Führer der kämpfenden deutschen Heere bekanntgegeben worden. Es sind dies außer den Kronprinzen von Preußen und Bayern der Herzog Albrecht von Württemberg, ein Sohn des Herzogs Philipp von Württemberg, die Generalobersten v. Bülow, v. Kluck, Frhr. v. Hausen, v. Heeringen und v. Hindenburg.
Generaloberst v. Bülow, geboren am 24. März 1846, gehört seit 1864 der Armee an. 1893 wurde er in das Kriegsministerium als Direktor des Zentraldepartements berufen. 1900 erhielt er die Führung der 2. Garde-Infanteriedivision, 1903 diejenige des 3. Armeekorps. 1912 erfolgte dann seine Ernennung zum Generalinspekteur der 3. Armee-Inspektion in Hannover.
Generaloberst v. Kluck, im gleichen Jahre wie v. Bülow geboren, trat 1865 ins Heer ein. 1898 wurde er Kommandeur des 34. Füsilierregiments in Bromberg, 1899 der 23. Infanteriebrigade in Neisse, 1902 der 37. Division in Allenstein und 1906 des 5. Armeekorps in Posen. 1907 übernahm er die Führung des 1. Armeekorps. 1913 wurde er dann zum Generalinspekteur der neu errichteten achten Armeeinspektion in Berlin ernannt.
Generaloberst v. Heeringen ist aus seiner früheren Tätigkeit als Kriegsminister bekannt. Geboren am 9. März 1850, trat er 1867 in die Armee ein. 1892 wurde er Abteilungschef im Großen Generalstab, 1895 Kommandeur des Infanterieregiments Nr. 117, dann 1898 Direktor des Armeeverwaltungs-Departements im Kriegsministerium, 1903 Kommandeur der 22. Division, 1906 Kommandeur des 2. Armeekorps.
Auf dieser Stellung wurde er 1909 an die Spitze des Kriegsministeriums berufen, das er bis zum 4. Juli v. J. geleitet hat. Er trat nach Annahme der großen Militärvorlage zurück und erhielt als Nachfolger des Frhrn. von der Goltz die zweite Armee-Inspektion in Berlin.
Auch Generaloberst Frhr. v. Hausen war bis vor kurzem Kriegsminister, und zwar in Sachsen. Er wurde am 17. Dezember 1846 geboren und gehört seit 1864 der Armee an. 1890 wurde er Kommandeur des Dresdener Grenadierregiments Nr. 101, 1897, nach mehrjähriger Tätigkeit im Generalstab, Kommandeur der 32. Division, 1900 kommandierender General des 12. Armeekorps. 1902 erfolgte seine Ernennung zum sächsischen Kriegsminister. Im Mai d. J. trat er vom Amte zurück und wurde zur Disposition gestellt. In diesem Kriege ist er wieder in Aktion getreten und ist mit bestem Erfolge an den Siegen im Westen beteiligt gewesen.
Herzog Albrecht von Württemberg, geboren im Jahre 1865, seit 1883 der württembergischen Armee angehörig, war u. a. 1906-1907 Kommandeur des 11. Armeekorps in Kassel, von wo aus er dann die Führung des württembergischen Armeekorps übernahm. Im vorigen Jahre wurde er Generaloberst und Generalinspekteur der 6. Armeeinspektion.
Generaloberst v. Hindenburg, der Leiter der erfolgreichen Operationen in Ostpreußen, stammt aus Posen, wo er am 2. Oktober 1847 als Sohn eines Offiziers geboren wurde. Er trat 1866 ins 3. Garderegiment z. F. ein und nahm sofort am Kriege teil. Nach der Beförderung zum Major kam er 1889 als Abteilungschef in das Kriegsministerium, war dann 1891 bis 1896 Kommandeur des 91. Infanterieregiments und die nächsten 4 Jahre Chef des Stabes beim 8. Armeekorps. Im Jahre 1900 erhielt er die Führung der 28. Division, 1903 diejenige des 4. Armeekorps. Im Jahre 1911 wurde er zur Disposition gestellt. Bei Ausbruch des Krieges stellte er sich wieder zur Verfügung und hat nun die ostpreußischen Truppen zu ihrem glänzenden Siege geführt.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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