Der Weltkrieg am 7. September 1914

ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

Der Reichskanzler an das Ausland


Reichskanzler v. Bethmann Hollweg

Berlin, 7. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.) 
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" bringt folgende Mitteilung des Reichskanzlers an die Vertreter der "United Press" und der "Associated Press":

Großes Hauptquartier, 2. September. 
Ich weiß nicht, was man in Amerika über diesen Krieg denkt. Ich nehme an, daß dort inzwischen der Telegrammwechsel des Kaiser mit dem Kaiser von Rußland und dem König von England bekannt geworden ist, der unwiderleglich die Vorgeschichte und das Zeugnis dafür ablegt, wie der Kaiser bis zum letzten Augenblick bemüht gewesen ist, den Frieden zu erhalten. Diese Bemühungen mußten aber vergeblich bleiben, da Rußland unter allen Umständen zum Kriege entschlossen war und England, das durch Jahrzehnte hindurch den deutschfeindlichen Nationalismus in Rußland und Frankreich ermutigt hatte, die glänzende Gelegenheit, die sich ihm bot, die so oft betonte Friedensliebe zu bewähren, ungenützt vorübergehen ließ; sonst hätte wenigstens der Krieg Deutschlands mit Frankreich und England vermieden werden können. Wenn sich einmal die Archive öffnen, so wird die Welt erfahren, wie oft Deutschland England die freundschaftliche Hand entgegenstreckte, aber England wollte die Freundschaft mit Deutschland nicht Eifersüchtig auf die Entwickelung Deutschlands und im Gefühl, daß es durch deutsche Tüchtigkeit und deutschen Fleiß auf manchen Gebieten überflügelt werde, wünschte es Deutschland mit roher Gewalt niederzuwerfen, wie es seinerzeit Spanien, Holland und Frankreich niederwarf.
Diesen Moment hielt es jetzt für gekommen, und so bot ihm der Einmarsch deutscher Truppen in Belgien den willkommenen Vorwand, am Kriege teilzunehmen. Zu diesem Einmarsch aber war Deutschland gezwungen, weil es dem beabsichtigten französischen Vormarsch zuvorkommen mußten, und Belgien nur auf diesen wartete, um sich Frankreich anzuschließen. Daß er für England nur ein Vorwand war, beweist die Tatsache, daß Grey bereits am 2. August nachmittags, also bevor die Verletzung der belgischen Neutralität durch Deutschland erfolgte, dem französischen Botschafter die Hilfe Englands bedingungslos für den Fall zusicherte, daß die deutsche Flotte die französische Küste angreife. Moralische Skrupel aber kennt die englische Politik nicht. Und so hat das englische Volk, das sich stets als Vorkämpfer für Freiheit und Recht gebärdete, sich mit Rußland, dem Vertreter des furchtbarsten Despotismus, verbündet, mit einem Lande, das keine geistige, keine religiöse Freiheit kennt, das die Freiheit der Völker wie Individuen mit Füßen tritt.
Schon beginnt England einzusehen, daß es sich verrechnet hat, und daß Deutschland seiner Feinde Herr werden wird. Daher versucht es denn mit den kleinlichsten Mitteln, Deutschland wenigstens nach Möglichkeit in seinem Handel und seinen Kolonien zu schädigen, indem es, unbekümmert um die Folgen für die Kulturgemeinschaft der weißen Rasse, Japan zu einem Raubzug gegen Kiautschou aufhetzt und die Neger in Afrika zum Kampfe gegen die Deutschen in den Kolonien führt. Und nachdem es den Nachrichtendienst Deutschlands in der ganzen Welt unterbunden, den Feldzug mit einer Lüge gegen uns eröffnet, so wird es Ihren Landsleuten erzählen, daß die deutschen Truppen belgische Dörfer und Städte niedergebrannt habe, ihnen aber verschweigen, daß belgische Mädchen wehrlosen Verwundetem auf dem Schlachtfelde die Augen ausgestochen haben. Beamte belgischer Städte haben unsere Offiziere zum Essen eingeladen und über den Tisch hinüber erschossen. Gegen alles Völkerrecht wurde die ganze Zivilbevölkerung Belgiens aufgeboten, die in dem Rücken gegen unsere Truppen nach anfänglich freundlichem Empfang mit versteckten Waffen eine grausame Kampfesweise erhob. Belgische Frauen durchschnitten den Soldaten, die sie im Quartier aufgenommen und die sich zur Ruhe gelegt hatten, die Hälse. England wird auch nichts von den Dum-Dum-Geschossen erzählen, die von den Engländern und Franzosen trotz aller Abkommen und heuchlerisch verkündeten Humanität verwendet werden und die Sie hier in Originalpackung einsehen können, so wie sie bei englischen und französischen Gefangenen gefunden werden.
Der Kaiser hat mich ermächtigt, alles dies zu sagen und zu erklären, daß er volles Vertrauen in das Gerechtigkeitsgefühl des amerikanischen Volkes hat, das sich durch den Lügenkrieg, den unsere Gegner gegen uns führen, nicht täuschen lassen wird. Wer seit dem Ausbruch des Krieges in Deutschland gelebt hat, hat die große moralische Volkserhebung der Deutschen, die, von allen Seiten bedrängt, zur Verteidigung ihres Rechts auf ihre Existenz freudig ins Feld ziehen,
selbst beobachten können und weiß, daß dieses Volk keiner unnötigen Grausamkeit und keiner Roheit fähig ist. Wir werden siegen dank der moralischen Wucht, die die gerechte Sache unseren Truppen gibt, und schließlich werden auch die größten Lügen unsere Siege so wenig wie unser Recht verdunkeln können.
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die Kämpfe in Galizien

Wien, 7. September.
Amtlich wird gemeldet:
Aus den schon gemeldeten abermaligen Kämpfen der Armee Dankl, gegen welche der Feind mit der Bahn namhafte Verstärkungen heranführte, wurde bekannt, daß speziell die Gruppe unter dem Befehl des Generalleutnants Kestranek einen starken Angriff der Russen blutig abwies und hierbei weitere 600 Gefangene einbrachte. Sonst herrscht auf den Kriegsschauplätzen, soweit bekannt ist, auch heute relative Ruhe.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor. 1)

 

Sieg unserer Verbündeten über die Serben

Wien, 7. Septbr. (W. B.)
Aus dem Kriegspressequartier wird amtlich gemeldet:
Das Armeeoberkommando erließ am 7. September folgenden Befehl: Es gereicht mir zur besonderen Freude, bekanntgeben zu können, daß ungefähr 4000 Mann serbischer Truppen bei dem Versuche, östlich von Mitrowitza in unser Gebiet einzubrechen, gefangengenommen wurden. Bei dieser Gelegenheit wurde von unseren braven Truppen im Süden auch serbisches Kriegsmaterial erbeutet. Dies ist allgemein zu verlautbaren.

Erzherzog Friedrich,
General der Infanterie.

Wien, 7. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.)
Nach späteren Meldungen erhöht sich die Zahl der bei Mitrowitza gefangenen Serben auf 5000.
2)

 

Kriegsfreiwillige in Österreich-Ungarn

Wien, 7. Septbr. (D. D. P.) 
Nach zuverlässigen Mitteilungen beträgt bisher die gesamte Zahl der Anmeldungen von Kriegsfreiwilligen für die österreichisch-ungarische Armee 1 250 000.
Die freiwilligen Sammlungen für das Rote Kreuz und die Kriegsfürsorge in den österreichischen Kronlanden weisen jetzt über 205 Millionen Kronen auf.
2)

 

Nichts Neues vor Paris

Paris, 7. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.) 
Es ist keinerlei Veränderung zu melden. Zwischen den zur Verteidigung vorgeschobenen Truppen und der Avantgarde des rechten deutschen Flügels kam es zu einem Zusammenstoß, der gestern größere Ausdehnung annahm. Die Franzosen rückten bis zum Ourcq vor, ohne größeren Widerstand zu finden. Die Lage der Verbündeten ist im allgemeinen gut. 
Maubeuge setzt seinen Widerstand heldenmütig fort.

London, 7. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.) 
Ein amtliches Communique gibt einen allgemeinen Überblick über die französischen Operationen in der letzten Woche und sagt: Eine Hauptaktion hat nicht stattgefunden. Es gab Treffen, die lediglich Zwischenfälle bei der strategischen Rückzugbewegung der verbündeten Truppen sind, die verursacht wurde durch den anfänglichen Zusammenstoß in Belgien und durch die ungeheure Macht, welche die Deutschen nach dem westlichen Kriegsschauplatz geworfen haben.
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HMS "Pathfinder"
HMS "Pathfinder"

Die Verluste der englischen Flotte

Berlin, 7. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.)
Die heute hier eingetroffene "Times" vom 2. September enthält eine Nachtragsverlustliste der Admiralität, in der Namen der Besatzungen der geschützten Kreuzer "Arethusa", "Fearless" sowie der Torpedobootzerstörer "Druid", "Laertes" und "Phönix" enthalten sind.

Amsterdam, 7. Septbr (Priv.-Tel.)
Der "Nieuwe Rotterdamsche Courant" meldet, der englische Kreuzer "Pathfinder" gebaut 1904, ist auf dem Weg vom Tyne nach Newcastle auf eine Mine gestoßen und gesunken.

London, 7. Septbr. (Priv.-Tel., indirekt)
Die Admiralität gibt bekannt, daß der Passagierdampfer "Runo" von der Wilsonlinie am 5. September nachmittags in der Nähe der englischen Ostküste auf eine Mine gelaufen und gesunken sei. Die Besatzung und Passagiere seien gerettet worden, ausgenommen 20 Russen, die aus Paris geflüchtet waren.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im September 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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