Der Weltkrieg am 22. September 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT


 

Die Beschießung der Kathedrale von Reims

Der 1. Weltkrieg: Die Kathedrale von Reims

Die Kathedrale von Reims

Berlin, 22. September. (W. B. Amtlich.)
Die französische Regierung scheut leider nicht vor einer verleumderischen Entstellung der Tatsachen zurück, wenn sie behauptet, daß deutsche Truppen ohne militärische Notwendigkeit den Dom von Reims zur Zielscheibe eines systematischen Bombardements machten. Reims ist eine Festung, die von den Franzosen noch in den letzten Tagen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln ausgebaut wurde und zur Verteidigung ihrer jetzigen Stellung benutzt wird. Bei dem Angriff auf diese Stellung wurde das Bombardement von Reims zur Notwendigkeit. Die Befehle waren erteilt, die berühmte Kathedrale zu schonen. Wenn es trotzdem wahr sein sollte, daß bei dem durch den Kampf hervorgerufenen Brand von Reims auch die Kathedrale gelitten hat, was wir zur Zeit nicht festzustellen vermögen, so würde das niemand mehr bedauern wie wir. Die Schuld allein tragen aber die Franzosen, die Reims als Festung zum Stützpunkt ihrer Verteidigungsstellung machten. Wir müssen energischen Protest gegen die Verleumdung erheben, daß deutsche Truppen aus Zerstörungswut ohne dringendste Notwendigkeit Denkmäler der Geschichte und Architektur zerstören.
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 Der deutsche Heeresbericht:

Das deutsche Hauptquartier über die Beschießung

Großes Hauptquartier, 22. September.
Die französische Regierung hat behauptet, daß die Beschießung der Kathedrale von Reims keine militärische Notwendigkeit gewesen sei. Demgegenüber sei folgendes festgestellt: Nachdem die Franzosen die Stadt Reims durch starke Verschanzungen zum Hauptstützpunkt ihrer Verteidigung gemacht hatten, zwangen sie uns selbst zum Angriff auf die Stadt mit allen zur Durchführung möglichen Mitteln.
Die Kathedrale sollte auf Anordnung des deutschen Armeeoberkommandos geschont werden, so lange der Feind sie nicht zu seinen Gunsten ausnutzte. Seit dem 20. September wurde auf der Kathedrale die weiße Flagge gezeigt und von uns geachtet. Trotzdem konnten wir auf dem Turm einen Beobachtungsposten feststellen, der die gute Wirkung der feindlichen Artillerie gegen unsere angreifende Infanterie erklärte. Es war nötig, ihn zu beseitigen. Dies geschah durch Schrapnellfeuer der Feldartillerie. Das Feuer schwerer Artillerie wurde auch jetzt noch nicht gestattet und das Feuer eingestellt, nachdem der Posten beseitigt war.
Wie wir beobachten können, stehen Turm und Äußeres der Kathedrale unzerstört. Der Dachstuhl ist in Flammen aufgegangen. Die angreifenden Truppen sind also nur so weit gegangen, wie sie unbedingt gehen mußten. Die Verantwortung trägt der Feind, der ein ehrwürdiges Bauwerk unter dem Schutz der weißen Flagge zu mißbrauchen versuchte.
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Die Schlachten im Westen

Die "Frankfurter Zeitung" schrieb am 22. September 1914:
Drei Stellen an der Front der Kämpfenden, deren gesamte Linie sich wieder über mehrere hundert Kilometer erstreckt, sind gegenwärtig von ganz besonderem Interesse. Das ist einmal die Gegend um Noyon, rechts der Oise, wo unser rechter Flügel kürzlich nahezu zweieinhalb französische Armeekorps geschlagen hat. Dort und am äußersten westlichen Flügel der beiderseitigen Aufstellung hat sich der Kampf abgespielt, durch dessen Ausgang der Versuch der Franzosen gescheitert ist, unsere rechte Flanke zu überflügeln. Anfangs hatten sie Glück gehabt. Es war ihnen zwar nicht gelungen, einen Teil unserer Armee abzuschneiden, aber die ernstliche Bedrohung und die ungestümen Angriffe hatten unsere Truppen zu immer neuen Bewegungen und Windungen genötigt, - die sich dann allmählich unserer gesamten Front mitteilten -, bis es schließlich gelang, durch eine energische Verschiebung der Kräfte den französischen Plan zum Scheitern zu bringen. Der linke Flügel der Franzosen wird sich bestenfalls nur noch so lange in seiner Stellung halten können, als es die Lage auf den anderen Abschnitten der Schlachtfront gestattet. Das kann aber nach den neuesten Meldungen nicht mehr lange dauern, denn im Zentrum der Kämpfe an der Aisne steht es für die Franzosen offenbar schlecht. Von den Höhen, die die Festung Reims umschließen, sind zweifellos jetzt schon wesentliche Punkte im Besitz der deutschen Truppen. Selbst die französischen Bulletins müssen das einräumen. Aus der Fassung des letzten deutschen Berichts kann man aber schließen, daß wir uns dort in vorzüglicher Lage befinden. Wenn die Arbeit unserer Armeen dort in derselben Weise fortschreitet, dann wird das Ende dieser Schlacht vermutlich sein, daß die Franzosen bei Reims, also gerade an der Stelle, an der sie selber den Hauptstoß führen und unsere Front durchbrechen wollten, ganz entscheidend geschlagen werden. Die Taktik unserer Armeeleitung, die sich - trotz aller möglichen Mißdeutung - nicht gescheut hat, nach dem freiwilligen Abbruch der von den Franzosen gewünschten Schlacht an der Marne unsere Truppen sogar bis über Reims hinaus zurückzunehmen, bewährt sich jetzt glänzend, denn die Franzosen haben sich bei dem Ansturm auf unsere festen Stellungen nordwestlich von Reims erschöpft und werden nun unserem eigenen Angriff nicht lange standhalten können, ganz abgesehen von allen weiteren Vorteilen, die sich aus unseren Stellungen bei Reims noch leicht ergeben könnten. Bei Verdun endlich scheint unsere Lage, die sich auch durch die Rückwärtsbewegung wohl keinen Augenblick verschlechtert hatte, gleichfalls so aussichtsreich zu sein, daß wir von diesem dritten Abschnitt unserer Front schon bald Wichtiges werden erfahren können. Die völlige Umschließung der Festungswerke ist schon vollendet, oder sie steht unmittelbar bevor. Das Gesamturteil über die gegenwärtige Lage im Westen kann darum nur lauten: wir sind zu großen Hoffnungen voll berechtigt.

 

Die Lage in Galizien

Paris, 22. September. (Priv.-Tel.)
Hier wird offiziell angekündigt, daß die Russen die Beschießung von Przemysl begonnen haben.

Prag. 22. September. (W. B.)
Das "Prager Tageblatt" meldet: Verläßliche Nachrichten aus Galizien stimmen darin überein, daß die Russen überall in Galizien, wo sie Ortschaften besetzen, mit systematischer Brutalität gegen die jüdischen Einwohner vorgehen, die ruthenische Bauernbevölkerung gegen die Juden aufhetzen und jüdisches Eigentum der zumeist geflüchteten polnischen Gutsbesitzer den ruthenischen Bauern überantworten. Die von Russen an jüdischen Einwohnern verübten Gewalttaten nähmen einen immer größeren Umfang an.
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Vom Kreuzer "Emden"

Kalkutta, 22. September. (W. B. Reuter.)
Die Offiziere und Mannschaften der von dem Kreuzer "Emden" in der Bai von Bengalen versenkten britischen Schiffe sind gestern Nachmittag hier angekommen. Sie äußerten sich anerkennend über die ihnen von den deutschen Offizieren erwiesene Höflichkeit. Der Streifzug des Kreuzers "Emden" begann am 10. September. An diesem Tage nahm er den Dampfer "Indus", der durch Geschützfeuer zum Sinken gebracht wurde, nachdem die Besatzung auf die "Emden" übergeführt worden war. Als der Kreuzer auf die Höhe der Bai kam, fing er alle drahtlosen Nachrichten auf, welche die Abfahrten aus dem Hafen meldeten, und kannte infolgedessen die Lage sämtlicher Schiffe in der Bai. Am 11. September sichtete der "Emden" den Dampfer "Loo", übernahm seine Besatzung und versenkte ihn. Der Dampfer "Kabinga" wurde in der Nacht zum 12. September genommen und zwei Stunden später der Dampfer "Killin" Während derselben Nacht wurden drei andere Schiffe gesichtet, jedoch nicht verfolgt. Am Mittag des 12. September nahmen die Deutschen den Dampfer "Diplomat", der später versenkt wurde. Dann wurde der italienische Dampfer "Lariano" angehalten, aber an demselben Tage wieder freigelassen. Auf seinem Rückwege warnte der Dampfer mehrere andere Schiffe, welche zurückfuhren und so der Kaperung entgingen. Am 14. September nahm die "Emden" den Dampfer "Tratbock" und versenkte ihn durch eine Mine. Die Besatzung sämtlicher erbeuteten Schiffe wurde dann an Bord eines Fahrzeuges gebracht, das den Befehl erhielt, nach Kalkutta zu fahren. Zwei deutsche Schiffe begleiteten es bis innerhalb 75 Meilen von der Mündung des Huali.

London, 22. September (Priv.-Tel.)
Der "Daily Telegraph" meldet aus Kalkutta, daß der von der "Emden" auf ihrem kühnen Streifzug angerichtete Schaden 15 Millionen Mark betrage. Der Erfolg des deutschen Kreuzers wäre noch größer gewesen, wenn das italienische Schiff nicht eine Anzahl englischer Dampfer benachrichtigt hätte.
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Der 1. Weltkrieg im September 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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