Frankreichs
Befestigungen an der Ostgrenze
Vom
Berichterstatter der "Frankfurter Zeitung" im Großen Hauptquartier
Wenn
man die Karte Frankreichs mit Rücksicht auf die Anlage seiner Befestigungen
studiert, so fällt naturgemäß sofort auf, mit welchem
Eifer und Energie die Franzosen vor allem die unmittelbar der deutschen
Grenze gegenüberliegenden Landesteile durch Anlage von Werken zu
spicken bestrebt waren. Aus der ganzen Anordnung der französischen
Befestigungen an der Ostgrenze lassen sich auch interessante Rückschlüsse
darauf machen, wie sich die Franzosen die Entwicklung des Krieges gedacht
haben. Die Grenze gegen Belgien ist nur sehr wenig befestigt. Die Anlage
von Dünkirchen war zum Schutze des dortigen Hafens notwendig, erfolgte
ursprünglich auch mit ausgesprochener Tendenz gegen England. Die
Befestigungen von Lille waren veraltet und wurden daher kampflos von den
Franzosen geräumt, und auch die Forts de Maulde, de Hines, de Burgies
und Le Quesnay, welche die Verbindung mit Maubeuge darstellten, waren
keine Werke, welche den neuesten Anforderungen des Befestigungskrieges
entsprachen. Einen festeren Stützpunkt bot Maubeuge, doch sprach
bei dem Widerstande dieser Festung vor allem auch die den Belagerern bedeutend
überlegene Besatzung, sowie die sehr umfangreich und geschickt ausgebaute
Zwischenstellung mit. Weiter südlich lag zur Deckung des Maasüberganges
nur das veraltete Givet, während sich weiter südlich das Fort
des Agvelles sowie die ebenfalls veraltete Festung Montmedy anschlossen.
Aus der Vernachlässigung der nordöstlichen französischen
Befestigungen geht aber klar hervor, daß die französische Heeresleitung
von vornherein mit einer Mitwirkung Belgiens auf französischer Seite
gerechnet hat, indem man annahm, daß Antwerpen, Lüttich und
Namur den deutschen Vorstoß durch Belgien so lange würden aushalten
können, bis das französische Heer heran sei, um endgültig
die Maaslinie festzuhalten. Lüttich und Namur sind im Gegensatz zu
den Befestigungen der französischen Nordostfront auf das modernste
ausgebaute und verstärkte Festungen, die nur die Überlegenheit
unserer schweren Artillerie und der unvergleichliche Heldenmut unserer
Truppen schon nach so kurzem Kampfe in unsere Hände lieferte. Durch
die Wegnahme dieser beiden wichtigen Faktoren in dem Feldzugsplane der
Franzosen war aber ein mächtiger Fehler in deren Berechnung gekommen,
da die als Werke der zweiten Linie gedachten französischen Festungen
Lille, Maubeuge, Montmedy usw. nicht imstande waren, den Vormarsch der
deutschen Heere im Norden aufzuhalten. Als Meisterstück muß
vor allem im strategischen Sinne die Wegnahme von Lüttich angesehen
werden, weil durch diese das Zentrum der französisch-belgischen Stellung
durchbrochen und der Maasübergang gewonnen wurde. Auch der Schlag
gegen Namur erfolgte dann so blitzschnell, daß die Franzosen nicht
mehr imstande waren, sich von ihrer Überraschung zu erholen und durch
Hinwerfen großer Truppenmassen in Verbindung mit der Anlage einer
starken Zwischenstellung, die bei Lüttich begangenen Fehler wieder
gut zu machen.
Anders liegen die Verhältnisse im Südosten. Dort ist die deutsch-französische
Grenze in ihrer gesamten Ausdehnung mit Werken von bedeutender Stärke
gespickt, denen man überdies durch die Anlage von Vorstellungen und
die Schaffung von Abschnitten noch erhöhte Widerstandskraft verliehen
hat.
Die Hauptstützpunkte dieses ganzen Verteidigungssystems bilden die
Festungen Verdun, Toul, Epinal und Belfort.
Da die ganze Verteidigungslinie sich in südöstlicher Richtung
hinzieht, so wird dadurch auch die Flankierung eines deutschen in direkt
westlicher Richtung erfolgenden Angriffes begünstigt und nötigt
den Angreifer, sich nach links zu staffeln. Als besondere Vorposten dieses
ganzen Verteidigungssystems sind die Festung Longwy, deren Einzelheiten
ich bereits schilderte, sowie bei Blamont das bekannte Sperrfort Manonvillers
vorgeschoben. Erst nach Wegnahme dieser beiden Punkte gelangt man dann
an die eigentliche französische Hauptstellung heran, die durch die
auf der Cote Lorraine ausgehobene und durch Abschnitte verstärkte
Feldstellung eingeleitet wird. Man kann diese Stellung, die bereits im
Frühjahr angelegt wurde, ruhig als eine permanente Befestigung bezeichnen,
da ihre Anlage nicht einem momentanen Bedürfnis entsprach, sondern
eben ein ständiges Glied in dem Befestigungsnetz an der Südostgrenze
bildet. Die Wegnahme dieser Stellung wurde noch dadurch erschwert, daß
Verdun für Flankenstöße ausgezeichnet lag und daß
südlich auch Toul mit der nach Osten weit ausholenden Fortgruppe
von Nancy einen sehr unangenehmen Ausgangspunkt für Offensivstöße
bildete. Darum hat die deutsche Heeresleitung mit Recht sich entschlossen,
im Zentrum den Maasübergang durch Niederkämpfung der Forts der
Mittelgruppe und deren Wegnahme zu erzwingen, auf den beiden Flügeln
aber dieses Kampfesabschnittes, wo die Franzosen bei Verdun und Toul starke
Kräfte massiert hatten, sich zunächst nur auf die Defensive
zu verlegen. Sobald der Durchbruch bei St. Mihiel unter Wegnahme des Forts
du Camp des Romains erzielt und die anderen Werke der Mittelgruppe Fort
de Troyon, Batterie des Paroches und Fort de Liouville artilleristisch
niedergekämpft waren, war die Bedeutung der Sperrfortsstellung im
wesentlichen erledigt.
Durch die Forts der Nancy-Gruppe wird auch der Moselübergang geschützt,
doch dürfte diese Aufgabe nur als untergeordnet zu bezeichnen sein.
Eher kann man glauben, daß sich die Franzosen in den Forts von Nancy
einen Brückenkopf an der Mosel zu Vorstößen in östlicher
Richtung haben schaffen wollen.
Zwischen Nancy und Epinal, das den Nordpunkt der französischen südlichen
Befestigungsgruppe bildet, klafft eine Lücke, die nur durch die beiden
an der Maas liegenden Forts de Pagny und de Bourlemont notdürftig
geschlossen wird. Es ist nun eine Frage, ob man das eine Anzahl der von
Straßburg heranführenden Straßen beherrschende Sperrfort
von Manonvillers, bekanntlich das stärkste Sperrfort der Welt, für
mächtig genug hielt, eine Offensive von Straßburg her zu unterbinden,
oder ob man absichtlich diese Lücke ließ, um dann die in diese
vorstoßenden deutschen Truppen von drei Seiten anzugreifen. Die
Südlinie Epinal - Belfort deckt wiederum die Moselübergänge.
Während jedoch im nördlichen Abschnitt die Forts mit Ausnahme
der Batterie les Paroches über den zu deckenden Maasabschnitt vorgeschoben
sind, hat man hier die sämtlichen Werke hinter die Mosel zurückgenommen,
so daß also die Übergangsstellen im französischen Feuerbereich
liegen. Den Kern des ganzen südlichen Verteidigungsabschnittes bildet
die Festung Belfort, die ihrer ganzen Lage nach außerordentlich
schwer zu nehmen ist und deren Stärke noch durch das große,
verschanzte Lager erhöht wird.
Die Forts des Abschnittes Epinal - Belfort sind von Norden nach Süden
folgende: Fort des Arches, Fort de Rupt, Fort de Chateau Lambert, Fort
du Ballon de Servance. Zwischen dem Fort des Arches und Fort de Rupt liegt
die Batterie de la Benille, ebenso sind bei Remiremont südlich Epinal,
ferner bei Giromagny, dicht nördlich Belfort, Zwischenwerke angelegt
worden.
Mit Belfort haben eigentlich die für einen Krieg mit Deutschland
in Frage kommenden Befestigungen Frankreichs ihr Ende erreicht. Als Festungen
der zweiten Linie für diesen Kriegsfall sind noch Langres und Dijon
vorgesehen, die den Marne- und den Saone-Abschnitt nach Osten decken sollen,
jedoch an Bedeutung bei weitem nicht an die Hauptwerke der ersten Linie
heranreichen. Die südlich Belfort gelegenen Fort du Mont Bart und
Fort du Lomont, mit ihren Zwischenstellungen bei Montbeliard und Port
du Roide sind in erster Linie als gegen die Schweiz gerichtet anzusehen,
ebenso die hier als Stützpunkt in zweiter Linie am Dails liegende
Festung Besancon. Die Werke der beiden Südgruppen der ersten Linie,
vor allem die drei Festungen Verdun, Toul und Belfort, sind Festungen
ersten Ranges, die in jeder Hinsicht modern ausgebaut und ausgezeichnet
armiert sind. In diesen Festungen sind auch große artilleristische
Vorräte zur Armierung und Verstärkung der Zwischenstellungen
bereits im Frieden angesammelt worden. Aus den vorstehenden Ausführungen
geht hervor, daß Frankreich an seiner Ostgrenze ausgezeichnet fortifikatorisch
und artilleristisch ausgerüstet in den Kampf ging. Daß es uns
Deutschen gelang, auch auf diesen Kampfplätzen Vorteile zu erringen,
verdanken wir neben der vorzüglichen Kriegsvorbereitung unseres Generalstabes,
die unter anderem in der überwältigenden Überlegenheit
unserer Artillerie zum Ausdruck kommt, vor allem dem Geiste unserer Truppen.
|