Der
Angriff auf Antwerpen
Die
"Frankfurter Zeitung" schrieb am 3. Oktober 1914:
Die Festung Antwerpen, in die sich seit unserem Einbruch in das innere
Belgien und seit den Niederlagen des belgischen Heeres in offener Feldschlacht
die Trümmer der Armee König Alberts geflüchtet hatten,
war in den letzten Wochen des Krieges wenig beachtet worden, weil die
deutsche Armee sich darauf beschränkte, die Belgier in ihrem Refugium
in Schach zu halten und ihre häufigen Versuche, uns zu belästigen
und in den Rücken zu fallen, zurückzuschlagen. Seit der letzten
Woche etwa erlaubte oder verlangte es die Kriegslage, der belgischen Zwangshauptstadt
energisch zu Leibe zu rücken und dem belgischen Irrtum über
die Uneinnehmbarkeit ihres gigantischen Verteidigungswerkes ein Ende zu
machen. So ging man denn zum Angriff auf Antwerpen vor. Das geschah in
einer Zeit, zu der unsere Feinde glaubten, alle unsere Kräfte seien
aufs schwerste gebunden durch die Abwehr des französischen Ansturmes
gegen die Aisne-Linie, durch die harte Arbeit auf den beiden Flügeln
in Frankreich und vor allem durch die Bekämpfung dessen, was man
in London and Bordeaux und anderwärts die furchtbare russische Gefahr
zu nennen liebt. In diesem Augenblick der höchsten "Bedrängnis"
befanden sich die deutschen Heere überall, auf sämtlichen Kriegsschauplätzen,
in allgemeiner, kraftvoller Offensive. Das ist das großartige Ergebnis
der vergangenen Woche. In einem weiten Halbkreis, der von Alost über
Mecheln nach Moll führte, gingen unsere Truppen gegen die Festung
Antwerpen vor und warfen die letzten Divisionen des Feindes, die sich
ihnen draußen noch entgegenstellten, hinter den Fortgürtel
zurück, soweit sie nicht zersprengt wurden, wie die Flüchtlinge,
die nach den Kämpfen um Moll über die holländische Grenze
gingen. Seit dem 27. September donnerten unsere schwersten Geschütze
gegen die Außenwerke der Festung.
Die Hauptzielpunkte waren die Forts bei Lier und nördlich von Mecheln.
Inzwischen zog sich der deutsche Ring immer enger. Auf ihrem linken Flügel
bemächtigten sich die Deutschen Termondes, das die
amtliche Meldung einen "wichtigen Schulterpunkt" nennt.
Wir berichteten schon, daß eine belgische Note zugeben mußte,
bei Termonde sei ein sehr schweres deutsches Geschütz in Stellung
und feuerte auf die belgischen Forts. Nach zweitägiger Beschießung
konnte das deutsche Hauptquartier melden: zwei Forts sind zerstört.
Die Belgier leugneten zuerst unseren Erfolg, sie konnten ihn "wohl
nicht sehen"; dichter Rauch umhülle die Forts. Nun sind das
Fort Wavre-St. Catherine (unweit nördlich von Mecheln) und die starke
Redoute Dorpveld erstürmt worden und der Fall des Forts Waelhem,
das nach sichtbarer Beschießung eingeschlossen worden ist, steht
wohl nahe bevor. Damit ist im Südosten eine mächtige Bresche
in den äußeren Fortgürtel Antwerpens gerissen, die leicht
so erweitert werden kann, daß sich die gegenüber unseren großartigen
Angriffsmitteln ziemlich wehrlose innere Befestigungsanlage, und damit
die Stadt selbst, nicht mehr lange wird halten können. Denn wenn
der äußere Damm gesprengt ist, sind die deutschen Kanonen dem
Herzen der Festung so nahe, daß den Belgiern, wenn sie nicht ganz
von Sinnen sind, nichts anderes übrig bleibt, als die Festung zu
übergeben, um ein vernichtendes Bombardement von der Stadt fern zu
halten.
|