Der Weltkrieg am 7. Oktober 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Siegreicher Übergang über den Netheabschnitt bei Antwerpen

Großes Hauptquartier, 7. Oktober, abends.
Die Kämpfe auf dem rechten Heersflügel in Frankreich haben noch zu keiner Entscheidung geführt. Vorstöße der Franzosen in den Argonnen und aus der Nordostfront von Verdun wurden zurückgeworfen.
Bei Antwerpen ist das Fort Broechem in unserem Besitz. Der Angriff hat den Netheabschnitt überschritten und nähert sich dem inneren Fortgürtel. Eine englische Brigade und Belgier werden zwischen äußerem und innerem Fortgürtel auf Antwerpen zurückgeworfen. Vier schwer Batterien, 52 Feldgeschütze, viele Maschinengewehre, auch englische, werden in freiem Felde genommen.
Der Angriff der Russen im Gouvernement Suwalki wurde abgewiesen. Die Russen verloren 2700 Gefangene und neun Maschinengewehre.
In Polen wurden in kleinen, erfolgreichen Gefechten westlich Iwangorod 4800 Gefangene gemacht.
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Die Beschießung der Innenforts von Antwerpen

Amsterdam, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Das "Handelsblad" meldet um Mitternacht aus Antwerpen, daß den ganzen Tag und die Nacht hindurch bei Mondschein an der Nethe in der Umgebung von Lier heftig gekämpft worden sei. Die Stadt Lier liege zwischen den kämpfenden Heeren. Unterstützt durch Artilleriefeuer, das besonders mörderisch sei, brachten die Deutschen ihre Infanterie einige Kilometer voraus, doch mußten sie Fuß für Fuß von dem verbündeten englisch belgischen Heer erkämpfen. Das offizielle belgische Communique gibt zum erstenmal zu, daß der Zustand ernst ist. Der Kommandant de Guise bringt zur Kenntnis der Bürgermeister von Antwerpen und der Gemeinden, daß die Beschießung Antwerpens unvermeidlich sei, aber auf die Dauer des Widerstandes keinen Einfluß haben werde. Er rät den Personen, die sich der Wirkung der Beschießung entziehen wollen, sich nach Norden oder Nordwesten zu entfernen.
Der "Maasbode" berichtet, daß die Zahl der Engländer in Antwerpen nicht zehntausend, sondern dreitausend betrage. Ferner meldet das Blatt, trotz des Regens sei gestern Mittag und nachts heftig an der Nethe gefochten worden, wo die Deutschen trotz des schweren belgischen Feuers eine Brücke zu schlagen versuchten. Die deutschen Granaten fallen bereits in den Ort Vieuxdieu, drei Kilometer von Antwerpen. Die Dörfer Hove, Mortsel, Vieuxdieu und vor allem Voßberg haben schwer unter dem deutschen Feuer gelitten. Die Kaserne in Contich ist zerstört. Alles weist darauf hin, daß die Not in Antwerpen groß ist. Zahlreiche Personen von Rang verlassen die Stadt. Der König und die Minister sind bis jetzt geblieben. Der Kommandant hat jedem, der den Wunsch dazu äußert, die Abreise freigestellt.

Amsterdam, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Den Übergang über die Nethe haben die Deutschen nach einem Bericht des "Handelsblad" vor allem dadurch erzwingen können, daß ihr Vorstoß durch die schwere Artillerie gedeckt wurde. Bei dem heftigen Artillerieduell wurden Lier und Contich in Brand geschossen. Durch die Bresche zwischen Contich und Vieuxdieu dringen die Deutschen vorwärts und beschießen gleichzeitig die innere Fortslinie. Seit gestern sind schwere englische Schiffsgeschütze in Aktion, doch ohne große Hoffnung auf Erfolg. Das Gefecht im Süden Antwerpens dauert fort.
2)

 

Der französische Bericht

Paris, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Das französische Kriegsministerium gab heute Nachmittag 3 Uhr folgendes Bulletin aus: Auf unserem linken Flügel dauert die Schlacht stets mit großer Heftigkeit fort. Die Kampffront dehnt sich bis in die Gegend von Lens-La Bassee aus und verlängert sich durch die Kavalleriemassen, die bis in die Gegend von Armentieres kämpfen. Auf den Fronten an der Somme und der Maas ist nichts Neues zu melden. Im Woevre machte der Feind einen neuen vergeblichen Versuch, unsere Fortschritte aufzuhalten.

Die "Frankfurter Zeitung" schrieb am 7. Oktober 1914:
Die Hartnäckigkeit des französischen Vorstoßes im äußersten Nordwesten Frankreichs ist erstaunlich. Wir halten daran fest, daß wir ihn nicht mehr als eine ernste Gefahr ansehen können, seit aus dem Versuch einer raschen und gewandten Überflügelung eine wochenlang sich hinschleppende Flankenverschiebung geworden ist, die beide Gegner veranlaßt hat ihren westlichen Flügel endlos nach Norden zu verlängern und dort auf einem neuen Kampfplatz sich mit starken Truppenmassen gegenüberzutreten. Aus der eng zusammengedrängten Verteidigungsfront des französischen Heeres zwischen Paris und Verdun ist eine ungeheuer lange Schlachtfront geworden, die unsere Feinde zwingt, ihre Truppen von Verdun über Soissons nach Arras und noch weiter nördlich auseinanderzuziehen. Wir selbst haben dabei den Vorteil, auf der kürzeren inneren Linie zu stehen, in einer Aufstellung, die sich geschickt um die Zufahrtslinien gruppiert und den sicheren Nachschub alles Erforderlichen selbst dann garantierte, wenn unser rechter Flügel dem Druck der Gegner hätte östlich ein wenig weichen müssen. Das Umgekehrte ist aber der Fall: wir haben auf der Linie Arras-Albert-Roye angegriffen und dabei besonders bei Roye wichtige Vorteile errungen. Trotz dieses für die nördlichsten französischen Heeresteile recht bedrohlichen Angriffs setzen die Franzosen ihren Umgehungsversuch nordwärts fort. Wir fürchten ihn nicht, weil es uns möglich ist, noch rascher aurf der inneren Linie Verstärkungen anzubauen, soweit das überhaupt nötig sein sollte. Dabei sind französische Kräfte von unseren Spitzen sogar westlich von Lens und gar von Lille angetroffen worden. Lille liegt etwa 120 Kilometer nördlich von Compiegne, in dessen Nähe wohl der Scheitel des Winkels der westlichen Schlachtfront liegen muß. Die Ausdehnung des französischen Umgehungsflügels ist also ganz ungeheuer lang. Wäre nicht die Möglichkeit, von der Seeseite her diesen Flügel zu unterstützen und zu verstärken, so wäre dort die Situation der Franzosen noch bedenklicher. Was kann ihr Ziel sein? Das Wagnis wird mit dem Versuch einer Umgehung, einer Umgehung, mit der der Gegner schon seit Wochen rechnet, nicht genügend erklärt. Das Ziel kann aber sehr leicht erheblich nördlicher liegen: in Belgien, in Antwerpen. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß die Hartnäckigkeit unserer Gegner aus dem Streben zu erklären ist, Antwerpen im letzten Augenblick noch Hilfe zu bringen. Es ist dagegen erheblich weniger wahrscheinlich, daß dieser Versuch noch gelingen kann, denn wie für alles, wird auch für diesen Fall die deutsche Heeresleitung ihre Gegenmaßnahmen wohl getroffen haben. Das einzige, was zur Entsetzung Antwerpens bisher geschehen ist: der Einzug einiger Bataillone Engländer in den Festungsbezirk, ist für uns eher erfreulich als unangenehm, denn sie werden den Fall der Festung nicht aufhalten können.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Erfolgreiche Verteidigung vor Przemysl

Wien, 7. Oktober.
Amtlich wird mittags mitgeteilt:
Unsere Offensive hat auch gestern da und dort unter kleineren Gefechten überall ihre Ziele erreicht. Laut einer Meldung eines von einem kühnen Fluge aus Przemysl zurückgekehrten Generalstabsoffiziers wird die Verteidigung der Festung von der kampfbegeisterten Besatzung mit der größten Tätigkeit und Umsicht geführt. Mehrere Ausfälle haben die feindlichen Linien zurückgedrängt und zahlreiche Gefangene eingebracht. Alle Angriffe der Russen sind unter furchtbaren Verlusten im Feuer der Festungswerke zusammengebrochen.
In den Karpathen westlich des Wyszkower Sattels ist kein Feind mehr. Der bei Marmaros-Sziget eingebrochene Gegner ist geschlagen; die Stadt ist vergangene Nacht in unseren Besitz zurückgelangt.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor. 1)

 

Die Kämpfe im Osten

Paris, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
" Daily Mail" meldet aus Petersburg: Die Deutschen gehen in vier Säulen auf Südostpolen vor, drei stoßen von Kalisch und Bendin auf Warschau vor, die vierte von Krakau die Weichsel entlang.
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Der Sieg bei Marmaros-Sziget

Budapest, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Der Einbruch der Russen in das Karpathengebiet hat mit schweren Niederlagen der russischen Truppen geendet. Der Vorstoß, der in erster Reihe als Demonstration für die Nationalitäten gedacht war, hat auf russischer Seite weit über zehntausend Opfer gefordert. Die Aktion zur Vertreibung der Russen aus dem Marmaroser Komitat wurde gestern nachdrücklich aufgenommen. Nach unbedeutenden Geplänkeln zwischen Tecsö und Marmaros-Sziget kam es gestern Abend in der Nähe von Hosfzumezö zu einer Schlacht, die mit dem völligen Rückzug der Russen bis nach Nagy-Besko endete. Damit war Marmaros-Sziget wieder in unseren Besitz gelangt.
Nach amtlichen Meldungen sind bei den Kämpfen um den Uzsoker Paß in den letzten Tagen viele tausend Russen gefallen. Der Angriff unserer Truppen war so überwältigend, daß die Russen einen Teil ihrer Geschütze in die Theiß warfen.
Nach einer Meldung aus Munkacs wurde ein Flügel der Russen bis Benyova in Galizien geworfen. Bei diesen Gefechten wurden mehrere hundert Gefangene gemacht und zahlreiche Geschütze erbeutet.

Budapest, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Die eintreffenden amtlichen und privaten Meldungen über unseren Sieg bei Marmaroros-Sziget bestätigen, daß der Rückzug der Russen in eine panikartige Flucht ausartete. Erst bei Nagy-Besko, 17 Kilometer oberhalb Marmaros-Sziget, kamen die Russen zum Stillstand. Sie sehen einer Katastrophe entgegen. Kleinere Kaderabteilungen werden in das benachbarte Besztercze-Naszoder Komitat bedrängt, wo sie von Gendarmerie und Militär verfolgt wurden.
Der Bahnverkehr zwischen Hußt und Marmaros-Sziget wurde wiederhergestellt. Nach amtlicher Verständigung der Miskolczer Betriebsleitung ist der Eisenbahnverkehr aus Unan über Mezoeborc bis zu dem 60 Kilometer entfernten Zagore in Galizien wieder aufgenommen, was ein Beweis dafür ist, daß die Russen aus diesem Teil Galiziens bereits verdrängt sind.
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Vom Balkan

Wien, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Die rumänische Regierung hat ihre Gesandten von ihrem Entschlusse, an der Neutralität festzuhalten, verständigt.

Mailand, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Nach Meldungen aus Albanien weht über dem Schloß in Durazzo noch die türkische Fahne, doch wird Essad Pascha sie nach vorübergehender Duldung durch die albanische ersetzen. Am 5. Oktober erschienen sechs französische Kriegsschiffe auf der Reede von Durazzo. Essad Pascha will auch in Valona einziehen. Essad soll gedroht haben, Ismael Kemal verhaften zu lassen, falls dieser sich in Valona sehen ließe.
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Aus unseren Kolonien

Berlin, 7. Oktober. (W. B.)
Der Gouverneur von Kamerun meldet siegreiche Gefechte von Anfang September gegen Engländer und Franzosen. In diesen Gefechten sind die Oberleutnants v. Rothkirch und Milbrat, Sergeant Jost, Sanitätssergeant Gustav Kühn, Bezirksamtmann Rausch, Zollamtsvorsteher Glock und Landmesser Lyhne gefallen.
Nach diesem Telegramm wird an zuständiger Stelle angenommen, daß Engländer und Franzosen an den beiden möglichen Einbruchsstellen, der nigerischen Grenze, in unsere Kolonie Kamerun Vorstöße versucht haben. Es sind dieses der Eintritt des Benue- und des Croß-Flusses in nigerisches Gebiet. Die Namen der für das Vaterland Gefallenen lassen vermuten, daß im Norden bei Carua die 7. Kompanie unter ihrem Hauptmann Frhrn. v. Crailsheim einen Angriff der wahrscheinlich von Yolo und Mongono gemeinschaftlich vorrückenden Engländer und Franzosen abgewiesen hat. Bei dieser Kompanie standen die Oberleutnants v. Rothkirch und Milbrat und der Sergeant Jost. Bezirksamtmann Rausch verwaltete den Bezirk Dschang. Er war erst im vorigen Jahr als Hauptmann aus der Schutztruppe ausgeschieden und zur Verwaltung übergetreten. Dschang liegt etwas südlich des Croß-Flusses. Rausch wird sich mit seiner Polizeitruppe den Engländern, die wohl den Croß-Fluß heraufmarschierten, entgegengeworfen haben und dabei mit dem Zollamtsvorsteher Glock und dem Landmesser Lyhne in siegreichem Gefecht den Heldentod gefunden haben.

London, 7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Das Kolonialamt gibt bekannt: Im September hat eine beträchtliche Bewegung an der Grenze von Deutsch-Ostafrika stattgefunden. Der Feind machte mehrere Streifzüge auf britisches Gebiet und versuchte auch, die Ugandabahn abzuschneiden. Er wurde überall zurückgewiesen; nur eine kleine Grenzstation ist noch von einem deutschen Detachement besetzt. Die normale Besatzung in Ostafrika und Uganda ist von Kriegsbeginn an durch bedeutende indische Abteilungen sowie durch freiwillige Berittene verstärkt worden, sodaß die Lage unbedenklich ist.
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Die Japaner besetzen Jaluit

Mailand, 7. Oktober. (Priv.-Tel)
Aus Tokio wird amtlich gemeldet: Ein japanisches Detachement besetzte die Insel Jaluit, den Sitz der deutschen Regierung auf den Marschall-Inseln. Die Deutschen leisteten keinen Widerstand. Im Hafen festgehaltene englische Schiffe wurden freigelassen. Das Marineamt bezeichnet die Besetzung als zeitweilige durch militärische Gründe veranlaßte.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Oktober 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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