Der
französische Bericht
Paris,
7. Oktober. (Priv.-Tel.)
Das französische Kriegsministerium gab heute Nachmittag 3 Uhr
folgendes Bulletin aus: Auf unserem linken Flügel dauert die Schlacht
stets mit großer Heftigkeit fort. Die Kampffront dehnt sich bis
in die Gegend von Lens-La Bassee aus und verlängert sich durch die
Kavalleriemassen, die bis in die Gegend von Armentieres kämpfen.
Auf den Fronten an der Somme und der Maas ist nichts Neues zu melden.
Im Woevre machte der Feind einen neuen vergeblichen Versuch, unsere Fortschritte
aufzuhalten.
Die
"Frankfurter Zeitung" schrieb am 7. Oktober 1914:
Die Hartnäckigkeit des französischen Vorstoßes im
äußersten Nordwesten Frankreichs ist erstaunlich. Wir halten
daran fest, daß wir ihn nicht mehr als eine ernste Gefahr ansehen
können, seit aus dem Versuch einer raschen und gewandten Überflügelung
eine wochenlang sich hinschleppende Flankenverschiebung geworden ist,
die beide Gegner veranlaßt hat ihren westlichen Flügel endlos
nach Norden zu verlängern und dort auf einem neuen Kampfplatz sich
mit starken Truppenmassen gegenüberzutreten. Aus der eng zusammengedrängten
Verteidigungsfront des französischen Heeres zwischen Paris und Verdun
ist eine ungeheuer lange Schlachtfront geworden, die unsere Feinde zwingt,
ihre Truppen von Verdun über Soissons nach Arras und noch weiter
nördlich auseinanderzuziehen. Wir selbst haben dabei den Vorteil,
auf der kürzeren inneren Linie zu stehen, in einer Aufstellung, die
sich geschickt um die Zufahrtslinien gruppiert und den sicheren Nachschub
alles Erforderlichen selbst dann garantierte, wenn unser rechter Flügel
dem Druck der Gegner hätte östlich ein wenig weichen müssen.
Das Umgekehrte ist aber der Fall: wir haben auf der Linie Arras-Albert-Roye
angegriffen und dabei besonders bei Roye wichtige Vorteile errungen. Trotz
dieses für die nördlichsten französischen Heeresteile recht
bedrohlichen Angriffs setzen die Franzosen ihren Umgehungsversuch nordwärts
fort. Wir fürchten ihn nicht, weil es uns möglich ist, noch
rascher aurf der inneren Linie Verstärkungen anzubauen, soweit das
überhaupt nötig sein sollte. Dabei sind französische Kräfte
von unseren Spitzen sogar westlich von Lens und gar von Lille angetroffen
worden. Lille liegt etwa 120 Kilometer nördlich von Compiegne, in
dessen Nähe wohl der Scheitel des Winkels der westlichen Schlachtfront
liegen muß. Die Ausdehnung des französischen Umgehungsflügels
ist also ganz ungeheuer lang. Wäre nicht die Möglichkeit, von
der Seeseite her diesen Flügel zu unterstützen und zu verstärken,
so wäre dort die Situation der Franzosen noch bedenklicher. Was kann
ihr Ziel sein? Das Wagnis wird mit dem Versuch einer Umgehung, einer Umgehung,
mit der der Gegner schon seit Wochen rechnet, nicht genügend erklärt.
Das Ziel kann aber sehr leicht erheblich nördlicher liegen: in Belgien,
in Antwerpen. Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß die Hartnäckigkeit
unserer Gegner aus dem Streben zu erklären ist, Antwerpen im letzten
Augenblick noch Hilfe zu bringen. Es ist dagegen erheblich weniger wahrscheinlich,
daß dieser Versuch noch gelingen kann, denn wie für alles,
wird auch für diesen Fall die deutsche Heeresleitung ihre Gegenmaßnahmen
wohl getroffen haben. Das einzige, was zur Entsetzung Antwerpens bisher
geschehen ist: der Einzug einiger Bataillone Engländer in den Festungsbezirk,
ist für uns eher erfreulich als unangenehm, denn sie werden den Fall
der Festung nicht aufhalten können.
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