Der Weltkrieg am 22. Oktober 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Ein französischer Angriff bei Toul zurückgewiesen -
Englische Kriegsschiffe beim Küstenkampf -
Die Kämpfe bei Warschau ohne Entscheidung

Großes Hauptquartier, 22. Oktober, vormittags.
Die Kämpfe am Yserkanal dauern noch fort; elf englische Kriegsschiffe unterstützten die feindliche Artillerie. Östlich Dixmuiden wurde der Feind zurückgeworfen. Auch in Richtung Ypern drangen unsere Truppen erfolgreich vor. Die Kämpfe nordwestlich und westlich Lille waren sehr erbittert, der Feind wich aber auf der ganzen Front langsam zurück.
Heftige Angriffe aus Richtung Toul gegen die Höhen südlich Thiaucourt wurden unter schwersten Verlusten für die Franzosen zurückgeworfen.
Es ist einwandfrei festgestellt, daß der englische Admiral, der das Geschwader vor Ostende befehligt, nur mit Mühe von der Absicht, Ostende zu beschießen, durch die belgische Behörde abgebracht wurde.
Auf dem nordöstlichen Kriegschauplatz folgen Teile unserer Truppen dem weichenden Gegner in Richtung Ossowiec. Mehrere hundert Gefangene und Maschinengewehre fielen in unsere Hände.
Bei Warschau und in Polen wurde gestern nach dem unentschiedenen Ringen der letzten Tage nicht gekämpft. Die Verhältnisse befinden sich dort noch in der Entwicklung.
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Die Schlacht bei Nieuport

Amsterdam, 22. Oktober. (Priv.-Tel.)
Der "Telegraaf" veröffentlicht ein Telegramm seines Korrespondenten von der holländischen Grenze, der von der Küste zurückgekommen ist. Er berichtet: Es wird ein wütendes Artilleriegefecht zwischen Ostende und Nieuport geführt. Die Deutschen feuern von Mariakerke und von Middelkerke aus, die Franzosen von Nieuport. Die Engländer schießen über die Dünen hinweg. Von den Dünen bei Ostende aus kann man bei klarem Wetter deutlich die englischen Schiffe auf der Höhe von Nieuport und Westende erkennen. Häufig sind sie vollständig in Nebel gehüllt. Die Engländer erkunden mit Fliegern die feindlichen Stellungen. Die Franzosen und Belgier setzen dem Übergang der Deutschen über die Yser hartnäckigen Widerstand entgegen. Die Flußdämme sind bei Hochwasser durchstochen und die Ufer unter Wasser gesetzt worden Außerdem ist das Polderland sehr schlammig durch den fortwährenden Regen. Am Mittwoch Nachmittag kam von Gent mit dem Zuge nach Seebrügge eine Abteilung deutscher Soldaten an, die nach kurzer Ruhepause nach dem Schlachtfelde abmarschierten. Auch noch neue Kanonen zur Beschießung der Kriegsschiffe sind angekommen. Auf der Landstraße Gent - Brügge wurde ein sogenannter Granatenzug mit dicken Gummibändern um den Rand signalisiert. Auch kam allerhand Munition an.
Das Schlachtfeld bei Nieuport und Ostende ist beinahe dasselbe wie im Jahre 1600. Vor nicht langer Zeit stand an der Stelle, einsam in den Dünen, wo man von Zeit zu Zeit die Knochen von niederländischen und spanischen Soldaten findet, ein großes schwarzes Kreuz zur Erinnerung an die damals Gefallenen. Nach dem Anlegen der Badeorte ist dieses Kreuz verschwunden. Die Badeorte leiden außerordentlich unter dem furchtbaren Bombardement. Die ganze Gegend ist schwer mitgenommen. Verschiedene Dörfer liegen in Trümmern. Der größte Teil der Bevölkerung ist nach sicheren Orten geflüchtet. Die Deutschen haben der Bevölkerung selbst zur Flucht geraten. In der Gegend von Blankenberghe und Heyst steht die Bevölkerung in Trupps auf den Dünen, um den Kanonendonner zu hören. Heute Morgen herrschte eine Bestürzung, als deutsche Patrouillen ankamen, die aus den Rathäusern einiger Dörfer wie Knocke, Westcapellen und Heyst die Waffen forderten, die vor einiger Zeit von der Bürgerwehr abgeliefert worden sind.
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Das englische Geschwader vor Nieuport

Mailand, 22. Oktober. (Priv.-Tel.)
Aus London wird gemeldet: Unter den englischen Kriegsschiffen, welche an der Schlacht an der belgischen Küste teilnahmen, waren ursprünglich für Brasilien gebaute Flußmonitore, welche die Admiralität bei Kriegsausbruch ankaufte. Diese Fahrzeuge sind stark gepanzert, aber von geringer Geschwindigkeit und geringem Tiefgang, darum für Manöver in Flachwasser geeignet. Sie besitzen wenige, aber starke Geschütze.

Amsterdam, 22. Oktober. (Priv.-Tel.)
Aus London wird gemeldet: Die Admiralität teilt mit, daß die Monitorboote "Severn", "Humber" und "Mencey" bei dem Gefechte an der belgischen Küste beteiligt waren. Sie beschossen den linken (wohl den rechten? D. Red.) Flügel der Deutschen. Auch wurden Mitrailleurabteilungen ausgeschifft, die bei der Verteidigung von Nieuport wichtige Dienste leisteten. Eine andere Meldung aus London sagt, daß die Deutschen 1600 Tote verloren hätten. Auf welche Weise es den Engländern geglückt ist, die deutschen Toten zu zählen, wird nicht verraten.
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Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Einmarsch der Österreicher und Ungarn in Czernowitz

Wien, 22. Oktober.
Amtlich wird gemeldet:
In der Schlacht beiderseits des Strwiaz gelang es uns, nun auch im Raume südlich dieses Flusses den Angriff vorwärts zu tragen. Auf der beherrschenden trigonometrischen Höhe 668 südöstlich von Stary-Sambor wurden zwei hintereinander liegende Verteidigungsstellungen des Feindes genommen. Nordwestlich des genannten Ortes gelangten unsere Gefechtslinien näher an die Chaussee nach Starasol heran. Nach den bisherigen Meldungen wurden in den letzten Kämpfen 3400 Russen, darunter 25 Offiziere, gefangengenommen, und 15 Maschinengewehre erbeutet. In Czernowitz sind unsere Vortruppen eingerückt.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
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Der Feldzug gegen Rußland

Czernowitz, 22. Oktober. (Priv.-Tel.)
Czernowitz (die Hauptstadt der Bukowina) ist von der Russengefahr befreit; in der Stadt steht wieder österreichisch-ungarisches Militär.
Die Russen haben sich übrigens hier ziemlich rücksichtsvoll benommen und der Stadt die ihr anfänglich auferlegte Kriegskontribution von 300000 Kronen zurückgegeben. Als ihre militärische Situation im Norden bedenklich geworden war, zogen sie ihre Truppen aus Czernowitz zurück, und auch die zurückgebliebene kleine Besatzung verließ die Stadt, als die österreichischen Truppen wieder anrückten.
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Erfolge des Kreuzers "Emden"

London, 22. Oktober. (W. B.)
Der Agent von Lloyds in Colombo telegraphiert an die Admiralität: Der Kreuzer "Emden" hat die britischen Dampfer "Chilka", "Troilus" "Benmohr", "Clan Grant" und den für Tasmanien bestimmten Bagger "Ponrabbel" versenkt und den Dampfer "Oxford" gekapert.
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Die Kriegstagung des Preußischen Landtages

Berlin, 22. Oktober. (Priv.-Tel.)
Das Abgeordnetenhaus trat heute Nachmittag 2 Uhr zu seiner kurzen Kriegssitzung zusammen. Die Minister waren sämtlich erschienen, und auch die Abgeordneten waren fast vollzählig anwesend, viele unter ihnen in feldgrauer Uniform. Nach einer Eröffnungsrede des Präsidenten trat das Haus in die Tagesordnung ein. Vizepräsident des Staatsministeriums Dr. Delbrück begründete die Vorlage zur Abänderung des Gesetzes über den Staatshaushalt, die hierauf nach einer Erklärung des sozialistischen Abgeordneten Hirsch einstimmig angenommen wurde.
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Der 1. Weltkrieg im Oktober 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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