Die
Bayern im Felde
Es
war in der zweiten Hälfte des August. Glühend heiß brannte
die Sonne hernieder auf die langen deutschen Kolonnen, die sich in östlicher
Richtung zurückwälzten. "Zurück", welch bitteres
Wort. In düsterem Schweigen ging die Armee des Kronprinzen von Bayern
zurück. Vergebens versuchten die Offiziere ihre Leute aufzuheitern.
Denn die Laune ist verdorben. Nur ab und zu nahm einer die Pfeife zu dem
Mund und spuckte kräftig aus: "´s ist eine Schand´,
so vor der Lumpenbagasch ohne einen Schuß davonlaufen zu müssen."
Da, auf den Höhen von Mörchingen und östlich Saarburg,
machten sie endlich Halt. "Gott sei Dank." Nun aber nicht weiter
zurück. Und dann flog durch die Reihen der Befehl zum Angriff.
Ein Jubeln, ein Brausen ging durch die bayrischen Reihen.
Wie eine losgelassene Meute auf das Wild stürmten sie vorwärts.
Mit donnerndem Hurra fliegt das Leibregiment nach Saarburg hinein. Was
hilft dem Gegner seine Überlegenheit. Aus Fenstern, Kellern und von
den Dächern her regnet es Kugeln. Die "Leiber" sind in
Saarburg drin, und wo die einmal drin sind, da bringen sie nicht hunderttausend
Teufel mehr heraus. Hageldicht fallen die Kolbenschläge auf die überraschten
Franzosen. "Lumpenpack, elendiges." Mit dem bayrischen Hausschlüssel
(dem Kolben) werden die Türen eingeschlagen. Niedergemacht, was drin
steckt. Im wilden Handgemenge wird alles, was Französisch heißt
durch diesen furchtbaren Anlauf hinausgefegt. Auf der Höhe von Alt-Köcking
donnern die französischen Batterien, heiser bellen die Maschinengewehre.
In langen Linien liegen die französischen Schützen. Ein wahres
Glacis, unmöglich, hinaufzukommen. Unmöglich für viele,
aber nicht für die Bayern. In langen Sprüngen schieben sich
ihre Schützenlinien heran. Vergebens krönen die Batterien diese
Linien mit zahllosen weisen Schrapnellwölkchen, rasseln unaufhörlich
die Maschinengewehre, feuern rasend die Schützen. Was fällt,
das fällt, aber wie eine Brandungswelle, der nichts widerstehen kann,
fluten die Deutschen vorwärts. Noch einmal rasendes Feuer, und dann
sind sie drin. In schleunigster Flucht müssen die Geschütze
zurück, die Maschinengewehre, und was nicht mehr schleunigst flüchten
kann, wird eingeholt und niedergemacht. Auf den Höhen von Alt-Köcking,
dieser uneinnehmbaren Hochburg der französischen Stellung, flattern
stolz die bayrischen Fahnen im Winde. Das war der erste Tatzenschlag des
bayrischen Löwen in Lothringen.
Die Franzosen kennen die Bayern wohl. In jener Glanzperiode Frankreichs,
als die Adler der Legionen Napoleons durch ganz Europa ihren Siegeszug
antraten, da war diese Glanzepoche des Kriegerrums auch eine Glanzzeit
der bayrischen Truppen, die jenem folgten. Napoleon lernte sie noch besser
kennen, als sie bei Hanau und im Feldzuge 1814, vor gerade hundert Jahren,
sich gegen ihn schlugen. Und wer denkt nicht an den Feldzug 1870, an die
Rebenhügel von Weißenburg, wo die Bayern den Afrikanern, den
berühmten Turkos, mit der gleichen Bravour zu Leibe gingen wie heute
ihre Nachkommen all dem Gesindel, das Franzosen und Engländer zum
Kampfe gegen uns heranschleppen. Wem sind nicht die Waffentaten der Bayern
bei Wörth, der fürchterliche Straßenkampf in Bazeilles
und die todesverachtende Tapferkeit der Bajuwaren im Loirefeldzug noch
im Gedächtnis. Hart, zäh und tollkühn, das sind die Kennzeichen
der Bayern. In ihnen steckt noch eine gute Portion der altgermanischen
Rauflust, der Freude am Kampf um des Kampfes willen und jene alles verachtende
Bravour, die rücksichtslos auch das Schwerste möglich macht.
"Ja, Exzellenz, jetzt macht´s Raufen auch Spaß, wo nicht
der Landrichter danach kommt," antwortete ein bayrischer Unteroffizier
einem Vorgesetzten, der ihn wegen seiner Tapferkeit lobte. Die Körperkraft
der Bayern im Handgemenge haben die Franzosen in unliebsamer Weise kennen
gelernt. Sie hat auch manchmal zu amüsanten Geschichten Anlaß
gegeben. Wird da in den Schlachten in Lothringen ein gefangener Franzmann
eingeliefert. Besondere Kennzeichen: schwerer Kolbenschlag ins Genick.
Dem behandelnden Arzt kommt die Geschichte wunderbar vor. Er befragt den
Verwundeten, und es kommt heraus, daß ihm im Hand-Gemenge ein Bayer
mit der bloßen Faust derartig eins ins Genick gegeben hat, daß
er bewußtlos umflog. - Der Bayer muß eine gute Handschrift
geschrieben haben. Alle Achtung.
Als unserem Kaiser die Meldung von der Landung der indischen Truppen gemacht
wurde, soll er gesagt haben: "Na denen wünsche ich mal, daß
sie mit den Bayern zusammenkommen." In einem Tagesbefehl, den wohl
wir alle voll und ganz unterschreiben können, hat Kronprinz Rupprecht
seine Bayern, die mit Begeisterung an ihrem Führer hängen, darauf
hingewiesen, daß sie jetzt die Engländer vor der Front haben
und daß es heißt, hier Vergeltung zu üben. Bei dem Worte
"wir kriegen die Engländer zu fassen" schlägt das
Herz jedes Bayern höher, denn das sind seine besonderen Freunde.
Aber ob Weiß, ob Braun, ob aus England stammend oder frisch aus
Indien importiert, die Bayern werden sich diese Brüder schon langen,
und wenn die Gurkhas im Handgemenge nach dem berühmten Kuhkri greifen,
oder wie dieses von der französischen und englischen Presse so gefeierte
Dolchschwert heißt, dann erinnert sich der Bayer auch des treuen
Messers mit natürlich feststehender Klinge, das er im Stiefel oder
der Hose stecken hat. Das ist auch nicht zu verachten, und die Geschichte
mit dem Mann mit dem Kolbenschlag im Genick, die spricht allein Bände.
Darum haben wir alle das feste Vertrauen, daß, wie die bayrischen
Fahnen auf den Höhen von Lothringen, auf dem Bergkegel des gestürmten
Fort des Camps des Romains wehten, sich auch in diesem schweren Ringen
der englische Leopard dem Wittelsbacher Löwen wird beugen müssen.
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