Die
Sperrung der Nordsee
Stockholm,
12. November. (Priv.-Tel.)
Um der steigenden Entrüstung der Seehandel treibenden neutralen Länder
über die Nordseesperre entgegenzuwirken, veröffentlicht die englische
Regierung ein neues langatmiges Aktenstück. In diesem wird die
Handlungsweise der englischen Admiralität damit begründet, daß man der
neutralen Seefahrt die mindest gefährlichen Wasserwege habe sicherstellen
wollen. Unter dem Eindruck der bereits mitgeteilten Äußerungen
heimgekehrter schwedischer Kapitäne erklärt man in allen hiesigen
Reedereikreisen, daß diese Motivierung den tatsächlichen Verhältnissen
geradezu Hohn spreche. "Stockholms Dagblad" schreibt: "Der
angewiesene Fahrweg geht dicht an Dover vorbei, dem wahrscheinlichsten
Schauplatz einer gefährlichen Seeschlacht. Dann müssen die neutralen
Schiffe an Yarmouth vorbei längs der englischen Ostküste fahren. Auf der
einen Seite der schmalen Fahrrinne droht die Scylla der nur drei Meilen
entfernten Klippenküste, auf der anderen die Charybdis der englischen
Minenfelder. Warum wird uns nicht die weit weniger gefährliche offene
Nordsee, warum nicht der ungefährliche Weg um die Nordspitze von
Schottland nach dem Atlantik belassen?
In den Kreisen der Reeder ist die Erbitterung über den völkerrechtswidrigen
Bruch der Nordsee-Freiheit und die Lahmlegung des transatlantischen
Seehandels sehr groß. "Die Veranlassung des englischen Admiralitätsdekrets",
so sagte mir ein bedeutender Stockholmer Reeder, "ist alles andere
als humane Rücksichtnahme auf die Interessen der neutralen Schiffe. Die
Nordseesperre entspringt einzig und allein der Furcht der englischen
Flotte vor den deutschen Unterseebooten; deshalb will die englische
Admiralität ein Stoppen ihrer Kreuzer auf hoher See zur Visitierung
neutraler Fahrzeuge auf Konterbande vermeiden."
Stockholm,
12. November. (Priv.-Tel.)
Die ersten schwedischen Dampfer, die den von der britischen Admiralität
vorgeschriebenen Weg von England genommen haben, sind in skandinavischen Häfen
eingetroffen. Die Kapitäne erklären, es sei entlang der englischen Küste
eine unheimliche und entsetzliche Fahrt, zu der sie von den englischen
Marinebehörden gezwungen wurden. Nur acht Stunden war es hell, die übrigen
sechzehn Stunden herrschte Dunkelheit, da alle Küstenfeuer gelöscht
sind. Eine Orientierung war unmöglich, und man schwebte in Gefahr,
entweder gegen die Küste getrieben zu werden und zu scheitern oder zu
weit hinaus auf die hohe See zu geraten, wo die Minenfelder liegen. Die
schwedischen Kapitäne bestätigen, daß die beiden schwedischen
Dampferkatastrophen auf die Nordseesperre der britischen Admiralität zurückzuführen
sind.
Kopenhagen.
12. November. (Priv.-Tel. Ctr. Fkst.)
Die "Berlingske Tidende" erfährt aus London, Sir Edward
Grey habe telegrafisch den englischen Gesandten in den skandinavischen Ländern
mitgeteilt, daß er mit den Garantien zufrieden sei, die Dänemark,
Norwegen und Schweden dafür gegeben haben, daß Kriegskonterbande, die an
bestimmte Personen der drei Länder konsigniert sei, nicht weiter ausgeführt,
sondern am Bestimmungsort bleiben werde. Drei nordische Staaten
garantieren, daß solche Waren, die von den in den betreffenden Ländern
aufgestellten Ausfuhrverboten umfaßt werden, wirklich in einem dänischen,
schwedischen oder norwegischen Hafen gelöscht und nicht, sei es sofort
oder später, an Länder, mit denen England Krieg führe, weitergesandt
werden. Ähnliche Garantien werden von Italien und anderen neutralen Mächten
abgegeben werden. In Nordamerika sei man mit dem Auftreten der britischen
Regierung zufrieden, und man erwarte dort eine Besserung der Schiffahrt
und größere Warensendungen nach skandinavischen Ländern. 2)
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