Der Weltkrieg am 8. Dezember 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Verfolgung der Russen in Nordpolen

Großes Hauptquartier, 8. Dezember.
An der flandrischen Front bereiten die durch die letzten Regengüsse verschlechterten Bodenverhältnisse den Truppenbewegungen große Schwierigkeiten. Nördlich Arras haben wir einige kleinere Fortschritte gemacht.
Das Kriegslazarett in Lille ist gestern abgebrannt. Wahrscheinlich liegt Brandstiftung vor. Verluste an Menschenleben sind aber nicht zu beklagen.
Die Behauptung der Franzosen über ein Vorwärtskommen im Argonnenwalde entspricht nicht den Tatsachen. Seit längerer Zeit ist dort überhaupt kein französischer Angriff mehr erfolgt. Dagegen gewinnen wir fortgesetzt langsam Boden. Bei Malancourt, östlich Varennes, wurde vorgestern ein französischer Stützpunkt genommen. Dabei ist der größere Teil der Besatzung gefallen. Der Rest - einige Offiziere und etwa 150 Mann - wurden gefangen. Ein französischer Angriff gegen unsere Stellungen nördlich Nancy wurde gestern abgewiesen.
Im Osten liegen von der ostpreußischen Grenze keine besonderen Nachrichten vor. In Nordpolen folgen die deutschen Truppen dem östlich und südöstlich Lodz schnell zurückweichenden Feinde unmittelbar. Außer den gestern schon gemeldeten ungewöhnlich starken blutigen Verlusten haben die Russen bisher etwa 5000 Gefangene und 16 Geschütze mit Munitionswagen verloren.
In Südpolen hat sich nichts Besonderes ereignet.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Leichte Erkrankung des Kaisers

Berlin, 8. Dezember. (W. B. Amtlich.) 
S. M. der Kaiser hat seine für heute geplante Abreise zur Front infolge einer Erkrankung an fieberhaftem Bronchialkatarrh um einige Tage verschieben müssen. Er konnte aber gestern und heute den Vortrag des Chefs des Generalstabs des Feldheeres über die Kriegslage entgegennehmen.

Berlin, 8. Dezember. (Priv.-Tel.) 
Der Kaiser leidet, wie beinahe in jedem Spätherbst, an einer Erkältung mit etwas Fieber, was zur Schonung zwingt, aber nichts Bedenkliches hat. Der Schonung wegen bleibt er noch einige Tage in Berlin. Auch der Reichskanzler ist hier noch anwesend.
2)

 

Eine Ansprache des Kaisers

Breslau, 8. Dezember. (W. B.) 
Der Chef des Generalstabes der Armeeabteilung Woyrsch übermittelt der "Schlesischen Zeitung" mit der Bitte um Veröffentlichung folgende Ansprache, die der Kaiser vor den Abordnungen der zur Armeeabteilung Woyrsch gehörenden Truppenteile und der österreichischen Truppen gehalten hat:

"Kameraden! 
Ich habe mir Deputationen der im Osten kämpfenden Truppen hierher bestellt, weil es mir nicht möglich ist, Euch alle vorn in den Schützengräben begrüßen zu können. Überbringt Euren vorne kämpfenden Kameraden meine herzlichsten Grüße sowie meinen kaiserlichen Dank und den Dank des Vaterlandes für Eure heldenhafte Haltung und Ausdauer, die Ihr in den letzten drei Monaten gegenüber der russischen Übermacht bewiesen habt. Bei uns zu Hause sagt man mit Recht, daß jeder im Osten Kämpfende ein Held sei. Ihr habt die Ehre, Schulter an Schulter mit dem Heere Seiner Majestät des Kaisers Franz Josef, meines Freundes und geliebten Vetters, zu kämpfen für eine gerechte Sache, für die Freiheit, für die Existenzberechtigung einer Nation und einen zukünftigen langen Frieden. Wenn es auch noch lange dauern kann, wir dürfen dem Feinde keine Ruhe lassen. Wir werden weiter kämpfen mit dem Erfolge wie bisher, denn der Himmel ist auf unserer Seite. Mit Gott werden wir einen langen Frieden erkämpfen, denn unsere Nerven sind stärker als die unserer Feinde. Mein kaiserlicher Freund hat mir schon mehrfach die Tapferkeit der mit unseren österreichischen Brüdern zusammen kämpfenden Truppen hervorgehoben und, wie ich sehe, Euch durch allergnädigste Verleihung von Auszeichnungen seinen Dank gezollt. Wenn Ihr zurückkehrt in Eure Stellungen, nehmt Euren Kameraden meine herzlichsten Grüße mit und saget ihnen: wenn ich auch wieder nach dem Westen muß, daß meine Gedanken stets bei Euch sind und meine Augen stets auf Euch ruhen, als wenn ich hinter Euch stände. Und nun zum Schluß: Laßt uns unseren freudigen Gefühlen Aufdruck geben, indem wir rufen: "Seine Majestät Kaiser Franz Josef und sein Heer - Hurra! Hurra! Hurra!"
2)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die Verdrängung der Russen aus Westgalizien

Wien, 8. Dezember.
Amtlich wird verlautbart:
Die Kämpfe in Westgalizien nehmen an Heftigkeit zu. Nunmehr auch von Westen her angreifend, verjagten unsere Truppen den Feind aus seiner Stellung Dobezyce-Wieliczka. Der eigene Angriff dauert an. Die Zahl der Gefangenen läßt sich noch nicht übersehen; bisher wurden über 5000, darunter 27 Offiziere, abgeschoben. In Polen wurden erneuerte Angriffe der Russen im Raume südwestlich Piotrkow von unseren und deutschen Truppen überall abgewiesen. In den Karpathen hat sich nichts von Bedeutung ereignet.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
1)

 

König Georg an das englische Heer

König Georg V.
König Georg V.

London, 8. Dezember. (W. B.) 
Meldung des Reuterschen Bureaus. König Georg erließ, bevor er aus Frankreich zurückkehrte, folgenden Tagesbefehl:

"Es ist für mich eine Freude, meine Armee im Felde zu sehen und eine Vorstellung von dem Leben erhalten zu können, das Ihr führt. Ihr habt durch Disziplin, Mut und Ausdauer die Überlieferungen der britischen Armee hochgehalten und ihrer Geschichte neuen Ruhm hinzugefügt. Ich kann an Euren Kämpfen, Gefahren und Erfolgen nicht teilnehmen, aber ich kann Euch die Versicherung des Stolzes, des Vertrauens und der Dankbarkeit geben, die ich und Eure Landsleute empfinden. Wir verfolgen stets in Gedanken Euren sicheren Weg zum Siege! 2)

 

Kanadas Hilfstruppen

Kanada im Ersten Weltkrieg: Sir Robert Borden
Sir Robert Borden

London, 8. Dezember. (W. B.) 
"Daily Telegraph" meldet aus Toronto: 
Premierminister Borden hielt eine Ansprache im Empire and Canadian Club, wobei er sagte: "Ich habe am 1. August ein geheimes Telegramm an die britische Regierung gesandt, in dem ich den Wunsch Kanadas aussprach, ein Expeditionskorps zu schicken, falls der Krieg ausbräche. Das Anerbieten wurde erst am 16. August angenommen. Die Rekrutierung hatte unterdessen begonnen. Binnen sechs Wochen waren 35000 Mann zur Einschiffung bereit. Darauf wurden Vorkehrungen getroffen, weitere 35000 aufzustellen, die vor kurzem auf 50000 vermehrt wurden. Sobald ein Kontingent abgeschickt ist, wird an dessen Stelle die gleiche Zahl von Leuten rekrutiert. Die Presse hat die Zahl der unter den Waffen befindlichen Kanadier mit 100000 Mann angegeben; ich ziehe es jedoch vor, keine Zahlen zu nennen. Wenn die Erhaltung des Reiches doppelt und dreimal soviel erfordert, werden sie gefunden werden."
2)

 

Unsere Marine

Winston Churchill
Winston Churchill

Die "Frankfurter Zeitung" schreibt:
Als neulich Herr Churchill im englischen Unterhaus eine lange Beschwichtigungsrede über den Seekrieg hielt, sagte er voll Genugtuung, es stehe alles gut, denn die vier großen Gefahren, die England zur See drohten, seien glücklich vermieden worden, oder sie hätten sich doch immerhin ganz wesentlich vermindert. Die englische Flotte sei nämlich nicht hinterrücks überfallen worden, bevor sie ihren Posten erreicht habe; der Sorgen wegen der flinken deutschen Kreuzer, die den Kauffahrteischiffen nachstellten, sei man - wenigstens zu einem großen Teil - ledig, gegen die Minen habe man Vorsichtsmaßregeln getroffen und was die Unterseeboote angehe, so habe man in England größere. Das eine ist nun allerdings gewiß:
Alles, was der englischen Flotte bisher geschah in diesem Krieg, ist, an den riesigen Zahlen gemessen, auf die sich die englische Marine berufen kann, natürlich wenig und unbedeutend. Was will es für eine Flotte, die über Dutzende von Dreadnoughts verfügt, heißen, wenn sie zwei davon verliert? Was bedeuten fünf Panzerkreuzer, wenn vierzig oder mehr übrig bleiben? Wenn sich Herr Churchill dies zum Thema genommen hätte, dann könnte man vielleicht nicht allzuviel dagegen einwenden. Aber die Rede über die vier Gefahren zur See nimmt einen anderen Weg. Was man da aus dem Munde eines Mannes hörte, der stolz darauf ist, daß England mit der größten Flotte der Welt alle Meere beherrsche, wäre richtig und gut gewesen als Trostwort eines kleinen Staates, der mühsam ein paar Schiffe vor einem übermütigen Feind gerettet hat und mit verhaltenem Atem auf das lauscht, was kommen möge. Wir wissen, daß uns die Zukunft einen schweren Kampf zur See bringen wird und wissen auch, daß es nicht Feigheit ist, was die englische Flotte in ihren Häfen, vielleicht sogar an den Westküsten des Inselreichs, zurückhält. Die Admiralität in London handelt nicht ohne Plan. Aber die Rede Churchills und überhaupt die ganze Stimmung des englischen Volkes, wie sie sich in den großen Zeitungen widerspiegelt, sagt uns doch das eine: Bei diesen zwanzig großen und kleinen Kriegsschiffen, die unsere Flotte den Engländern weggenommen hat, mag die Zahl und der Wert an Menschen und Material nicht viel bedeuten, aber das Ganze bedeutet uns doch so viel wie eine große gewonnene Schlacht. Es ist wie ein Sieg an einer völlig unbeachtet gewesenen Stelle: die deutschen Kriegsschiffe haben sich gerührt, sind nicht in Schlupfwinkeln geblieben; die feindliche Minensperre kümmert sie nicht, Gefahr ist ihnen Luft, sie schleichen sich unter dem Wasser mitten in die Reihen der Feinde, bewerfen die englische Küste mit ihren Granaten und verbreiten ihren Schrecken sogar im Kanal, wo jetzt der Lebensnerv der englischen Herrschaft ganz nahe an der Oberfläche liegt. Und wo ist der Feind? Einmal kam er ziemlich zu Anfang nach Helgoland. Groß war die Beute seiner riesigen Panzerkreuzer nicht. Und als ein Unterseeboot in die südliche Nordsee auf Patrouille kam, ward es in den Grund geschossen. Sonst hörte man wenig über dem Wagemut der englischen Aufklärer. Das einzige Seegefecht gleichwertiger Schiffe größeren Schlags endete bei Coronel mit einem vollkommenen Sieg der Deutschen. Wir wollen daraus keinen voreiligen Schluß ziehen und uns hüten, den übermächtigen Gegner zu unterschätzen, aber das soll uns nicht hindern, uns darüber zu freuen, daß es Herr Churchill selbst war, der uns auf seine Weise bescheinigt hat: uns Engländern ist bisher die Defensive leidlich gelungen, die Deutschen aber haben den großen, herrlichen Wagemut, den unser Volk ein wenig bei uns vermißt.
Dies ist die Liste der englischen Opfer, soweit sie bisher bekannt geworden sind:

Name
Stapellauf
Wasserverdrängung
in Tonnen
Geschwindigkeit
in Seemeilen
 Artillerieanzahl
und Kaliber
Art der Vernichtung
"Bulwark"
1899
15250 18 4 x 30,5
12 x 15
16 x 7,6
2 c 4,7
Mine? Themsemündung
"Audicious"
1912
27000 22 10 x 34,2
16 x 10,2
4 x 4,7
Mine? Nordirland
"Monmouth"
1901
9950 23,8 14 x 15
8 x 7,6
3 x 4,7
Seegefecht bei Coronel
"Good Hope"
1911
14300 23,8 2 x 23,4
16 x 15
12 x 7,6
Seegefecht bei Coronel
"Hogue"
1900
12200 22,1 2 x 23,4
12 x 15
durch "U 9" bei Hoek van
Holland zerstört
"Aboukir"
1900
12200 21,8 2 x 23,4
12 x 15
durch "U 9" bei Hoek van
Holland zerstört
"Cressy"
1899
12200 22,5 12 x 7,6
3 x 4,7
durch "U 9" bei Hoek van
Holland zerstört
"Amphion"
1911
3500 26 10 x 10,2
4 x 4,7
Mine an der englischen
Küste
"Pathfinder"
1904
3000 25,3 9 x 10,2 "U 21"
"Hermes"
1904
5700 19,2 14 x 15,2
8 x 7,6
1 x 4,7
Unterseeboot im Kanal
"Pegasus"
1898
2200 20 8 x 10
8 x 4,7
durch "Königsberg" bei
Sansibar 
"Hawke"
1891
7820 19,5 2 x 23,4
10 x 15,2
12 x 5,7
5 x 4,7
"U 9" in der Nordsee

Vier Unterseeboote. Mindestens vier Torpedoboote.

 

Der 1. Weltkrieg im Dezember 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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