Der Weltkrieg am 1. Februar 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Russen bei Mlawa zurückgedrängt

Großes Hauptquartier, 1. Februar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Von dem westlichen Kriegsschauplatz ist nichts Wesentliches zu melden.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Von der ostpreußischen Grenze nichts Neues. Nördlich der Weichsel, in der Gegend südwestlich Mlawa, haben wir die Russen aus einigen Ortschaften, die sie tags zuvor vor unserer Front besetzt hatten, verdrängt.
In Polen, südlich der Weichsel, gewannen wir weiter an Boden. Südlich der Pilica haben wir unsere Angriffe erneuert.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Maßnahmen gegen die englischen Truppentransporte

Berlin, 1. Februar.
In seiner heutigen Ausgabe bringt der "Reichs- und Staatsanzeiger" folgende Veröffentlichung:
Bekanntmachung.
England ist im Begriff, zahlreiche Truppen und große Mengen von Kriegsbedarf nach Frankreich zu verschiffen. Gegen diese Transporte wird mit allen zu Gebote stehenden Kriegsmitteln vorgegangen.
Die friedliche Schiffahrt wird vor der Annäherung an die französische Nord- und Westküste dringend gewarnt, da ihr bei Verwechslung mit Schiffen, die Kriegszwecken dienen, ernste Gefahr droht.
Dem Handel nach der Nordsee wird der Weg um Schottland empfohlen.

Der Chef des Admiralstabes der Marine.
gez. v. Pohl.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Russische Angriffe in den Karpathen abgewiesen

Wien, 1. Februar.
Amtlich wird verlautbart:
In Russisch-Polen und Westgalizien war gestern lebhafte Gefechtstätigkeit. Die günstigen Sichtverhältnisse, die größtenteils vorherrschten, waren die Ursache zahlreicher Rekognoszierungsgefechte und Plänkeleien, durch die in manchen Abschnitten lokale Erfolge erzielt wurden.
Die allgemeine Situation in den Karpathen ist seit den letzten Ereignissen unverändert. Neue russische Angriffe westlich des Lupkower Sattels wurden abgewiesen. Bei einem Gefecht im Waldgebirge verlor der Feind an Gefangenen fünf Offiziere, 800 Mann; zwei Geschütze und zwei Maschinengewehre wurden erbeutet.
In der Bukowina hat sich nichts Wesentliches ereignet.
Am südlichen Kriegsschauplatz ist die Lage unverändert.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Unsere Unterseeboote bei der Arbeit

Amsterdam, 1. Februar. (Priv.-Tel.)
Reuter meldet aus Paris:
Das Marineministerium teilt mit, daß das englische Dampfschiff "Tako Maru" am Samstag morgen um 10 Uhr durch ein deutsches Unterseeboot bei Kap Antifer torpediert wurde. Um 1 Uhr ist das englische Dampfschiff "Ikaria" ebenfalls bei Kap Antifer torpediert worden. Die "Ikaria" sank nicht, sondern sie wurde nach Havre geschleppt. Nach einer anderen Reutermeldung flog das englische Dampfschiff "Tako Maru" heute früh acht Meilen nordwestlich von Kap Heve in die Luft. Die Ursache ist unbekannt. Ein Fischerdampfer rettete die Besatzung, die aus 57 Personen bestand. Die "Tako Maru" hatte 97000 geschlachtete Schafe an Bord, sowie eine Menge Kleider für belgische Flüchtlinge. Die "Tako Maru" umfaßte 6084 Tonnen. Das Schiff hatte eine Länge von 425 Fuß und war 1894 in Southampton gebaut. Es gehörte nach London.
Aus Fleetwood meldet Reuter:
Die Überlebenden der "Bencruachan" und der "Linda Blanche" erklären, daß die deutschen Offiziere sagten: "Es tut uns leid, daß wir Sie belästigen müssen, aber wir haben Befehl, jedes englische Schiff, das wir treffen, in den Grund zu bohren." Der Kapitän des Fischdampfers "Niblick" erklärte, daß er eine Kiste mit 40 Rettungsgürteln aufgefischt habe, die keine Kennzeichen hatten, doch darauf hinwiesen, daß das Schiff, welche sie an Bord hatte und unterging, von großen Dimensionen gewesen sein müsse. Lloyds Bureau meldet, daß das Dampfschiff "Kelcoan Carston" am 30. Januar, achtzehn Meilen nordwestlich von Liverpool, zum Sinken gebracht wurde. Die Besatzung ist durch den Küstendampfer "Gladys" an Land gebracht worden. Paris,

1. Februar. (Priv.-Tel.)
Das französische Marineministerium veröffentlicht folgende Erklärung: "Bis jetzt haben die deutschen Seeleute aus ihrer Selbstachtung heraus im allgemeinen die Handelsschiffe der Verbündeten erst dann versenkt, nachdem sie die Besatzung gerettet oder sie ermächtigt hatten, sich zu retten. Als Ausnahme von dieser Regel harten sie sich nur das Verbrechen gegen den französischen Dampfer "Admiral Ganteaume" vorzuwerfen, den sie auf der Höhe von Boulogne aus einem Unterseeboot torpedierten, obwohl er mit belgischen Frauen und Kindern gefüllt war. Der Dampfer konnte jedoch dank der Hilfe befreundeter Schiffe, welche die meisten Passagiere retteten, die Küste erreichen. Jetzt ist die deutsche Marine fest entschlossen, systematisch und freiwillig das Völkerrecht zu verletzen. Die deutschen Seeoffiziere haben den Befahl erhalten, nichts mehr zu achten und sich außerhalb der Gesetze der Menschlichkeit zu stellen. So haben deutsche Unterseeboote am 30. Januar ohne vorausgegangene Anzeige vier englische Handelsschiffe torpediert, zwei in der Nähe von Havre, die beiden anderen in der Irischen See. Die ganze Welt wendet sich mit Abscheu gegen eine solche Kriegführung, die einer zivilisierten Nation unwürdig ist."

London, 1. Februar. (W. B.)
Auch die englische Admiralität veröffentlicht jetzt ein Entrüstungscommunique gegen die deutsche Kriegführung zur See, in dem es heißt, daß die deutsche Flotte offenbar entschlossen sei, das Völkerrecht bewußt und systematisch zu verletzen. Sie stelle sich durch das Torpedieren wehrloser Handelsschiffe außerhalb der zivilisierten Gesellschaft. Die ganze Welt wurde von Abscheu erfüllt durch die Taten, die einer zivilisierten Nation unwürdig seien.
Zu diesen Meldungen bemerkt die "Frankfurter Zeitung":
Deutsche Unterseeboote haben eine Anzahl englischer Handelsschiffe teils versenkt, teils unbrauchbar gemacht. Vor einigen Tagen wurde ein englisches Schiff in der Nordsee zwischen England und Holland versenkt; jetzt ist dasselbe Schicksal anderen englischen Schiffen in der Irischen See in der Nähe von Liverpool und im Kanal etwa 20 Kilometer nördlich von Le Havre widerfahren. Also im Osten und Westen der englischen und an der französischen Kanalküste, deren Schutz die englische Flotte vertragsmäßig übernommen hat, haben deutsche Unterseeboote angefangen, dem englischen Handel das zuzufügen, was England gegen Deutschland beabsichtigt hat. Die Methode ist neu und in ihren Mitteln drastisch, aber sie ist die richtige und wirksame Antwort auf die das Völkerrecht brutal mißachtende Absperrungspolitik, die England gegen uns ausübt und bei der es den Handel der Neutralen fast zu Grunde richte. Eine Macht, die mit so kalter Rücksichtslosigkeit ihren Krieg weniger mit der Waffe als mit dem Sovereign und allen anderen Mitteln eines pfiffigen Krämers führt, kann man wirksam nur bekämpfen, indem man mit gleicher Rücksichtslosigkeit jede wirksame Waffe verwendet. Und daß die Unterseeboote eine wirksame Waffe sind, das haben sie seit Beginn des Krieges gezeigt. Wenn wir sie aber zuerst nur gegen Kriegsschiffe verwandten, so wird das Versenken von Handelsschiffen einer Regierung, die ihre Hoffnungen noch mehr als auf die Waffen ihrer Verbündeten auf eine systematische Aushungerung Deutschlands setzt, vielleicht noch schmerzlicher und empfindlicher werden als die Vernichtung von Kreuzern. Daß unsere Unterseeboote weit von ihrer Basis, fern in westlichen Meeresteilen sich bemerkbar gemacht haben, wird den Engländern zeigen, daß auch ihre Dreadnoughts, die sie vorsichtig in Sicherheit gebracht haben, ihnen für die Beherrschung der Meereswege nicht mehr genügen. Wir vermuten, daß das, was jetzt gemeldet wird, nur ein Anfang ist, und die Handelsherren in Liverpool und in der Londoner City, die Schiffe auf dem Meere schwimmen haben, werden erkennen müssen, daß die Zeiten vorbei sind, in denen England Kriege führen konnte, ohne von den Leiden der Kriege viel zu spüren. Je mehr England die Schrecken der Kriege am eigenen Leibe spürt, um so besser für den Frieden der Völker. Die entrüstete Erklärung des französischen Marineministerium, das aus der Tätigkeit der deutschen Unterseeboote ein neues "Greuel"-Register zu machen sucht, mag vielleicht die schmerzbewegten Herzen der an ihrem Geldbeutel geschädigten Engländer rühren, aber sonst kann sie keinen Eindruck machen. Schon deswegen nicht, weil ihre Voraussetzung gar nicht zutrifft. Selbst das Reuterbureau hat gemeldet, daß die Unterseeboote den Besatzungen der Schiffe Zeit gelassen haben, sich zu retten. Herr Augagneur behauptet also eine Unwahrheit, um sich entrüsten zu können. Wenn es ihm aber wirklich um die Wahrung des Völkerrechts zu tun wäre, dessen er sich in seiner Erklärung annimmt, dann hätte er die zahllosen Völkerrechtsbrüche Englands verhüten müssen, gegen die das Vorgehen unserer Unterseeboote lediglich eine auch nach dem Völkerrecht durchaus zulässige und, wie wir hoffen, recht empfindliche Vergeltungsmaßregel ist.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im Februar 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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