Der Weltkrieg am 5. März 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Französischer Ansturm in den Vogesen abgewiesen

Großes Hauptquartier, 5. März.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Südlich von Ypern fügten wir den Engländern durch unser Feuer erhebliche Verluste zu.
Aus der den Franzosen entrissenen Stellung auf der Loretto-Höhe wurde ein feindlicher Gegenangriff gestern Nachmittag abgeschlagen.
In der Champagne setzten die Franzosen gestern und heute Nacht ihre Angriffe nördlich von Le Mesnil fort. Sämtliche Angriffe wurden zurückgeschlagen, unsere Stellungen festgehalten.
Angriffe auf unsere Stellungen bei Vauquois östlich der Argonnen und am Walde von Consenvoye östlich der Maas scheiterten.
Sämtliche Versuche, uns das in den letzten Tagen in Gegend Badonviller eroberte Gelände streitig zu machen, mißlangen. Ein gestern Abend noch mit erheblichen Kräften in tiefer Staffelung unternommener Ansturm auf die Höhe nordöstlich von Celles brach unter großen Verlusten für die Franzosen zusammen. Auch mehrere Nachtangriffe waren erfolglos. Über 1000 tote Franzosen liegen vor unseren Hindernissen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Lage um Grodno ist unverändert. Russische Angriffe wurden blutig abgewiesen.
Die russischen Angriffe nordöstlich und nördlich Lomza scheiterten unter schweren Verlusten für den Feind. Viele Gefangene der ersten und zweiten russischen Gardedivision blieben in unserer Hand.
Weiter westlich bis zur Weichsel hat sich die Lage nicht geändert. Einige Vorstöße der Russen östlich von Plock waren erfolglos.
Östlich von Skierniewice mißlang ein starker feindlicher Nachtangriff gänzlich.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

"U 8" gesunken

Berlin, 5. März.
Nach einer amtlichen Bekanntmachung der britischen Admiralität ist das deutsche Unterseeboot "U 8" gestern Abend in der Nähe von Dover durch ein englisches Torpedoboot zum Sinken gebracht worden. Die Besatzung wurde gerettet.

Der stellvertretende Chef des Admiralstabes.
gez. Behncke.
1)

 

Anzeige der Kartoffelvorräte

Berlin, 5. März.
Mit Wirkung vom 4. März ordnete der Bundesrat an:
Wer Vorräte von Kartoffeln mit dem 15. März in Gewahrsam hat, ist verpflichtet, bis zum 17. März der zuständigen Behörde, in deren Bezirk die Vorräte lagern, diese anzuzeigen. Anzeige über Vorräte, die sich am Erhebungstage auf dem Transport befinden, ist unverzüglich nach dem Empfange von dem Empfänger zu erstatten. Vorräte unter 50 Kilogramm unterliegen der Anzeigepflicht nicht, sofern nicht die Landeszentralbehörde anordnet, daß die Anzeige sich auf solche Vorräte erstrecken soll. Der Reichskanzler wird ermächtigt, eine zweite Erhebung der Kartoffelvorräte im April oder Mai bei Anwendung der gleichen Bestimmungen anzuordnen.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Die Karpathenkämpfe

Wien, 5. März.
Amtlich wird verlautbart:
An der Gefechtsfront in Russisch-Polen und Westgalizien herrschte gestern im allgemeinen Ruhe. 
In den Karpathen wird an einigen Abschnitten gekämpft. Die Situation hat sich nicht geändert.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Die Herrschaft der Russen in Czernowitz

Czernowitz, 5. März.
Während der zweiten russischen Invasion wurde die Bukowina dem russischen Gouvernement Bessarabien zugeschlagen. Gouverneur der Bukowina wurde der kaiserliche Kammerjunker Evreinov, der es als seine Hauptaufgabe betrachtete, der Bevölkerung durch Quälereien den Aufenthalt in Czernowitz möglichst zu verleiden und sich besonders in der Verfolgung der Juden hervortat. Als sein Sekretär fungierte der frühere Czernowitzer Advokaturkandidat Dr. Alexander Gerowski, ein früherer Österreicher, der vor dem Kriege die russophile Propaganda in Österreich geleitet hatte, wegen Hochverrats in gerichtlicher Untersuchung stand und aus dem Gefängnis entfloh. Er kam nach Rußland, wo er bei Ausbruch des Krieges durch einen Beschluß des russischen Ministerrats naturalisiert und gleichzeitig zum russischen Staatsbeamten ernannt wurde.
Der Gouverneur hatte auch Polizeibeamte nach Czernowitz gebracht, die sofort die russische Polizei organisierten. Sie führten sofort all ihre russischen Verwaltungsmaßnahmen, die Drangsalierungen der Bevölkerung, Erpressungen, ungerechtfertigte Verhaftungen, Folterungen und Ähnliches ein. Auch eine eigene Gerichtsbarkeit richteten die Russen in Czernowitz ein; außerdem den Post- und Eisenbahnverkehr nach Rußland und den von ihnen besetzten Teilen Galiziens. Von Czernowitz hatten sie eine direkte Eisenbahnverbindung mit Lemberg über Stryj geschaffen. Alle diese Einrichtungen wurden schon in der ersten Zeit nach der russischen Invasion eingerichtet. Die Russen betrachteten die Bukowina als festen Besitz, obwohl sie doch eigentlich nur reines Operationsgebiet war. Die Russen spielten sich als die dauernden Herren von Czernowitz heraus und richteten sich auch demgemäß ein. Selbst äußerlich suchten sie jede Erinnerung an die österreichische Herrschaft zu verwischen. Alle österreichischen Adler wurden herabgenommen, sogar der Rathausadler von der Spitze des Rathausturmes. Jeder schwarz-gelbe Anstrich an den Trasiken mußte schwarz überstrichen werden. Die Bevölkerung mußte alle russischen Feiertage mitfeiern; wie eine Zarenfeier in Czernowitz ausfiel, ist vor einiger Zeit in der "Frankfurter Zeitung" geschildert worden.
Die Russen fühlten sich so sicher, daß sie später sogar junge Rekruten aus Rußland hereinbrachten und sie erst hier auszubilden begannen. Diese unausgebildeten Rekruten haben sie im Momente der Gefahr in die Schanzgräben vor Czernowitz entsendet. Außerdem schickten sie sich auch an, einen Lehrkurs für die russische Sprache in der Lehrerbildungsanstalt zu errichten. Alle Volksschullehrer sollten veranlaßt werden, diesen Kurs zu besuchen, um dann den Unterricht in russischer Sprache zu erteilen.
Außer den zahlreich verschleppten Juden wurden auch zwanzig Nicht-Juden grundlos verhaftet und nach Rußland geführt, darunter der Führer der Christlich-Sozialen, der Religionsfondsbeamte Dr. Adelsberger, weil er die Güter des griechisch-orthodoxen Reltgionsfonds nicht angeben wollte, der Reichsdeutsche Lenig, Direktor der Czernowitzer Wach- und Schließgesellschaft, zwei Frauen und einige deutsche Kolonisten aus der Vorstadt Rosch. Die Russen begannen auch, die Güter des Religionsfonds und die jüdischen Privatgüter zu konfiszieren. Der von den Russen für Galizien eingesetzte Gouverneur Graf Bobrinski war nach Czernowitz gekommen, hatte die Bauern der benachbarten Gemeinden zusammengerufen und ihnen gestattet, vom Frühjahr an die Güter des Religionsfonds und der Juden zu bebauen, da diese von nun an russisches Staatsgut seien. Der Gouvernementssekretär Gerowski bot schon einige den Juden gehörige Häuser in Czernowitz zum Kaufe an, weil er alle jüdischen Häuser als konfisziert erklärte.
Neben der Czernowitzer Bevölkerung hatte auch die deutsche Vorstadtkolonie Rosch unter den Verfolgungen schwer zu leiden. Den "Roscher Schwaben" wurde viel Vieh, große Heuvorräte und viele Nahrungsmittel weggenommen. Die in einem Wiener Blatte gebrachte Meldung von einem Aufstand der Schwaben gegen die Russen und vom Wegstehlen einiger russischer Kanonen durch die Roscher sind pure Erfindungen. Die Kolonisten waren viel zu schwach dazu; der geringste Widerstand wäre ihnen sehr übel bekommen. Im übrigen wurden alle Deutschen ebenso schlecht wie die Juden behandelt. Auch die Ukrainer und Polen erfreuten sich nicht der Gunst der Russen. Nur die Rumänen wurden mit Rücksicht auf das benachbarte Königreich anders behandelt, doch lange nicht so, daß die Behandlung eine gute genannt werden könnte.
Unter der Bevölkerung herrschte große Not. Infolge des Stockens des gesamten Erwerbslebens war keine Verdienstmöglichkeit gegeben, und die meisten besaßen keine flüssigen Geldmittel. Zunächst litten auch die in Czernowitz zurückgebliebenen Staatsbeamten. Später wurde ihrer Not teilweise abgeholfen. Der Sekretär des Konsistoriums Dr. Nesciuk wurde mit Wissen des Gouverneurs als Parlamentär über Rumänien nach Österreich entsendet. Auf Grund der Gehaltslisten übernahm er mehrere hunderttausend Kronen und verteilte sie unter die Czernowitzer Beamtenschaft. Dieser Vorgang dürfte in Zukunft als Völkerrechtsbrauch für die Versorgung der Staatsbeamten eines vom Feinde besetzten Gebietes angewendet werden. Die andern Bürger hungerten. Es waren zehn Volksküchen errichtet worden, in denen Suppe und Brot verteilt wurde. Reichere Bürger hatten aus Wien die Mittel dazu gesendet. Trotzdem aber diese Volksküche für alle Nationen gespendet worden war, ließen die Russen keine Deutschen und Juden hinein.
Während ihrer Herrschaft haben die Russen eine Unmasse von Ukasen in russischer und rumänischer Sprache erlassen. Der letzte wurde auch deutsch veröffentlicht. Er behandelte das Verhalten der Bevölkerung während des Abzuges der russischen Truppen. Als die Russen ihren Abzug verschleiern und den Bürgern verbieten wollten, sich in den Straßen aufzuhalten, da bedienten sie sich auch der deutschen Sprache zur Verständigung.

 

Der türkische Heeresbericht:

Die Beschießung der Dardanellen

Konstantinopel, 5. März.
Das Hauptquartier meldet:
Gestern abend in später Stunde versuchte eine feindliche Flotte unter verstärktem Feuer an einzelnen Teilen der Küste außerhalb des Feuers unserer Artillerie bei den Stellungen von Sedil-Bahr und Kum-Kale in Schaluppen Soldaten zu landen. Anfangs ließen wir den Feind gewähren, aber dann erwiderten wir das Feuer. 60 feindliche Soldaten, welche sich bei Sedil-Bahr ausschifften, flüchteten wieder in die Schaluppen und zogen sich unter Zurücklassung von 20 Toten und Verwundeten zurück. 400 feindliche Soldaten, die bei Kum-Kale an Land gesetzt waren, wurden vertrieben, wobei sie etwa 80 Tote verloren. Wir hatten 6 Tote und 25 Verwundete in den beiden Gefechten. Nach dem gestrigen Mißerfolg teilte sich die feindliche Flotte in mehrere Teile und bombardierte die offenen unverteidigten Häfen von Dikili, Sarmsak und Aivalik am Ägäischen Meer. Zwei Flieger, die den Golf von Saros überflogen, stürzten ins Meer; der Apparat fiel ebenfalls ins Wasser und verschwand. Von den übrigen Kriegsschauplätzen ist nichts Wichtiges zu melden.

 

Der 1. Weltkrieg im März 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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