Die
Taten des deutschen Hilfskreuzers
"Kronprinz Wilhelm"
London,
14. April. (Priv.-Tel.)
Nach Londoner Berichten war dem "Kronprinz Wilhelm", als
er in den Hafen von Newport-News einlief, anzusehen, daß er sich
acht Monate lang auf offener See herumgetrieben hatte. Die Schiffswände
waren durch Rost angegriffen, und mehr als 60 Mitglieder der Besatzung
und der Gefangenen, die an Bord waren, wurden von der Beriberi (Beulenpest)
befallen, eine Folge der ausschließlichen Reisnahrung. Es waren
auch nur noch 21 Tonnen Kohlen an Bord. Die Nahrungsmittel und die Munition
waren so gut wie aufgebraucht; deshalb mußte "Kronprinz Wilhelm"
notwendigerweise in einen amerikanischen Hafen einlaufen. Kapitän
Thierfelder, der Befehlshaber des Schiffes, erklärte amerikanischen
Journalisten:
"Unsere Arbeit ist noch nicht zu Ende. Wir gehen wieder in See zurück.
Mein Schiff sieht nicht mehr schön aus, von innen und von außen
nicht, aber das ist die Folge davon, daß wir auf offener See Kohlen
einnehmen mußten, und das ging nur, indem wir die Steinkohlen an
Deck nahmen und durch die Salons nach unten transportierten. Als wir New
York verlassen hatten, hatten wir keine Kanone an Bord. Zu Beginn war
es unser Plan, Bewaffnung von der "Karlsruhe" zu bekommen, aber
wir fingen das englische Dampfschiff "La Correntina" ab, das
Kanonen, aber keine Munition an Bord hatte. Wir nahmen die Kanonen, Munition
hatten wir nicht zu verschwenden, und die meisten Schiffe, die wir zum
Sinken brachten, ließen wir durch Öffnen der Luken mit Wasser
voll laufen. Wir rammten die "Nova Scotia" und nahmen ihre Besatzung
an Bord. Von verschiedenen Schiffen nahmen wir mehr als 1000 Gefangene
und hielten die meisten zwei Monate bei uns. Das war teuer, und wir setzten
uns in Verbindung mit dem Kohlenschiff "Holgar", das die Gefangenen
nach Buenos Aires brachte. Während des Monats Dezember wurde unser
Mundvorrat beinahe aufgezehrt. Wir hatten jedoch eine große Quantität
Reis an Bord, die wir von verschiedenen Schiffen genommen haben, die wir
in den Grund bohrten. Ein Teil davon wurde naß, aber wir trockneten
ihn und lebten davon. Wir hatten ein Gefecht mit den englischen Kreuzern
"Berwick", "Suffolk" und "Bristol". Wir
waren gerade im Begriff, 50 Mann, 4 Kanonen und ein Maschinengewehr von
der "Karlsruhe" zu übernehmen, als sie uns überraschten
Das Gefecht war für uns günstig, aber wir mußten stark
vorandampfen, die "Karlsruhe" mußte zurück. Die größte
Beute brachte uns der Fang des englischen Dampfschiffes "La Correntina".
Wir überraschten ihn im Atlantischen Ozean. Er kämpfte nicht.
Wir nahmen dem Schiff 2 Kanonen und 5 Millionen Pfund Rindfleisch ab und
öffneten darauf die Luken. Der "Indian Prince", der am
7. September genommen wurde, enthielt keine große Beute. Am 11.
November nahmen wir 3100 Tonnen von der französischen Bark "Union".
Wir luden die Kohlen in die Salons und in die Erste Klasse-Kabinen. Seit
der Zeit war das Schiff nicht mehr so schön. Am 28. Dezember erbeuteten
wir die "Hemisphere" und nahmen 500 Tonnen Kohlen. Am 10. Januar
überraschten wir das große Dampfschiff "Potaco",
das Ballast an Bord hatte. Auch dieses brachten wir zum Sinken. Am 14.
Januar erbeuteten wir die "Highland Brae"; sie hatte 51 Passagiere
und eine Besatzung von 94 Mann, die wir an Bord nahmen, ebenso wie eine
große Anzahl von Lebensmitteln. Am gleichen Tage nahmen wir das
englische Dampfschiff "Wilfred", das mit Fischen und Kartoffeln
beladen war. Das einzige neutrale Schiff, das wir in den Grund bohrten,
war das norwegische Segelschiff "Sorantha" mit einer Fracht
Mehl auf dem Wege nach Liverpool. Am 22. Februar holten wir das englische
Frachtschiff "Chase Hill" ein. Der Kapitän war einer der
lustigsten Seeleute, die ich je getroffen habe. Er fragte: "Habe
ich Euch eine gute Jagd verursacht?" Ich sagte ihm, daß er
mit seinen Fersen so dicht bei unserer Nase gestanden hätte, daß
er uns Wasser ins Gesicht gespritzt hätte. Wir brachten das Schiff
nicht zum Sinken, nahmen aber 400 Männer und Frauen an Bord und gaben
dem Kapitän den Auftrag, sie an Land zu bringen. Matratzen, Bettdecken
usw., ebenso wie Essen gaben wir mit, und dies tat uns nicht leid."
So der Kapitän. Andere Offiziere schilderten noch, wie das französische
Dampfschiff "Guadeloupe" und am 24. Februar das britische Dampfschiff
"Tamar" mit 68000 Ballen Kaffee zum Sinken gebracht worden seien.
Vier Tage später wurde die "Coleby" mit Mehl für St.
Vincent zum Sinken gebracht. Ihre Besatzung ist nun in New York. Als der
"Kronprinz Wilhelm" die Anker auswarf, schaute der Kapitän
der "Coleby" aus dem Schiff heraus und rief den Leuten am Ufer
zu: "Hallo! Ihr Leute, haben die Engländer schon die Dardanellen
genommen? Ich habe seit Monaten nichts mehr gehört." Während
der letzten Tage merkte der "Kronprinz Wilhelm" durch aufgefangene
drahtlose Telegramme, daß die englischen Kreuzer eifrig Jagd auf
ihn machten. Nach Aussage der Gefangenen wurde der Hilfskreuzer durch
einen Schuß des "Berwick" getroffen. Es sei für das
Schiff ein Unglück gewesen, daß der "Odenwald" nicht
aus Puerto Rico ausfahren durfte. Der "Odenwald" sollte den
"Kronprinz Wilhelm" mit Nahrungsmitteln versehen.
Amsterdam,
14. April. (Priv.-Tel.)
Reuter meldet:
Mit der Ankunft des "Kronprinz Wilhelm" in Newport-News mag
man sagen, daß der deutsche Kaperkreuzer am Ende seiner Laufbahn
angekommen ist. Es ist jetzt möglich, eine Schätzung des gesamten durch diesen Kreuzer verursachten Schadens
anzustellen. Der "Kronprinz Wilhelm" hat dreizehn Schiffe in
Grund gebohrt, deren Ladungen 1105000 Pfund Wert hatten. "Emden"
hat siebzehn Schiffe zum Sinken gebracht, Wert 2211000 Pfund. Drei andere
durch "Emden" erbeutete Dampfschiffe sind mit Besatzung und
Passagieren der in den Grund gebohrten Schiffe nach den Häfen geschickt
worden. Hierzu kommt "Karlsruhe" mit siebzehn in den Grund gebohrten
Schiffen, Wert 1662000 Pfund, "Prinz Eitel Friedrich" bohrte
elf Schiffe in den Grund, Wert 585000 Pfund, "Königsberg"
ein Dampfschiff, "Dresden" drei Dampfschiffe und zwei Segelschiffe,
Wert 275000 Pfund, "Leipzig" drei Dampfschiffe, Wert 235000
Pfund. Das ist zusammen ein Schaden von ungefähr 6700000 Pfund gleich
134 Millionen Mark. 2)
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