Der Weltkrieg am 22. August 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Vormarsch über die Bahn Bialystok - Brest-Litowsk

Großes Hauptquartier, 22. August.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Die Lage ist unverändert.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Die Armee des Generals v. Eichhorn machte östlich und südlich von Kowno weitere Fortschritte. Beim Erstürmen einer Stellung nördlich des Zuwintysees wurden 750 Russen gefangen genommen.
Die Zahl der russischen Gefangenen aus den Kämpfen westlich Tykocin erhöhte sich auf über 1100.
Die Armee des Generals v. Gallwitz dringt südlich des Narew über die Eisenbahn Bialystok-Brest- Litowsk weiter vor. An Gefangenen wurden in den beiden letzten Tagen 13 Offiziere und über 3550 Mann eingebracht.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Unter siegreichen Gefechten überschritt die Heeresgruppe gestern die Eisenbahn Kleszczele-Wysoko-Litowsk. Den erneut sich setzenden Gegner warfen deutsche Truppen heute früh aus seinen Stellungen. Es wurden über 3000 Gefangene gemacht und eine Anzahl Maschinengewehre erbeutet.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen:
Die Angriffe der deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen an den Abschnitten der Koterka, der Pulwa, dem Bug oberhalb Ogrodniki sowie am Unterlauf der Krsna schreiten vorwärts.
Von der Südwestfront Brest-Litowsk nichts Neues. Bei und nordwestlich von Piszcza (nordöstlich von Wlodawa) dauern die Kämpfe an.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der Kaiser über die Einnahme von Nowo-Georgiewsk

Kaiser Wilhelm II.
Kaiser Wilhelm II.

General d. Inf. v. Beseler

Berlin, 22. August.
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" meldet:
Der Kaiser hat an den Reichskanzler folgendes Telegramm gerichtet: "Dank dem gnädigen Beistand Gottes und der bewährten Führung des Eroberers von Antwerpen, Generals v. Beseler, sowie der heldenhaften Tapferkeit unserer prächtigen Truppen und der vortrefflichen deutschen und österreichisch-ungarischen Belagerungsarmee ist die stärkste und modernste russische Festung, Nowo-Georgiewsk, unser. Tief ergriffen habe ich eben Meinen braven Truppen Meinen Dank ausgesprochen, sie waren in prachtvoller Stimmung. Eiserne Kreuze ausgeteilt. Alles Landwehr und Landsturm. Es ist eine der schönsten Waffentaten der Armee. Die Zitadelle brennt, lange Kolonnen Gefangener begegneten Mir auf Hin- und Rückfahrt. Dörfer meist von Russen auf Rückzug total zerstört. Es war ein erhabener Tag, für den ich in Demut Gott danke. Die Beute in Kowno ist auf 600 Geschütze gestiegen. Wilhelm."
1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Räumung der Insel Pelagosa durch die Italiener

Wien, 22. August.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Truppen des Generals v. Köveß warfen den Gegner abermals aus mehreren Stellungen und trieben ihn über die von Brest-Litowsk nach Bielsk führende Bahn zurück. Die Armee des Erzherzogs Josef Ferdinand gewann unter erneut einsetzenden Kämpfen bei Wysoko- Litowsk Raum. Hier sowie westlich Brest-Litowsk und östlich Wlodawa setzt der Feind dem Vordringen der Verbündeten heftigen Widerstand entgegen. Zwischen Wladimir-Wolynskij und Czernowitz ist die Lage unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Gegen die Karsthochfläche von Doberdo setzte gestern wieder lebhafteres feindliches Geschützfeuer ein. Ein von Bersaglieri gegen den Monte dei sei Busi geführter Angriff brach nahe vor unserer Stellung im Feuer zusammen. Gegen den Nordwestteil der Hochfläche griffen die Italiener in breiter Front an, wurden aber teils im Kampfe Mann gegen Mann geworfen, teils durch unser Artilleriefeuer zum Stehen gebracht. Nachmittags beschoß der Gegner über unsere Stellungen hinweg einzelne Stadtteile von Görz aus Feld- und schweren Geschützen. Ein neuerlicher Vorstoß gegen unsere Stellungen nördlich Selo und ein Nachtangriff gegen die Isonzobrücke westlich Tolmein scheiterten unter schweren Verlusten des Feindes. Im Krngebiete, im Raume von Flitsch und an der Kärntner Grenze fanden stellenweise Geschützkämpfe statt. An der Tiroler Front griffen zwei italienische Bataillone nach zwanzigstündiger Artillerievorbereitung die Gebirgsübergänge östlich Tre Sassi zweimal an; sie wurden abgeschlagen und verloren 300 Tote, sehr viele Verwundete. Das Feuer auf unsere Werke der Folgaria-Lavarone-und der Tonalegruppe hält mit wechselnder Stärke an.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Ereignisse zur See:
Durch eine Rekognoszierung wurde am 21. August früh festgestellt, daß die Insel Pelagosa von den Italienern vollständig geräumt und alle Baulichkeiten und Verteidigungsanlagen zerstört worden sind. Die Insel, die nur von den Familien der Leuchtturmwächter bewohnt war, wurde in der Nacht auf den 11. Juli von den Italienern "erobert" und dann mit Radiostation und Verteidigungsanlagen ausgestattet. Auch ein Unterseeboot wurde dort stationiert. Die Raids unserer Flieger und die dreimalige gründliche Beschießung durch unsere Flottille brachten dem Feinde immer schwere Verluste an Menschen und Material ein. Das Unterseeboot "Nereide" wurde vernichtet. Dies mag endlich zur Erkenntnis geführt haben, daß der strategisch-taktische Wert dieses Inselchens nicht so hoch ist, wie man bei dessen Eroberung glauben machen wollte.

Flottenkommando. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 22. August.
Das türkische Hauptquartier teilt mit:
An der Dardanellenfront versuchte der Feind am 21. d. M. nach heftigem Artilleriefeuer der Land- und Schiffsgeschütze mit mehr als einer Division einen Angriff in der Gegend von Anaforta. Wir schlugen den Angriff des Feindes vollständig zurück und fügten ihm ungeheure Verluste zu.
Im Verlauf der Schlachten vom 10., 17. und 20. August erbeuteten wir über 400 Gewehre mit Bajonetten, eine Kiste mit Bomben und eine sehr große Menge Material. Am 21. August versuchte der Feind am Nachmittag bei Ari Burun einen Angriff, der unter unserem Feuer mißglückte. Bei Sed ul Bahr nichts von Bedeutung.

 

Die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft

Die Türkei im 1. Weltkrieg: Sultan Mehmed V.

Sultan Mehmed V.

Konstantinopel, 22. August. (W. B.)
Am Sonntag nachmittag fand die wiederholt wegen des Gesundheitszustandes des Sultans verschobene Audienz des stellvertretenden Botschafters Fürsten zu Hohenlohe statt. Um 3 Uhr fuhren in langer Reihe die Galawagen mit Vorreitern und Kawassen an. Mit dem Fürsten Hohenlohe kamen Botschaftsrat Frhr. v. Neurath, Generalkonsul Mertens, Geheimrat Göpp, sämtliche Mitglieder des Dragmanats, der Vorstand der Etappe, Humann, u. a. Der Botschafter und seine Begleitung wurden sofort nach ihrer Ankunft in den Empfangssaal geleitet, wo der Sultan im Beisein der Hofwürdenträger den Fürsten erwartete. Dieser überreichte ein Beglaubigungsschreiben, während der erste Dragoman, Dr. Weber, eine Ansprache verlas. Der Botschafter erklärte, der Kaiser habe ihn beauftragt, den Ausdruck persönlicher Freundschaft und Wertschätzung zu übermitteln, sowie der Befriedigung über die völlige Genesung des Sultans, die ausgezeichneten deutsch-türkischen Beziehungen und die Waffenbrüderschaft, die nun in blutigem Kampfe besiegelt werde, auszusprechen. Der Botschafter sprach die Hoffnung aus, daß die Pläne der feindlichen Mächte auf Zertrümmerung der Zentralmächte und des osmanischen Reiches zu Schanden werden an dem Heroismus der Truppen der drei Mächte. Der Allmächtige möge die vereinten Anstrengungen mit einem endgültigen Erfolge krönen, der das Glück und das Gedeihen der Völker verbürge.
In seiner Erwiderung dankte der Sultan für die Beweise kaiserlicher Freundschaft und die Ehrung, die die Entsendung des Fürsten bedeute, sowie die Teilnahme an seinem persönlichen Befinden. Der Sultan versicherte, die Türkei werde alles tun, was in ihren Kräften stehe, der gerechten Sache des osmanischen Reiches und der Verbündeten zum Siege zu helfen. Der Allmächtige werde den endgültigen Erfolg an unsere Fahnen heften. Er schloß mit erneuten Ausdrücken aufrichtiger, dauernder Freundschaft.
Nach dem offiziellen Empfang war eine zwanglose Unterhaltung, bei welcher der Sultan liebenswürdig und heiter alle Anwesenden durch seine Frische und Lebhaftigkeit in Staunen setzte. Gegen ½ 5 Uhr fuhren Fürst Hohenlohe, Frhr. v. Neurath und Dragoman Dr. Weber beim Thronfolger Jussuf Izzeddin vor, dem der Fürst im Auftrage des Deutschen Kaisers das Eiserne Kreuz überreichte.
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Die Verluste der englischen Handelsschiffahrt

London, 22. August. (W. B.)
Der Liverpooler Verein der Privatversicherer weist seine Verluste vom 1. Januar bis zum 31. März nach. Die Gesamtverluste an Dampfern betragen 6353700 Pfund Sterling gegen 1130000 Pfund Sterling im gleichen Zeitraum 1914, der Verlust an Segelschiffen 700100 Pfund Sterling gegen 142000 Pfund Sterling. Als Kriegsverlust werben bei den Dampfern 3485900 Pfund Sterling, bei Segelschiffen 469000 Pfund Sterling angegeben. Die Verluste aus anderen Ursachen übersteigen bei den Dampfern diejenigen des Vorjahres um 150 Prozent.
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Baumwolle absolute Kriegskonterbande

Paris, 22. August.
Nach einer Meldung der Agence Havas haben die englische und die französische Regierung beschlossen, Baumwolle auf die Liste der absoluten Kriegskonterbande zu setzen.
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Das Kabinett Veniselos

Athen, 22. August. (Priv.-Tel.)
In der heutigen Audienz beim König nahm Veniselos die Bildung des Kabinetts an, nachdem noch einmal die politischen Fragen durchgesprochen waren. Heute wird die Ministerliste vorgelegt. Wahrscheinlich erfolgt die Vereidigung morgen, die Fortsetzung der Kammerarbeiten am Mittwoch.
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Der 1. Weltkrieg im August 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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