Die
neue deutsche Denkschrift an Amerika
Berlin,
10. März.
Der Kaiserliche Botschafter in Washington hat im Auftrage der
Kaiserlich Deutschen Regierung dem Staatssekretär der Vereinigten
Staaten eine Mitteilung gemacht, in der es einleitend heißt:
"Die Kaiserliche Regierung legt Wert darauf, die bisherige Entwicklung
noch einmal mit all der Offenheit zu präzisieren, die den freundschaftlichen
Beziehungen der beiden großen
Völker und dem ehrlichen Wunsch der Kaiserlichen Regierung, diese
vor allen Trübungen zu bewahren, entspricht."
Die Mitteilung gibt dann einen kritischen Rückblick auf die Entwicklung
des U-Boot-Kriegs und die Verträge mit Amerika und sagt im Anschluß
daran:
"Der Grundsatz der amerikanischen Regierung, ihre Bürger von
feindlichen Handelsschiffen nicht fern zu halten, wurde von England und
seinen Alliierten dazu benutzt, Handelsschiffe für den Angriff zu
bewaffnen. So können nämlich Kauffahrteischiffe die U-Boote
leicht zerstören und sich im Falle des Mißglückens ihres
Angriffs durch die Anwesenheit amerikanischer Bürger an Bord gesichert
glauben.
Der Befehl des Waffengebrauchs wurde ergänzt durch die Weisung an
die Führer der Handelsschiffe, falsche Flaggen zu führen und
die U-Boote zu rammen; die Nachrichten über ausgezahlte Prämien
und Verleihung von Ehrenzeichen an erfolgreiche Handelsschiffsführer
zeigen die Wirkung dieser Befehle. Diesem englischen Vorgehen haben sich
die Verbündeten angeschlossen.
Jetzt steht Deutschland vor der Tatsache:
a, daß eine völkerrechtswidrige Blockade (vgl. amerikanische
Note an England vom 5. November 1915) seit einem Jahre den neutralen Handel
den deutschen Häfen fernhält und Deutschlands Ausfuhr unmöglich
macht,
b) daß völkerrechtswidrige Verschärfungen der Konterbande-Bestimmungen
(siehe amerikanische Note an England vom 5. November 1915) seit eineinhalb
Jahren den für Deutschland in Frage kommenden Seeverkehr der neutralen
Nachbarländer verhindern,
c) daß völkerrechtswidrige Eingriffe in die Post (stehe amerikanisches
Memorandum an England vom 10. Januar 1916) jede Verbindung Deutschlands
mit dem Ausland zu verhindern streben,
d) die systematisch gesteigerte Vergewaltigung der Neutralen nach dem
Grundsatz "Macht über Recht" den Verkehr mit Deutschland
über die Landgrenzen unterbindet, um die Hungerblockade der friedlichen
Bevölkerung der Zentralmächte zu vervollständigen,
e) daß Deutsche, die von unseren Feinden auf See angetroffen werden,
ohne Rücksicht darauf, ob Kämpfer oder Nichtkämpfer, der
Freiheit beraubt werden,
f) daß unsere Gegner ihre Handelsschiffe für den Angriff bewaffnet
und dadurch die Verwendung des U-Bootes nach den Grundsätzen der
Londoner Deklaration unmöglich gemacht haben (stehe deutsche Denkschrift
vom 8. Februar 1916).
Das englische Weißbuch vom 5. Januar 1916 über die Unterbindung
des deutschen Handels rühmt, daß durch diese Maßnahme
Deutschlands Ausfuhrhandel fast völlig unterbunden, seine Einfuhr
vom Belieben Englands abhängig gemacht ist.
Die Kaiserliche Regierung darf hoffen, daß gemäß den
freundschaftlichen Beziehungen, die in einer hundertjährigen Vergangenheit
zwischen den beiden Völkern bestanden haben, der hier dargelegte
Standpunkt trotz der durch das Vorgehen unserer Feinde erschwerten Verständigung
zwischen beiden Völkern von dem Volk der Vereinigten Staaten gewürdigt
werden wird. 1) |