Der
Reichskanzler über den U-Boot-Krieg
v.
Bethmann Hollweg
Berlin,
27. Februar.
Bei der Etatberatung im Reichstage hielt der Reichskanzler v.
Bethmann Hollweg eine Rede, bei der er unter anderem sagte:
Mitten in diesem aufs höchste gesteigerten Kampfe um Leben und Zukunft
unseres Reiches gibt es nur eine Forderung des Tages, die alle politischen
Fragen, äußere wie innere, beherrscht: Kämpfen und Siegen!
(Bravo!) Dem Kriege ein Ende machen durch einen dauerhaften Frieden, der uns Entschädigung gewährt für alle erlittene
Unbill, und der einem starken Deutschland Dasein und Zukunft sichert.
(Lebhaftes Bravo!) Das ist unser Ziel. Nicht weniger und nicht mehr. Wie
um die Kriegsziele, so gehen auch über die Gestaltung unserer inneren
politischen Verhältnisse die Meinungen hin und her. Neuorientierung?
Als ob es in unserem Belieben stände, ob wir uns neuorientieren wollen
oder nicht! Nein, meine Herren, die neue Zeit mit einem erneuerten Volk
ist da (Sehr richtig!), der gewaltige Krieg hat sie geschaffen. (Sehr
gut!) Ein Geschlecht, das in so ungeheurem Erlebnis bis in die innersten
Fasern seiner Empfindung erschüttert worden ist, ein Volk, von dem
ein ergreifendes Wort eines feldgrauen Dichters sagen konnte, daß
sein ärmster Sohn auch sein getreuester war (Bravo!), eine Nation,
die es tausendfältig jeden Tag erfahren hat, daß nur gesamte
Kraft die äußere Gefahr bestehen und überwinden konnte
- meine Herren, das sind lebende Kräfte, die sich von keinem Parteiprogramm
von rechts oder links einzwängen oder aus ihrer Bahn werfen lassen.
(Sehr richtig!) Überall, wo politische Rechte neu zu ordnen sein
werden, da handelt es sich nicht darum, das Volk zu belohnen für
das, was es getan hat (Sehr richtig!) - diese Vorstellung ist mir immer
als entwürdigend erschienen (Lebhafte Zustimmung) - , sondern allem
darum, den richtigen politischen und staatlichen Ausdruck für das
zu finden, was dieses Volk ist. (Sehr wahr!) Die Briand, Lloyd George
usw. wollen die Welt glauben machen, daß ihr Ziel sei, Deutschland
vom preußischen Militarismus zu befreien und dem deutschen Volke
demokratische Freiheiten zu schenken. Nun, wo wir zu befreien sind, da
werden wir es selbst besorgen. (Sehr richtig!) Und was den Militarismus
anlangt, so wissen wir alle - vor dem Kriege hat es selbst Herr Lloyd
George gewußt - , daß uns unsere geographische Lage immer
an das Wort Friedrichs des Großen gemahnt. Toujous en vendette.
Wirksamer als in Einrichtungen, die aus festem monarchischen Boden ruhen,
kann die Wacht nicht ausgeübt werden. Durch nichts wirksamer als
durch eine Monarchie, die ihre Wurzel im Volke, in seinen breiten Schichten
hat und aus diesem nie versiegenden Lebensquell, aus der Liebe des freien
Mannes ihre Kraft schöpft. Und nichts anderes ist Sinn und Wesen
des deutschen Kaisergedankens wie das preußischen Königtums.
(Bravo!)
Der Reichskanzler sagte weiter: Meine letzte Rede vor dem versammelten
Reichstag am 12. Dezember 1916 galt dem Vorschlage Deutschlands und seiner
Verbündeten, in Friedensverhandlungen einzutreten. Bei den Feinden
aber war die verbissene Kriegsleidenschaft ihrer Machthaber stärker
als der Schrei der Völker nach dem Frieden. Ihre Antwort war gröber
und vermessener, als sie irgendein Vernünftiger bei uns und in neutralen
Ländern denken konnte. Unsere Bündnisse und Fronten stehen fester,
und das deutsche Volk ist einiger und standhafter als je. (Bravo!) Auf
unsere Gegner allein fällt die furchtbare Schuld an dem weiteren
Blutvergießen und der Fluch der leidenden Menschheit zurück.
Über die Seesperre, m. H., die wir im Verein mit Österreich-Ungarn
um England, Frankreich und Italien gelegt haben, habe ich am 3. Januar
vor Ihrem Hauptausschuß gesprochen. Wir verkennen durchaus nicht
die großen Schwierigkeiten, in die die neutrale Schiffahrt geraten
ist, und suchen sie nach Möglichkeit zu lindern. Aber wir wissen
auch, daß alle diese Schwierigkeiten letzten Endes doch nur durch
Englands brutale Seetyrannei verursacht sind. (Sehr richtig!) Diese Knechtung
des gesamten nichtenglischen Handels wollen und werden wir brechen. (Bravo!)
Ich bin gewiß, daß einmal der Zeitpunkt kommen wird, wo uns
die Neutralen selbst für diese Festigkeit danken werden. Denn die
Freiheit der Meere, die wir erkämpfen, kommt ja auch ihnen zugute.
Einen Schritt weiter als die europäischen Neutralen sind bekanntlich
die Vereinigten Staaten von Amerika gegangen. Präsident Wilson hat
nach Empfang unserer Note vom 31. Januar die Beziehungen zu uns schroff
abgebrochen. Eine authentische Mitteilung über die Gründe, die
er seinem Schritte gibt, ist mir nicht zugegangen. (Hört, hört!)
Nach Reuter soll der Präsident gesagt haben, unsere Note vom 31.
Januar habe plötzlich und ohne vorherige Andeutung vorsätzlich
die in der Note vom 4. Mai 1916 gegebenen feierlichen Versprechungen zurückgezogen.
Sollte diese Argumentation authentisch sein, so muß ich entschieden
Widerspruch gegen sie erheben. Am 27. August 1913 während der mexikanischen
Wirren hatte der Präsident Wilson in einer feierlichen Botschaft
an den Kongreß erklärt, er glaube, den besten völkerrechtlichen
Gepflogenheiten bezüglich der Neutralität zu folgen, wenn er
die Lieferung von Waffen und Kriegsmaterial an beide sich bekriegenden
mexikanischen Parteien verböte. (Hört, hört!) Ein Jahr
später, 1914, wurden diese Gepflogenheiten ersichtlich nicht mehr
für gut gehalten. Ungezähltes Kriegsmaterial hat Amerika der
Entente geliefert. Und während man eifersüchtig über das
Recht des amerikanischen Bürgers wachte, ungehindert und frei nach
den Ländern der Entente zu reisen und frei mit Frankreich und England
jeglichen Handel zu treiben, schien das gleiche Recht des amerikanischen
Bürgers den Mittelmächten gegenüber nicht ebenso vollgültig
und schützenswert zu sein. (Sehr wahr!) Man protestierte zwar gegen
einzelne völkerrechtswidrige Maßnahmen Englands, aber man fügte
sich.
Ich bitte Sie, meine Herren, sich des Schlusses unserer Note vom 1. Mai
1916 zu erinnern, in der wir zusagten, bei Führung des U-Boot-Krieges
die Formen des Kreuzerkrieges zu beachten." Der Reichskanzler verlas
die Schlußworte dieser Note, in denen es heißt: "Die
deutsche Regierung zweifelt nicht daran, daß die Regierung der Vereinigten
Staaten bei der großbritannischen Regierung die alsbaldige Beobachtung
derjenigen völkerrechtlichen Normen mit allem Nachdruck verlangen
und durchsetzen wird, die vor dem Kriege allgemein anerkannt waren, und
die insbesondere in den Noten der amerikanischen Regierung an die britische
Regierung vom 28. Dezember 1914 und vom 5. November 1915 dargelegt sind.
Sollten die Schritte der Vereinigten Staaten nicht zu dem gewünschten
Erfolge führen, den Gesetzen der Menschlichkeit bei allen kriegführenden
Nationen Geltung zu verschaffen, so würde die deutsche Regierung
sich einer neuen Sachlage gegenübersehen (Hört, hört!),
für die sie sich volle Freiheit der Entschließung vorbehalten
muß."
Dann fuhr der Reichskanzler fort: "Daß die Voraussetzung, an
die wir die Wiedererlangung voller Freiheit unserer Entschließungen
geknüpft hatten, längst eingetreten war, daran konnte und kann
wohl auch in Amerika kein Mensch zweifeln. Aber die Sache greift doch
weit über das fremde formale Gebiet hinaus. Unmöglich kann ich
eine Ehren- und Lebensfrage des amerikanischen Volkes darin sehen, einseitig
und nur gegen uns das Völkerrecht zu schirmen. Warum kamen bei den
Engländern keine amerikanischen Menschenleben in Gefahr? Doch nur,
weil sich die neutralen Länder und namentlich Amerika den englischen
Anordnungen freiwillig fügten. Was wäre geschehen, wenn die
Amerikaner auf den unbehinderten Passagier- und Güterverkehr mit
Bremen und Hamburg denselben Wert gelegt hätten wie auf den mit Liverpool
und London? Wir beklagen den Bruch mit einem Volke, das durch seine Geschichte
dazu bestimmt erschien, mit uns - nicht gegen uns - für gemeine Ideale
einzutreten. Nachdem aber unser ehrlicher Friedenswille nur dem Kriegshohn
der Gegner begegnet ist, gibt es für uns kein "Zurück"
mehr, sondern nur ein "Vorwärts". (Bravo!)
Ich wiederhole, meine Herren, und gegenüber der Verhetzungskampagne,
die England in der Welt gegen uns führt, unterstreiche ich es: unser
jetziger U-Boot-Krieg ist eine Erwiderung auf die Hungerblockade (Sehr
richtig!), die England seit Anfang des Krieges
gegen uns ausübt.
Das Rezept war für England ja nicht neu. Ich erinnere Sie, meine
Herren, an die berüchtigten Konzentrationslager, in die England die
Frauen und Kinder der tapferen Burenkämpfer schleppte und dort der
unmenschlichsten Behandlung aussetzte mit dem ausgesprochenen Zweck, durch
ihre Leiden die Widerstandskraft der im Felde stehenden Männer zu
mindern. Wie im englischen Parlament zugegeben wurde, hatte diese Maßnahme,
die für immer einen Schandfleck auf dem
englischen Namen bilden wird, allerdings die umgekehrte Wirkung. Was England
damals im kleinen ausübte, das wollte es im gegenwärtigen Kriege Deutschland
gegenüber in großem Maßstabe in Anwendung bringen.
Meine Herren, England ist es gewesen, das so von Anfang an aus diesem
Kriege nicht einen Krieg von Heer zu Heer, sondern einen Krieg von Volk
zu Volk gemacht hat. (Sehr wahr!) Und nachdem es das getan, nachdem seine
Machthaber unserer Friedensbotschaft nur Hohn und Spott entgegengesetzt
haben, blieb dem deutschen Verteidigungswillen nichts anderes übrig
als das Goethische Wort: Auf einen groben Klotz gehört ein grober
Keil. Einstweilen kann ich erklären, daß schon die bisherigen
Erfolge des U-Boot-Krieges die Erwartungen unserer Marine weit übertreffen.
Nimmt man alles zusammen, so zeigen die Zahlen, die wir bisher in der
Presse veröffentlicht haben, und die nur einen Teil der vorgenommenen
Versenkungen umfassen, daß wir mit den erzielten Ergebnissen mehr
als zufrieden sein können. Dank der unvergleichlichen Bravour unserer
U-Boote (Bravo!) haben wir die volle Berechtigung, der weiteren Entwicklung,
die sich steigern wird, mit vollster Gewißheit entgegenzusehen.
(Lebhaftes Bravo!) Ein harter Winter liegt hinter uns, hart namentlich
für die ärmere Bevölkerung. Das Heldentum unserer Frauen
und Kinder, der Geist der Vaterlandsliebe, der sich so unbeugsam bewährt,
hat den englischen Aushungerungsplan schon jetzt zuschanden gemacht. (Beifall.)
Meine Herren! Seit meiner letzten Rede hat sich die militärische
Lage kaum verändert. Überall sind unsere Fronten verstärkt,
und unsere tapferen Soldaten blicken vertrauensvoll auf ihre steggewohnten
Führer. In zorniger Entschlossenheit, gestärkt durch die höhnische
Ablehnung unserer Friedensbereitschaft, an den Landfronten für alles
bereit durch das Genie unserer Obersten Heeresleitung (Bravo!) und die
unerschütterliche Tapferkeit unserer Truppen, auch an der Wasserfront,
siegreich und für den Unterseekrieg vielmal mehr gerüstet als
vor einem Jahre, sehen wir mit voller Zuversicht den nächsten Monaten
entgegen. Das Heer vor dem Feind und das in der Heimat beseelt gemeinsam
der unbeugsame Wille, der es nicht dulden wird, daß unser Vaterland
in Schmach gerät und der Freiheit entsagen muß. Dieser Wille,
in Not und Tod tausendfältig bewahrt und erhärtet, macht uns
unüberwindlich. Er bringt uns den Sieg." (Lebhaftes Bravo und
Händeklatschen.) 1) |