Der Weltkrieg am 13. Januar 1918

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Artillerietätigkeit an der Westfront und in Italien

Großes Hauptquartier, 13. Januar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht:
Östlich und nordöstlich von Armentieres sowie in der Gegend von Lens war die englische Artillerietätigkeit tagsüber rege; auch in den anderen Abschnitten lebte sie vorübergehend auf.
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz:
An vielen Stellen der Front Artilleriekampf. Stärkere französische Abteilungen, die nördlich von Reims, in der Champagne und nordöstlich von Avocourt zur Erkundung vorstießen, wurden im Nahkampf zurückgeworfen.
Südwestlich von Ornes brachte ein eigenes Unternehmen Gefangene ein.
Heeresgruppe Herzog Albrecht:
Auf den östlichen Maashöhen und in den mittleren Vogesen zeitweilig erhöhte Feuertätigkeit.
In zahlreichen Luftkämpfen wurden gestern 6 feindliche Flugzeuge und 3 Fesselballone abgeschossen.
Östlicher Kriegsschauplatz: 
Nichts Neues. 
Mazedonische und italienische Front: 
Die Lage ist unverändert.

Der Erste Generalquartiermeister
   Ludendorff.
1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Wien, 13. Januar.
Beiderseits der Brenta nahm das Artilleriefeuer vorübergehend an Stärke zu.

Der Chef des Generalstabes.

 

Debatte über Räumung und Selbstbestimmungsrecht in Brest-Litowsk

Scharfe Erklärung des Generals Hoffmann


General Hoffmann

Brest-Litowsk, 13. Januar.
Die am 11. d. M. konstituierte deutsch-österreichisch-ungarisch-russische Kommission zur Beratung der territorialen Fragen hielt am 11. und 12. d. M. drei lange Sitzungen ab.
Es gelangte u. a. nach längerer Debatte die Frage zur Erörterung, auf welche Teile der besetzten Gebiete sich die Räumung zu erstrecken habe.
Das Ergebnis der beiderseitigen Ausführungen über diesen Punkt wurde vom Staatssekretär v. Kühlmann folgendermaßen zusammengefaßt: Herr Trotzki hat vorgeschlagen: Errichtung von Vertretungskörpern, denen die Organisation und die Festsetzung derjenigen Modalitäten übertragen werden soll, unter denen von uns einstweilen rein theoretisch konzedierte Volksabstimmungen oder Volkskundgebungen auf breiterer Basis erfolgen sollen, während wir auf dem Standpunkt stehen und stehen bleiben müssen, daß mangels anderer Vertretungskörper die vorhandenen und historisch gewordenen Vertretungskörper präsumtiv der Ausdruck des Volkswillens sind, besonders in der einen vitalen Frage des Willens der Nation, eine Nation zu sein.
Zusammenfassend stellte Staatssekretär v. Kühlmann fest, daß sich aus den Ausführungen Herrn Trotzkis zu ergeben scheine, er wäre bereit, die in den besetzten Gebieten vorhandenen Organe der Volksvertretung als provisorische Organe anzuerkennen, wenn diese Landteile nicht militärisch besetzt wären, und er würde diesen dann auch die Befugnis zuerkennen, das von ihm geforderte Referendum durchzuführen.
Herr Trotzki erklärte hierauf, daß Äußerungen von Landtagen, Stellvertretungen und dergleichen als Äußerungen des Willens eines bestimmten, einflußreichen Teiles der Bevölkerung aufgefaßt werden könnten, die aber nur Grund zur Annahme bildeten, daß das betreffende Volk mit seiner staatlichen Position unzufrieden sei. Hieraus ergebe sich die Schlußfolgerung, daß ein Referendum eingeholt werden müsse, wozu aber die Schaffung eines Organs Vorbedingung sei, das die freie Abstimmung der Bevölkerung garantieren könne.
Nach längerer Debatte unterbreitete der russische Delegierte Kamenow folgende Vorschläge:
ad 1. Das Territorium. Das Selbstbestimmungsrecht steht den Nationen und nicht ihren Teilen zu, die okkupiert worden sind, dementsprechend gibt die russische Regierung aus eigener Initiative das Recht der gleichzeitigen Selbstbestimmung auch den Teilen der genannten Nationen, die außerhalb der Besetzungszone leben. Rußland verpflichtet sich, diese Gebiete weder direkt noch indirekt zur Annahme dieser oder der anderen Staatsform zu nötigen, ihre Selbständigkeit durch keine Zoll- oder Militärkonventionen zu beengen, die vor der endgültigen Konstituierung dieser Gebiete auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes dieser Nationen geschlossen würden.
Die Regierungen Deutschlands und Österreich-Ungarns bestätigen ihrerseits kategorisch das Fehlen irgendwelcher Ansprüche sowohl auf die Einverleibung in das Territorium Deutschlands und Österreich-Ungarns, der Gebiete des früheren russischen Kaiserreichs, die jetzt von den Heeren Deutschlands oder Österreich-Ungarns okkupiert worden sind, wie auf die sogenannten Grenzkorrekturen auf Kosten dieser Gebiete.
Gleichzeitig verpflichten sie sich, diese Gebiete nicht, weder direkt noch indirekt, zur Annahme dieser oder jener Staatsform zu nötigen, ihre Unabhängigkeit nicht durch irgendwelche Zoll- oder Militärkonventionen zu beengen, die geschlossen würden vor der endgültigen Konstituierung dieser Gebiete auf Grund des politischen Selbstbestimmungsrechtes der sie bevölkernden Nationen.
ad2. Die Lösung der Frage über die Geschicke der sich selbst bestimmenden Gebiete muß unter der Bedingung der vollen politischen Freiheit und des Fehlens jedes äußeren Druckes stattfinden, deshalb soll die Abstimmung nach Rücknahme der fremden Heere und Rückkehr der Flüchtlinge und der vom Anfang des Krieges evakuierten Bevölkerung stattfinden.
Der Zeitpunkt der Zurückziehung der Heere wird durch eine besondere Kommission bestimmt.
ad 3. Vom Moment der Unterzeichnung des Friedens bis zur endgültigen staatlichen Konstituierung der genannten Gebiete geht ihre innere Verwaltung, die Leitung der lokalen Angelegenheiten, Finanzen usw. in die Hände eines temporären Organes über, das durch Verständigung der politischen Parteien, die ihre Lebensfähigkeit inmitten ihres Volkes vor und während des Krieges bewiesen haben, gebildet wird.
ad 4. Die endgültige Lösung der Frage von der Staatslage der Gebiete, um die es sich handelt, und von der Form ihrer Staatseinrichtung wird durch das allgemeine Referendum erfolgen.
Hierauf erbat General Hoffmann das Wort und führte aus:
"Ich muß zunächst gegen den Ton dieser Vorschläge protestieren.
Die russische Delegation spricht mit uns, als ob Sie siegreich in unserem Lande ständen und uns Bedingungen diktieren könnte. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Tatsachen entgegengesetzt sind, - das siegreiche deutsche Heer steht in Ihrem Gebiet!
Ich möchte dann feststellen, daß die russische Delegation für die besetzten Gebiete die Anwendung eines Selbstbestimmungsrechts der Völker in einer Weise und in einem Umfange fordert, wie es ihre Regierung im eigenen Lande nicht anwendet.
Ihre Regierung ist begründet lediglich auf Macht, und zwar auf Macht, die rücksichtslos
mit Gewalt jeden Andersdenkenden unterdrückt. Jeder Andersdenkende wird einfach als Gegenrevolutionär und Bourgeois vogelfrei erklärt. Ich will diese meine Ansicht nur an zwei Beispielen erhärten.
In der Nacht vom 30. zum 31. Dezember wurde der erste weißrussische Kongreß in Minsk, der das Selbstbestimmungsrecht des weißrussischen Volkes geltend machen wollte, von den Maximalisten durch Bajonette und Maschinengewehre auseinandergejagt.
Als die Ukrainer das Selbstbestimmungsrecht geltend machten, stellte die Petersburger Regierung ein Ultimatum und versuchte, die Erzwingung ihres Willens mit Waffengewalt durchzusetzen.
Soviel aus den mir vorliegenden Funksprüchen hervorgeht, ist der Bürgerkrieg noch im Gange.
So stellt sich die Anwendung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker durch die maximalistische Regierung in der Praxis dar.
Die deutsche Oberste Heeresleitung muß deshalb eine Einmischung in die Regelung der Angelegenheiten der besetzten Gebiete ablehnen.
Für uns haben die Völker der besetzten Gebiete ihrem Wunsch der Lostrennung von Rußland bereits klar und unzweideutig Ausdruck gegeben.
Von den wichtigsten Beschlüssen der Bevölkerung möchte ich folgende hervorheben:
Am 21. 9. 1917 erbat die kurländische Landesversammlung, die sich ausdrücklich als Vertreterin der Gesamtbevölkerung Kurlands bezeichnete, den Schutz des Deutschen Reiches.
Am 11. 12. 1917 proklamierte der litauische Landesrat, der von den Litauern des In- und Auslandes als einzig bevollmächtigte Vertretung des litauischen Volkes anerkannt ist, den Wunsch der Abtrennung von allen staatlichen Verbindungen, die bisher mit anderen Völkern bestanden haben.
Am 27. Dezember sprach die Stadtverordnetenversammlung in Riga eine ähnliche Bitte an das Deutsche Reich aus. Diesem Antrage haben sich die Rigaer Kaufmannskammer, die Große Gilde, die Vertreter der Landesbevölkerung sowie 70 Rigaer Vereine angeschlossen.
Schließlich haben im Dezember 1917 auch die Vertreter der Ritterschaft der ländlichen, städtischen und kirchlichen Gemeinden auf Oesel, Dagö und Moon in verschiedenen Erklärungen sich von ihren bisherigen Beziehungen losgelöst.
Auch aus verwaltungstechnischen Gründen muß die deutsche Heeresleitung eine Räumung Kurlands, Litauens, Rigas und der Inseln im Rigaischen Meerbusen ablehnen.
Alle diese Gegenden besitzen keine Verwaltungsorgane, keine Organe der Rechtspflege, keine Organe des Rechtsschutzes, keine Eisenbahnen, keine Telegraphen, keine Post. Alles dies ist deutscher Besitz und in deutschem Betriebe. Auch zur Errichtung eines eigenen Volksheeres oder einer Miliz sind die Länder mangels geeigneter Organe in absehbarer Zeit nicht in der Lage."
Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wurde die Sitzung aufgehoben.
Eine neue Sitzung zur Fortsetzung der Beratungen ist noch nicht anberaumt worden.
1)

 

Der 1. Weltkrieg im Januar 1918

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 7
Nationaler Verlag, Berlin (1918)

 

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