Der deutsche Vormarsch im Osten
Berlin, 22. Februar.
Der deutsche Vormarsch im Osten begann am 19. Februar, 4 Uhr vormittags bei schönem klaren Frostwetter. Der Feind leistete nach Abgabe einiger Schüsse keinen Widerstand. Die russische 12. Armee, nur noch aus aufgelösten Scharen bestehend, hatte bereits am 18. Februar den Rückzug angetreten. Größtenteils waren die Truppen neuerdings von Roter Garde abgelöst, die nicht zum Kampf, sondern zur Verwaltung des Landes, d. h. zum Plündern und Brandschatzen bestimmt war. Wie gründlich die Elitetruppe der Bolschewisten das besorgt hat, berichtete ein am 19. abends bei den deutschen Linien eingetroffener russischer Offizier aus Dorpat, der aus dem Lazarett heraus als Balte verhaftet werden sollte, obwohl er als Soldat für Rußland im Felde seine Pflicht treu erfüllt hatte.
In Dorpat herrscht das Schreckensregiment der Roten Garde. Fortwährende Verhaftungen werden vorgenommen. In Fellin wurde eine alte Stiftsdame im Rollstuhl arretiert. In Reval, wo alle Deutsch-Balten gefangengesetzt sind, wurden alte Männer durch Mißhandlungen und Schläge getötet. In Narwa wurden 10 Deutsch-Balten ermordet.
Besonders grauenhaft hausen die Bolschewiki-Truppen auf dem Lande, wo sie auch die meisten deutsch-baltischen Frauen verhafteten und grausam behandelten. Die Rote Garde geht auf offiziellen Befehl aus Reval in dieser bestialischen Weise vor. Die deutsche Bevölkerung steht vor der Vernichtung. Auch die Esten, Letten und Juden leiden entsetzlich unter den Maßnahmen der entmenschten Haufen. Die ganze Bevölkerung ohne Unterschied der Nationalität ist von unsäglicher Wut gegen die Maximalsten erfaßt und erwartet sehnsüchtig den deutschen Vormarsch zur Befreiung aus der katastrophalen Lage. Selbst ein russischer General erklärte vor einigen Tagen einem deutschen Offizier, im Falle eines deutschen Vormarsches würde er mit seiner ganzen Division, die allerdings nur noch aus einem kleinen Häuflein ohne Geschütze bestehe, zu den Deutschen übergehen.
Der Vormarsch der 8. Armee dehnte sich bereits am ersten Tage auf 75 Kilometer Frontbreite aus und vollzog sich völlig planmäßig. Die Truppe, vom Wunsche beseelt, dem leidenden Lande schnellstens Hilfe zu bringen und
Tausenden von vergewaltigten Menschen Leben und Freiheit zu retten, kennt keine Müdigkeit. Die Rigaer Einwohnerschaft gab ihnen heiße Segenswünsche für ihre Stammesgenossen in ganz Livland und Estland mit, die man in größter Gefahr und völliger Verzweiflung weiß. Der systematisch streifenweise erfolgende deutsche Vormarsch wird nach allgemeiner Ansicht der Bevölkerung von Riga und ganz Kurland in den befreiten Gegenden ein unbeschreibliches Aufatmen hervorrufen und die endliche Erfüllung des lange gehegten dringenden Wunsches in letzter Stunde bringen.
Bei klarem Frostwetter und strahlendem Sonnenschein vollzieht sich der deutsche Vormarsch auf festgefrorenen Straßen in die Ukraine hinein. Am 21. war die Linie Luninier-Rowno überschritten und damit die wichtige transversale Bahnverbindung Baranowitschi-Rowno in deutschen Händen. Bolschewistische Banden leisten nur geringen Widerstand.
Die Vorräte, die allerorten aufgefunden und damit vor der Zerstörung durch die bolschewistischen Banden geborgen werden, übersteigen den Erwartungen. Außer reichem Kriegsgerät. Geschützen, Maschinengewehren, Flugzeugen und Automobilen fiel den Deutschen vor allem erhebliches rollendes Material in die Hände. In Zdoldunowo, südlich von Rowno, wurden allein 50 Lokomotiven und mehrere 100 Waggons vorgefunden. Die besetzten Bahnen sind bereits in Betrieb genommen. An der noch fehlenden Strecke zwischen der deutschen und russischen Bahnlinie, zwischen den Orten Holoby und Perespa, wird fieberhaft gearbeitet. Die große Landstraße nach Luck ist bereits über die trennenden Schützengräben hinweg fertiggestellt. Im Raume von Kowel wird der Grundstock zu einer nationalen ukrainischen Armee gelegt. Die erste ukrainische Division, deren Führer, Stabsoffiziere und Mannschaften aus ehemaligen Kriegsgefangenen bestehen, ist bereits in der Bildung begriffen. Offiziere und Mannschaften, in die historische Uniform der ehemaligen ukrainischen Kosaken gekleidet, lange blaue Röcke und weißgraue Pelzmützen, machen den besten Eindruck; Stimmung und Aussehen der Leute, die unmittelbar aus den deutschen Gefangenenlagern kommen, sind das beste Zeugnis für die Behandlung der Kriegsgefangenen in Deutschland.
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