Veröffentlicht
durch Wolffs Telegraphisches Bureau
am 1. Juli 1915.
Aus
der Linie Chatas-Saales vorbrechend, hatten unsere Truppen Mitte September
vorigen Jahres das Vordringen der Franzosen bei Senones, Ménil
und Ban de Sapt zum Stehen gebracht. In dieser Linie verwehrten unsere
tapferen Bayern zusammen mit ihren preußischen und badischen Kameraden
seither dem Feinde jedes Vordringen. Indessen hatte im September unsere
Kraft nicht ausgereicht, auch die beherrschende Höhe von Ban de Sapt
den Franzosen zu entreißen. Seitdem bildete sie den Brennpunkt der
Kämpfe auf dieser Front.
Die Franzosen verstärkten ihre Anlagen oben auf dem Berge immer mehr
und machten aus ihm nach und nach eine regelrechte Festung. Von dort aus
hielten sie das Gelände bis weit hinter unsere Stellungen dauernd
unter Infanterie- und Maschinengewehrfeuer, so daß wir unsere vorderen
Linien nur durch Laufgräben oder bei Nacht erreichen konnten. Wir
lagen unten auf dem halben Hange des Berges, entschlossen, nicht einen
Schritt breit zurückzuweichen, sondern, sobald die Kräfte reichten,
die Höhe in unseren Besitz zu bringen. So entspann sich ein zäher
Kampf, der seit Ende des Jahres 1914 ein Stück der französischen
Stellung nach dem anderen in unseren Besitz brachte. Alle Mittel des Nahkampfes
kamen zur Anwendung. Man bekämpfte sich Tag und Nacht über und
unter der Erde. Vielfach lagen die Schützengräben auf 20 Meter
und weniger einander gegenüber. Ungewöhnlich starke Drahthindernisse,
bis zu 1½ Meter Höhe, umgaben die Bollwerke der Franzosen,
und trennten so Freund und Feind. Nur durch ein Gewirr von Gräben
der nach und nach vorgetriebenen Infanteriestellungen konnte man unsere
vorderen Linien erreichen. Ihrer Eigenart entsprechend hatten hier die
unermüdlichen Bayern fast jedem Graben und jedem Waldstück Namen
nach einem der ihnen liebgewordenen Führer gegeben. Einen französischen
Stützpunkt, in dem eingebaut und wohlverborgen hinter Sandsäcken
französische Scharfschützen auf der Lauer lagen, um jeden, der
sich unvorsichtig zeigte, abzuschießen, hatten sie "Sepp"
getauft. Ihm gegenüber stand der bayerische "Antisepp "
mit seiner das Ziel nicht verfehlenden Büchse auf der Lauer.
Endlich war die Angriffsarbeit so weit gediehen, daß dem Feinde
die Höhe endgültig entrissen werden konnte. Lange und eingehende
Vorbereitungen waren dazu erforderlich gewesen. Der Feind sollte überrascht
werden. Unbedingte Geheimhaltung und genaues Zusammenwirken von Artillerie
und Infanterie waren Vorbedingung für ein glückliches Gelingen
des beabsichtigten Planes. Der Erfolg war glänzend. Am 22. Juni 1915,
Punkt 3 Uhr nachmittags, nach vorher genau gestellten Uhren, wurde die
Höhe von Ban de Sapt und das dahinterliegende Dorf Fontenelle , in
dem die französischen Reserven vermutet wurden, planmäßig
unter Feuer genommen. Gleichzeitig erhob die "ultima ratio regis"
vom leichten Feldgeschütz bis zum schweren Mörser ihre eherne
Stimme, um die verderbenbringenden Geschosse in die feindlichen Stellungen
zu schicken. Preußische, bayerische, sächsische und badische
Artillerie arbeiteten Seite an Seite. Ein schauerlich schöner Anblick
bot sich hier dem Beobachter. Bald sah man eine schwarze Rauchsäule
haushoch emporsteigen, bald wirbelten die einschlagenden Geschosse braune
Erdwolken, untermischt mit Balken und Brettern, durch die Luft; zeitweise
war der ganze Berg in Rauch und Staub gehüllt. Kein lebendes Wesen
war zu erkennen.
Den Franzosen war der Angriff derart überraschend gekommen, daß
es über eine halbe Stunde dauerte, bis ihre Artillerie das Feuer
eröffnete. Wie später ihre Gefangenen aussagten, ist alles bei
Beginn des Feuers in die Unterstände geflüchtet. Jede Befehlserteilung
und Übermittlung hatte aufgehört. Die Überraschung bei
der feindlichen Artillerie war derart, daß sie planlos im Gelände
herumstreute und nach unseren aus allen Richtungen dröhnenden Feuerschlünden
vergeblich tastete. So währte ein heftiger Artilleriekampf 3½
Stunden lang. Punkt 6 Uhr 30 Minuten war der Sturm befohlen. In unaufhaltsamem
Vorwärts stürmten die tapferen bayerischen Reservetruppen, unterstützt
durch preußische Infanterie und Jäger, vor, preußische
und bayerische Pioniere und einzelne auf nächste Entfernung herangezogene
Geschütze bahnten ihnen den Weg, wo es noch nötig war. Sobald
der Feind sich von der Wirkung unseres Artilleriefeuers erholt hatte,
leistete er zähen Widerstand mit Handgranaten, Gewehr und Maschinengewehr.
Es half ihm nichts. Die vordersten Sturmabteilungen überrannten vier
Grabenreihen des Feindes hintereinander und richteten sich in dem eroberten
Gelände mit schneller Spatenarbeit ein, um das mit dem Blute ihrer
Kameraden getränkte Gelände zu behaupten. Die folgenden Linien
holten aus den Unterständen heraus, was noch lebendig war. Die meisten
Gefangenen waren betäubt von der Wirkung der Beschießung. Viele
Franzosen lagen unter den Trümmern der zerschmetterten Unterstände
begraben. Um 8 Uhr abends war die beherrschende Höhe von Ban de Sapt
fest in unserem Besitz. Bald darauf nahm der Feind unsere neuen Stellungen
unter lebhaftes Artilleriefeuer, das die ganze Nacht anhielt und sich
gegen Morgen zu größter Heftigkeit steigerte.
Wohl gelang es den Franzosen, die in ein von ihrem überwältigenden
Artilleriefeuer beherrschtes Grabenstück eingedrungenen wackeren
Schützen zu überraschen, aber die beherrschende Höhe selbst
blieb trotz aller Versuche des Feindes ohne Unterbrechung in ihrem vollen
Umfange fest in unsrer Hand.
Mit einem neuen Gegenangriff mußte gerechnet werden. Es war nicht
anzunehmen, daß der Feind die monatelang mit schweren Opfern gehaltene
Höhe ohne eine größere Kraftanstrengung uns überlassen
würde. Am 23. Juni, gegen 9 Uhr vormittags, setzte ein außerordentlich
heftiges Feuer von zahlreicher schwerer Artillerie gegen die neugewonnene
Stellung ein. Das Heranziehen von Verstärkungen wurde gemeldet, der
beabsichtigte Gegenangriff stand bevor. Woher er kommen mußte, war
klar, die Geschütze standen feuerbereit, um die feindlichen Linien
zu empfangen. Nach 10 Uhr versuchten dichte Schützenschwärme
aus dem Dorfe Fontenelle und dem Walde westlich der Höhe gegen unsere
Stellung vorzubrechen, wurden jedoch bereits im Anlauf derart mit Artilleriefeuer
überschüttet, daß der Angriff blutig zusammenbrach. Wer
nicht tot oder verwundet liegen blieb, flüchtete in den Wald oder
in das Dorf Fontenelle zurück. Die dort sichtbaren Reserven wurden
durch unsere mitten hineinschlagenden Granaten zersprengt. Nach diesem
mit großen Verlusten abgewiesenen Versuch hat der Feind weitere
Angriffe unterlassen. Die in dem französischen amtlichen Bericht
angegebene Eroberung von vier Maschinengewehren ist glatt erfunden. Nicht
ein einziges unserer Maschinengewehre ist verloren gegangen. Dagegen erbeuteten
wir 278 Gefangene, 2 Revolverkanonen, 4 Maschinengewehre, 7 Minenwerfer
verschiedener Größe und eine große Menge von Munition
und Kriegsmaterial allerart, das die Franzosen während langer Monate
in ihren Stellungen aufgehäuft hatten. Wahrscheinlich liegt noch
vieles andere verschüttet in den französischen Unterständen. |