Berichte
aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 9., 24. und Die
Schlacht an der Somme hatte mit den Kämpfen in der letzten November-Woche
1916 ihr Ende gefunden. In 5 Monaten eines beispiellos blutigen Ringens
hatte der Feind nicht einmal die taktischen Ziele erreicht, deren Erkämpfung
er für die ersten Tage seiner Offensive in Aussicht genommen hatte:
den Besitz der militärisch wie wirtschaftlich gleich bedeutungslosen
Provinzstädtchen Bapaume und Péronne. Die strategische Aufgabe:
die Durchbrechung der deutschen Westfront mit dem Ziele der Befreiung
Nordfrankreichs und Belgiens - Ziele, welche die feindlichen Heeresbefehle
unzweideutig als die eigentliche Aufgabe der Somme-Offensive bezeichnet
hatten - war völlig gescheitert. |
1. Den
äußersten Vorsprung, mit welchem der von uns nunmehr aufgegebene
Geländestreifen in die feindlichen Linien hineinragte, bildete das
Dorf Gommecourt. Alle Angriffe der Franzosen wie der Engländer gegen
diesen Punkt waren gescheitert, auch schon vor der Sommeschlacht. Bei
Beginn der letzteren hatte der Gegner nach der bekannten einwöchigen
Artillerievorbereitung am 1. Juli 1916 das Dorf mit starken Kräften
angegriffen, war aber nur an einigen Stellen in die Gräben eingedrungen
und schon am Abend desselben Tages nach Verlust von einigen Gefangenen
und sehr vielen Toten wieder hinausgeworfen worden. Seitdem hatte nur
noch die Artillerie, diese aber sehr stark, im Laufe der 8 Monate seit
Beginn der Schlacht auf den Ort gewirkt und ihn völlig zusammengeschossen;
auch das prächtige Schloß mit seinem wundervollen alten Park
war, wie so viele andere im Sommegebiet, durch französisches und
englisches Geschützfeuer vom Erdboden vertilgt worden. Sehr schwer
war es unseren Truppen gefallen, dem Befehl von Oben Folge zu leisten,
der ihnen die Räumung der ihnen nachgerade ans Herz gewachsenen Gräben
und der unterirdischen Behausungen auferlegte, in denen sie unter unsagbar
schwierigen Verhältnissen während der endlosen Schlachtmonate
dem feindlichen Feuer Trotz geboten hatten. Als der Feind eine Reihe von
Tagen nach der Räumung es endlich gewagt hatte, sich in dem Dorfe
mit stärkeren Patrouillen festzusetzen, drangen unsere Nachhuten
aus eigenem Antrieb nochmals in den Ort ein, warfen den Feind wieder hinaus,
besetzten das "Kernwerk" unserer verlassenen Stellung, das schon
in Kämpfen des 1. Juli 1916 den Rückhalt unseres Widerstandes
gebildet hatte, aufs neue und holten sich so die Heimstätte langer
schwerer Monate noch einmal zurück. Es bedurfte eines neuen ausdrücklichen
Befehls, um sie zur Räumung ihrer alten Kampfstätte zu veranlassen. |
2. Wie
die Ecke bei Gommecourt weit nach Westen, so stieß nach Südwesten
die Zacke bei Grandcourt am tiefsten in die feindliche Stellung hinein
und sah sich gleich jener dem sie aus Front und Flanke konzentrisch fassenden
Feuer ausgesetzt. Dies machte sich um so mehr geltend, als diese zweite
"windige Ecke" zudem eine größere Anzahl von weiteren
Dörfern umfaßte: nämlich Serre, Puisieux, Miraumont, Irles
und Pys. Zwar waren alle diese schönen französischen Ortschaften
durch das Feuer der Bundesgenossen der Franzosen längst in völlig
gestaltlose Trümmerhaufen verwandelt und unterschieden sich kaum
mehr von den sie ehemals umgebenden Ackergebreiten, die ebenfalls nur
noch einen Wust von Granattrichtern darstellten. Namentlich das die westliche
Ecke dieses Abschnittes bildende Dorf Serre war buchstäblich vom
Erdboden wegrasiert. Die "Befreiung" dieser Dörfer, welche
von den feindlichen Heeresberichten mit komödiantischer Begeisterung
hervorgehoben wird, kommt also zu spät, um in ihren ehemaligen Bewohnern
andere Gefühle als die einer recht platonischen Genugtuung auszulösen.
Trotz ihres an menschliche Wohnstätten auch nicht im entferntesten
mehr gemahnenden Zustandes übten indessen diese nur noch auf den
Karten unterscheidbaren geographischen Punkte auf die feindliche Artillerie
noch immer eine besondere Anziehungskraft aus. Nimmt man hinzu, daß
dieser nachgerade recht unwirtlich gewordene Abschnitt der deutschen Stellung
durch den Ancrebach und die beiden sumpfigen Oberläufe durchströmt
wird, aus denen er innerhalb des Dorfes Miraumont zusammenrinnt, so erhellt,
daß gerade hier der Befehl, diese Stellung mit einer weiter bergwärts
gelegenen zu vertauschen, mit besonderer Freude begrüßt wurde. |
3. Eine
weitere Gruppe von Kämpfen entspann sich im Ostabschnitt des aufzugebenden
Gebietes. Hier war es bei dem Dorfe Warlencourt besonders wichtig, das
feindliche Nachrücken nach Kräften aufzuhalten. Mit Freuden
entsprach die Truppe dieser Aufgabe. Die in diesem Abschnitt aufgestellten
Divisionen hatten seit Anfang November 1916 die an und für sich infolge
der tiefen Lage und des moorigen Untergrundes schlechten, im Kampfe entstandenen
und anfangs nur aus Granattrichtern bestehenden Stellungen befestigt und
ausgebaut, und jetzt mußte ohne Zwang zurückgegangen werden,
obwohl der Gegner sich an diesen Stellungen so oft den Kopf eingerannt
hatte! Die Vorbereitungen waren schwierig, denn der Feind durfte nichts
merken. Dabei konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß er wenigstens
im allgemeinen unterrichtet war, was bevorstand. Er mußte wissen,
daß rückwärts unserer vordersten Linie eine Anzahl guter
Stellungen entstanden war. Aber es stellte sich sofort nach Beginn der
Bewegungen heraus, daß dem Feinde wenigstens der Zeitpunkt unseres
Zurückgehens verborgen geblieben war, daß er also die vorgenommenen
Sprengungen und Zerstörungen nicht erkannt hatte, und unsere kühnsten
Hoffnungen sahen sich übertroffen, als der Gegner mit Artillerie
und Maschinengewehren noch tagelang die verlassenen Stellungen befeuerte.
Das ist dem hervorragenden Verhalten unserer Patrouillen zu verdanken,
die in den verlassenen Gräben wacker ausharrten. Trotz der Gefahr,
überrannt oder abgeschnitten zu werden, verstanden sie es, dem Feinde
dauernd das Weiterbestehen der vollen Besetzung vorzutäuschen. Als
sie merkten, daß diese Absicht gelang, hatten sie sogar die Kühnheit,
über unsere längst von den Hauptkräften geräumten
Gräben vorzustoßen, und es kam zu Patrouillenzusammenstößen
im Vorgelände ohne jeden Rückhalt! Hierbei wurde festgestellt,
daß der Feind nach wie vor an seinen Drahthindernissen arbeitete.
Die Täuschung war also vollkommen gelungen. |
Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918
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