Zu den englischen und französischen Heeresberichten 

 

Bericht aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 12. IV. 17

Wie nicht anders erwartet wurde, waren die Engländer und Franzosen eifrig bemüht, die Preisgabe gewisser Landstriche im Somme- und Oisegebiet zu einem gewaltigen Waffenerfolg der Entente zu stempeln. Wir gönnen ihnen den billigen Triumph, uns "durch den unaufhörlichen englisch-französischen Druck" in die "Flucht" gejagt zu haben, und all die Heldentaten, die englische und französische Truppen bei der "Eroberung" verlassener oder von einer Handvoll Nachhutkämpfern verteidigter Ortschaften und Stellungen verübt haben sollen. Zwei Beispiele seien aber als besonders kennzeichnend für die phantasievolle Berichterstattung unserer Gegner nachstehend angeführt:
Am 17. März berichteten die Engländer, daß ihre Truppen "nach schweren Kämpfen" in Bapaume eingerückt seien. Demgegenüber sei festgestellt, daß die planmäßige Räumung von Bapaume sich völlig unbemerkt - und daher ungestört - vollzogen hat; erst etwa 10 bis 12 Stunden später betraten die ersten englischen Truppen völlig kampflos die Stadt! Der französische Bericht vom 24. März meldet, daß auf dem westlichen Oiseufer zwei vorgeschobene Forts der Festung La Fère in französische Hände fielen. La Fère war als Festung - ebenso wie Laon - von den Franzosen aufgelassen und von ihnen beim deutschen Vormarsch 1914 nicht verteidigt worden. Die beiden - gänzlich veralteten - Werke wurden von uns nicht verteidigt, sondern von unseren allmählich ausweichenden Nachhuten den Franzosen als gesprengte Trümmerhaufen überlassen.
Daß die Maßnahmen, die wir aus militärischen Gründen in dem von uns geräumten Gebiet ergreifen mußten, zu einer wüsten Preßhetze gegen uns ausgeschlachtet werden würden, war nach früheren Erfahrungen zu erwarten. Auch die amtlichen Berichte der feindlichen Heeresleitungen können sich über die "scheußlichen Plünderungen" und den "systematischen Vandalismus" nicht genug entrüsten. Im deutschen Heeresbericht vom 20. März wurde ausdrücklich betont, daß wir gezwungen waren, alle Einrichtungen zu zerstören oder zu beseitigen, die dem Gegner später von Nutzen hätten sein können. Dazu gehören nicht nur Wege, Brücken, Bahnen, Fernsprechleitungen usw., sondern auch Wohnstätten und alles Material, das einem nachfolgenden Gegner zur Schaffung von solchen dienen könnte. Jedes Heer handelt in ähnlicher Lage so; das Maß der tatsächlich durchgeführten Maßnahmen hängt nur von der verfügbaren Zeit ab. Daß im vorliegenden Falle Zeit zu recht gründlichen Maßnahmen zur Verfügung stand, sollte eigentlich den Gegnern die Augen darüber offnen, wie unsinnig ihr Gerede von unserer eiligen und überstürzten "Flucht" ist.
Wir halten Franzosen und Engländer für zu gute Soldaten, als daß sie sich über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit militärischer Maßnahmen nicht völlig klar seien. Wollen sie uns etwa glauben machen, daß sie in ähnlicher Lage anders handeln würden. Die unerreicht nichtswürdige Behandlung, die wehrlosen Gefangenen und Verwundeten in Frankreich zuteil wird, läßt nicht darauf schließen, daß die Franzosen dabei etwa mit besonderer Rücksicht und Schonung verfahren würden. Es ist daher um so erstaunlicher, wenn sie sich am 20. März zu der Behauptung versteigen, die meisten Zerstörungen seien "militärisch völlig wertlos". Diese Behauptung widerspricht ihrer eigenen Angabe des Vortages, wonach das Vorrücken durch die vorgefundenen Zerstörungen wesentlich erschwert sei! Auch die Gefangenen geben die Schwierigkeiten des Vormarsches unumwunden zu und sahen in den deutschen Maßnahmen nichts als eine militärische Notwendigkeit. Die besondere Erbitterung, mit der die französischen Soldaten "angesichts der von den Deutschen begangenen Greuel" nach dem französischen Heeresbericht vom 25. März gekämpft haben sollen, will sich damit nicht recht vertragen. Eine besonders wirksame Erschwerung des englisch-französischen Vormarsches bildete nach Angabe zahlreicher Gefangener der Wassermangel. Es ist selbstverständlich, daß möglichst viele Brunnen von uns gesprengt, verschüttet oder sonstwie unbrauchbar gemacht wurden. Die Behauptung des englischen Berichts vom 20. März, wir hätten die Brunnen mittels Arsenik vergiftet, ist eine böswillige Verleumdung, der jede tatsächliche Unterlage fehlt.
Besonders breitgetreten werden in den feindlichen Berichten die Grausamkeiten, denen die Bevölkerung der betreffenden Landstriche angeblich ausgesetzt gewesen sein soll. Es ist selbstverständlich, daß tief einschneidende Maßnahmen der Bevölkerung des in Betracht kommenden Gebiets gegenüber unvermeidlich waren. Zahlreiche Orte mußten geräumt werden. Nicht arbeitsfähige Bevölkerung (Kinder, Greise, Kranke) blieben in dem von uns zu räumenden Gebiet und wurden - mit Lebensmitteln für fünf Tage versehen - in unversehrten Ortschaften untergebracht. Arbeitsfähige Personen beiderlei Geschlechts. deren Zurücklassung die Arbeitskräfte des feindlichen Landes vermehrt hätte, wurden in unser Etappengebiet übergeführt, und zwar Stadtbewohner in Städte, Landbevölkerung in ländliche Bezirke. Bei den gesamten Verschiebungen wurde auf das Zusammenlegen von Einwohnern gleicher Orte und auf Familienzugehörigkeit, insbesondere aber auf Kranke, schwächliche und alleinstehende Personen die denkbar größte Rücksicht genommen. Für die Eisenbahntransporte wurden Stroh, Decken und außer Verpflegung für die Fahrt noch ein dreitägiger Bedarf ausgegeben; besonders war auch für Kindermilch gesorgt; an den Ein- und Ausladepunkten war ein besonderer Gepäcktransportdienst eingerichtet. Die neuen Unterkünfte waren sorgfältig vorbereitet, reichliche Verpflegungsmittel waren bereitgestellt. Ärztliches Personal stand an den Bahnhöfen zur Verfügung und begleitete jeden einzelnen Transport. Kranke fuhren in deutschen Lazarettzügen und wurden von ihren bisherigen - französischen - Ärzten und Pflegern begleitet. Mehrfach hat die betroffene Bevölkerung unaufgefordert Dank und Anerkennung ausgedrückt für die Rücksicht und Schonung, unter der sich alles vollzogen hat. Nur blinder Haß kann solchen Tatsachen gegenüber sich zu Behauptungen versteigen, wie zu der vom 19. März, die Deutschen hätten die Einwohner ohne Nahrung und Obdach ihrem Schicksal überlassen. Das am 20. März veröffentlichte Märchen von den "gewaltsam aus Noyon entführten 50 jungen Mädchen im Alter von 15 bis 25 Jahren" ist zu kindisch, sein Zweck zu unverkennbar, als daß es nach obigen Feststellungen noch besonderer Richtigstellung bedürfte. Eine besonders bezeichnende französische Veröffentlichung verdient nicht unbeachtet zu bleiben. Am 22. März verkünden die Franzosen die Wiedereröffnung des seit 2½ Jahren unterbrochenen öffentlichen Zugverkehrs zwischen Paris und Soissons als "erste und glückliche Folge des deutschen Rückzugs," und zwar unter der ausdrücklichen Versicherung, die Stadt sei "jetzt völlig sicher gegen deutsche Beschießung." Die Stadt lag nach wie vor im Kampfgebiete, und zwar im engsten Sinne des Wortes; ihre Bahnanlagen und die dortigen Aisnebrücken sind militärisch wichtige Objekte und sind keineswegs dazu angetan, der Stadt eine besondere Sicherheit zu verleihen. Dies mußte auch schon zwei Tage später der französische Bericht einräumen mit der Meldung, daß Soissons schweres deutsches Artilleriefeuer bekommen habe. Französische Eitelkeit und Prahlerei scheuten sich also nicht, die eigenen Landsleute in gewissenlosester Weise in Gefahr zu bringen.

 

 

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

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