Ausschiffen
deutscher Landungstruppen
Berichte
aus dem deutschen Großen Hauptquartier
I. Die
den Rigaischen Meerbusen im Norden absperrende Inselgruppe Ösel,
Moon und Dagö, Worms und die Halbinsel Werder bildete die der Festung
Reval unterstellte strategische Moon-Sund-Stellung. Stark ausgebaute Küstenbatterien,
besonders auf der Insel Ösel, weitausgedehnte Minenfelder schützten
und sicherten die Operationen der russischen Seestreitkräfte zwischen
dem Finnischen und Rigaischen Meerbusen und bildeten ein Ausfalltor in
die Ostsee. Nach der Einnahme von Riga, nach dem Vorschieben des linken
Flügels der VIII. Armee bis über die livländische Aa und
der Gewinnung des rechten Düna-Ufers bei und unterhalb Jakobstadt
hatte sich die strategische Lage unserer Nordostfront derart geändert,
daß die seestrategischen Verhältnisse ihr angepaßt werden
mußten. Die Ausnutzung des Hafens Dünamünde-Riga, die
Anlehnung des linken Armeeflügels an den Rigaischen Meerbusen, ungeschützt
gegen etwaige Flankenwirkung der hier noch unbeschränkt operierenden
Flotte, gebot die rücksichtlose Öffnung der gesperrten Einfahrtstraßen,
die Vertreibung der russischen Seestreitkräfte und die Beherrschung
dieser Gewässer durch die deutsche Flotte. Das Ziel war groß,
das Unternehmen ernst! Truppenlandungen über See unter dem Feuer
starker Küstenwerke sind selten in der Kriegsgeschichte mit Erfolg
durchführbar gewesen. Gegen teilweise veraltete türkische Werke
versuchte der Engländer bei Gallipoli vergeblich die Landung und
erlitt damals eine empfindliche Niederlage. In der Ostsee mußte
der Widerstand der stark ausgebauten und befestigten Inselgruppe gebrochen,
mußten weit angelegte Minenfelder geöffnet werden. Unmöglich
konnten zeitraubende Vorarbeiten dem wachsamen Gegner verborgen bleiben.
Als Handstreich war das Unternehmen kaum zu planen. Es galt vielmehr während
der Niederkämpfung schwerer und schwerster Küstenbatterien Truppenlandungen
in größerem Umfange einzuleiten und durchzuführen. Die
Gesamtaufgabe für die zu diesem Zwecke vereinigten Land- und Seestreitkräfte
bestand zunächst in einem gemeinsamen Angriff gegen die Inselgruppe
Ösel- Moon und in der Sperrung des Großen Moonsundes für
die russische Flotte. Die Ausgabe der unter den Befehl des Vizeadmirals
Schmidt gestellten Seestreitkräfte war zunächst die sichere
Durchführung der Truppentransporte gegen die beabsichtigten Landungsstellen
in der Taggabucht und bei der Halbinsel Pamerort, Unterstützung der
Landung durch Niederkämpfung der Batterien Hundsort, Ninnast und
Pamerort und die Sicherung der rechten Flanke gegen See durch Demonstration
gegen die Befestigung der Halbinsel Sworbe. Im ferneren Verlauf sollte
die Flotte den Angriff der Landungstruppen gegen den Brückenkopf
von Orrissar und gegen die Insel Moon mit allen verfügbaren Kräften
unterstützen. Teile der Schlachtflotte sollten darauf die mit vier
30,5 cm-Geschützen besetzte Batterie Zerel auf der Südspitze
der Halbinsel Sworbe niederkämpfen, die Minenfelder zwischen Sworbe
und der kurländischen Küste durchbrechen, in den Rigaischen
Meerbusen eindringen, die russische flotte zum Kampf stellen oder aus
dem Meerbusen vertreiben und einen etwaigen fluchtartigen Abtransport
der russischen Truppen von der Insel Ösel zur See verhindern. |
Die
ersten russischen Gefangenen auf Ösel
II. Sollte
die Absicht des schnell en Vorstoßes von der Taggabucht in südlicher
Richtung gegen Arensburg und damit die Abschneidung der auf der Halbinsel
Sworbe stehenden Russen gelingen, so mußte die Riesenarbeit der
Landung in der Taggabucht ohne Reibung genau nach dem vorgesehenen Plane
durchgeführt werden. Ohne Hemmung vollzog sich unmittelbar nach dem
Einlaufen des Gros die Ausschiffung und Landung. Dem Fregatten-kapitän
v. Schlick, seinem Stabe und seinen Leuten gebührt das Verdienst
und das Lob der schnellsten, reibungslosen Durchführung dieser Riesenaufgabe.
In unermüdlicher Arbeit bei Tag und bei Nacht wurden an den schnell
geschaffenen Landungsstellen fechtende Truppen, Pferde, Geschütze,
Fahrzeuge, Lastkraftwagen, Munitions- und Verpflegungskolonnen an Land
gesetzt. Wie ein Uhrwerk spielte sich diese mühsame Arbeit ab, so
schnell, daß die Landung einen halben Tag früher als vorgesehen
beendet war. Darauf beruhte der strategische Erfolg des schnellen Vorstoßes
durch die Insel. Es mag unbegreiflich erscheinen, daß der Gegner
das Einlaufen des Landungskorps in der Taggabucht zu spät für
rechtzeitige Gegenwirkung bemerkte. Unter Befehl des Konteradmirals Szweschnikow
standen auf Ösel Teile der 107. Division(Generalmajor Iwanow) und
118. Division (Generalmajor Martynow), etwa 500 Mann Grenzwach-Kavallerie
unter Oberstleutnant Jakimowitzsch und einige Tausend Arbeitssoldaten.
Einige der Infanterie-Regimenter - besonders die Regimenter 470 und 472
- sollen unzuverlässig gewesen sein und Neigung zur Meuterei gezeigt
haben, während besonders die Regimenter 425 und 426 als gute, zuverlässige
Truppen beurteilt wurden. Anscheinend hat Admiral Szweschnikow unter dem
Einfluß der gegen die Halbinsel Sworbe gerichteten Demonstrationen
unserer Schlachtflotte die Landung auf der Halbinsel Sworbe vermutet,
und dorthin seine Hauptkräfte zusammengezogen. So war wohl eine rechtzeitige
Abwehr unserer überraschenden Landung in der Taggabucht durch ausreichende
Kräfte unmöglich. Die Vorbedingung zum Siege - die Überraschung
- lag somit von Anbeginn auf deutscher Seite. |
Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918
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