Die Schlacht von Armentières 

Luftaufnahme eines Schachtfeldes in Flandern
Luftaufnahme eines Schachtfeldes in Flandern

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier vom 13., 15. und 
16. Juli 1918

Am 9. April war die "große Schlacht in Frankreich" mit der wohlgeglückten Frontverbesserung im Bogen von Chauny zum Stillstand gekommen. Am gleichen Tage schon entflammte auf dem nördlichen Teile der Westfront überraschend ein neuer Kampf, dem die Stadt Armentières den Namen gibt. Die teilweise Verschiebung der englischen Flandern-Reserven nach dem südlichen Kampffelde schien günstige Vorbedingung, die portugiesisch-englische Front einzudrücken, ihre Besatzung so lange als möglich von der Teilnahme am Kampfe auszuschließen und unsere eigene Linie den Zufahrtswegen der englischen Flandern-Front näherzurücken. Die Schlacht von Armentières zerfällt in drei Teile, die sich örtlich und zeitlich voneinander abheben:
1. Den ersten Stoß am 9. April führte die Armee v. Quast mit der Hauptmasse der eingesetzten Angriffskräfte auf der Linie Festubert-Armentières allein.
2. Am 10. April nahm die Armee Sixt v. Armin zwischen Armentières und Hollebeke in schwächerem Ausmaß der Kräfte den Angriff auf und vereinigte sich einen Tag später mit der südlichen Gruppe zu gemeinschaftlichem Vorgehen.
3. In der Zeit vom 16. bis 18. April begann in Auswirkung unserer Erfolge die Abbröckelung des Ypern-Bogens, die durch unseren Nachstoß ausgebeutet wurde. Gleichzeitig ergänzten sich unsere Geländevorteile auf dem nördlichen Teile der bisherigen Kampffront zur Grundstellung für einen neuen planmäßigen Angriff.


Gestürmte portugiesische Stellungen vor Armentières

I.

Die Ausgangslage für unseren ersten Stoß am 9. April bildete unsere Grabenlinie zwischen Armentières und Festubert, die, von Südwest nach Nordost verlaufend, die Lys-Niederung in der Weise überbrückte, daß ein stirnwärts geführter Angriff nach Richtung und Breitenausdehnung etwa dem Teil der flandrischen Ebene entsprach, der zwischen dem Kemmelzuge und den Ausläufern der Kreidehochfläche des Artois nach Nordwesten streicht.
Das Angriffsgelände war nasses Marschland, das durch Hecken und Gebüsch unübersichtlich gemacht wurde und durch eine reiche Bewässerung verschlammt war.
Die feindlichen Stellungsbauten waren auf dem Boden, der tiefere Grabenarbeiten nicht zuließ, lediglich aufgesetzt und daher wenig widerstandsfähig. Dagegen boten die zahlreichen übers Land gestreuten Gehöfte einer beweglichen Verteidigung reichlichen Ersatz an Stützpunkten, die im Gebiet der Stellungen überdies in jahrelanger Arbeit ausgebaut waren. Ein natürliches Hindernis von ausschlaggebender Bedeutung bildeten für unser Vordringen die Flußläufe der Lawe und Lys, die in durchschnittlicher Entfernung von 6 km mit dem Hauptteile der Angriffsfront gleichlaufend, bei Estaires ihre Wasser vereinigten und unter dem Namen der Lys nordöstlich von Armentières in zwei großen Schleifen schnell aufs eigentliche Stellungsgebiet und zu uns überleiteten.
Jenseits von Lawe und Lys hob sich das Gelände allmählich in einer Weise, daß es die Niederung, die unsere Truppen zu durcheilen hatten, beherrschte.
Die Spannkraft unseres ersten Angriffs mußte daher so bemessen sein, daß sie am ersten Tage den deckungslosen Raum der Tiefe nach überwand und wenigstens mit Teilen unserer Streitkräfte Boden an den jenseitigen Ufern der Flüsse gewann, ehe der Gegner Zeit fand, sich dort zu neuem Widerstand einzurichten. Graben und Hürde waren in einem Sprung zu nehmen, andernfalls liefen unsere Divisionen Gefahr, in der haltlosen Lys-Niederung abzugleiten. Regengüsse hatten in den letzten Tagen vor dem Angriff alle Schwierigkeiten des unwegsamen Landstriches besonders deutlich werden lassen. Trichter, Gräben und freies Feld standen vielfach unter Wasser, und die wenigen festen Straßenkörper waren, soweit sie im Stellungsgebiet lagen, zerschossen. Der neubewährte glänzende Geist unserer Truppen und die gründliche Vorbereitung des Angriffs gaben unserer Führung gleichwohl die berechtigte Zuversicht, ein Unternehmen zu wagen, das im Hinblick auf die Schwierigkeiten des Geländes den Leistungen dieses Jahres gegenüber eine Steigerung bedeutete.
Die Bereitstellung unserer Sturmregimenter wurde vom Gegner wenig gestört. Früh 4 Uhr 15 Minuten setzte unser Vorbereitungsfeuer ein. Bei dichtem Nebel ergoß sich 8 Uhr 45 Minuten vormittags die Sturmflut unserer Infanterie auf den überraschten Feind. Fünf Heersäulen waren aufgestellt, die man nach ihrer Anordnung den 5 geschlossenen Fingern einer ausgestreckten Hand vergleichen kann. Der kleine Finger, als der schwächste, hatte sich während der ganzen Unternehmung am linken Flügel außerhalb des eigentlichen Angriffsraumes zu verhalten. Die 3 mittleren Finger sollten, sich fächerförmig spreizend, vorwärts rücken, während der Daumen zunächst an den Zeigefinger herangezogen werden sollte, um hernach desto kräftiger den Gegner in die Flanke zu stoßen, ohne jedoch Armentières, das im Angriffsplane ausgespart war, anzugreifen.
Die Absicht gelang vollkommen. Das südlich La Bassée stehende Korps beschäftigte den Gegner, ohne selbst vom Platze zu rücken, durch seine lebhafte Feuertätigkeit und erleichterte so dem Korps v. Kraevel den Abstoß in westlicher Richtung auf Givenchy-La Bassée, Festubert und Richebourg l´Avoue. Die beiden mittleren Korps v. Bernhardt und v. Carlowitz wendeten sich, ihr Ziel Lawe und Lys im Auge, in straffem Zuge mehr und mehr nach Nordwest, während das rechte Flügelkorps v. Stetten links ausholend hinter v. Carlowitz dreinzog, um in kurzem Bogen mehr nördliche Hauptrichtung nach Bailleul zu gewinnen. Die feindlichen Stellungsdivisionen wurden im ersten Anprall so gut wie aufgerieben. Vormittags 10 Uhr hatte unsere Infanterie die dritte feindliche Linie überall überschritten.
Aber nun begann die ungeheure Schwierigkeit, die der Schlacht von Armentières für alle Zeiten das Gepräge leihen wird: es galt mit Fahrzeugen und Geschützen unseren Sturmwellen über das völlig verschlammte Trichtergelände zu folgen. Die auf den Karten verzeichneten Straßen erwiesen sich mit vereinzelten Ausnahmen als unbenutzbar, das Trichterfeld war Sumpf. Andererseits war jedes Geschütz für die Überwindung der feindlichen Widerstände durch unsere Infanterie von unschätzbarem Werte. Das Bewußtsein hiervon spornte die Willenskraft zur äußersten Kraftleistung, ein hohes Verantwortungsgefühl bemächtigte sich jedes einzelnen Mannes, der als Helfer in Betracht kommen konnte, und so gelang den gemeinschaftlichen Bemühungen von Mensch und Tier, was nach den Regeln der Erfahrung unmöglich scheinen mußte: der zertrichterte Sumpf wurde angesichts des Gegners zunächst von den leichten Batterien überwunden, die planmäßige Herstellung brauchbarer Verkehrswege von den Pionieren und Armierungstruppen mit aller Tatkraft und größter Aufopferung gefördert, so daß noch am ersten Tage einzelne schwerere Geschütze das Stellungsgelände überschreiten konnten. Anderwärts traten unsere Geschützbedienungen rasch entschlossen an die Beutebatterien und beschossen den weichenden Feind mit seiner eigenen Munition.
Die feindliche Gegenwirkung war gegen die beiden Flügel erheblich, da hier die Sorge um den Besitz von Armentières und die Erzgruben von Béthune besonders scharfe Wache hielt. Dies hatte auf dem äußersten Nordflügel weniger zu besagen, da Armentières ohnedies zunächst nicht unserem Angriffswillen unterlag. Das südliche Korps v. Kraevel vermochte zwar mit seiner rechten Division Richebourg l´Avoué im Sturm zu nehmen, blieb aber weiter südlich an dem überaus empfindlichen feindlichen Widerstande aus den stark befestigten Dorfstätten Givenchy und Festubert hängen.
Gegenüber der Mitte unserer Front war die Tätigkeit der feindlichen Artillerie geringer. Mit um so größerem Kampfeifer trugen unsere Regimenter den Angriff gegen die feindliche Infanterie weiter, bei deren Erledigung ihnen die nachgezogenen Batterien und Minenwerfer wesentlich Beistand leisteten.
Die Truppen des Generals v. Bernhardi stürmten Richebourg-St. Vaast und Lacouture und erreichten gegen Abend bereits an mehreren Stellen die Lawe. Im Wettlauf mit ihnen gelangten die Sturmdivisionen des Generals v. Carlowitz über Laventie bis an die Lys, deren Übergänge sie zwischen Sailly und Estaires gesprengt fanden. Das rechte Flügelkorps v. Stetten endlich nahm nach Überschreiten des Trichterfeldes im Flankenstoß nach rechts Bois-Grenier, drang in Fleurbaix ein und erstritt, indem es sich der allgemeinen Angriffsrichtung anschloß, bei Bac St. Maur den Zutritt zur Lys.
Hinter den jenseitigen Uferrändern von Lawe und Lys lagen abwehrbereit die Notreserven der Engländer, die in aller Eile aus allen verfügbaren Truppenteilen zusammengestellt und ins Gefecht geworfen waren und den Vorteil des natürlichen Hindernisses entschlossen ausnützten. Aufmerksame Maschinengewehre bewachten überall die gesprengten Flußübergänge und bestrichen die freien Ufer mit ihrem Feuer. Dank der Entschlossenheit ihres Führers gelang es der Brigade v. Höfer noch am Abend, den Übergang über die Lys an der Schleuse östlich Sailly durch Handstreich zu erzwingen und durch einen bis Croix du Bac vorgeschobenen Brückenkopf zu sichern. Weitere örtliche Brückenköpfe wurden im Laufe der Nacht erkämpft, so östlich von Estaires über die Lys, westlich Le Maraisferme und südlich Vieille Chapelle über die Lawe. Damit war die Voraussetzung für unser weiteres Vordringen und das Eingreifen des Südflügels der Armee Sixt v. Armin gegeben.

II.

Indem die Streitmacht des Flandernverteidigers Sixt v. Armin zwischen Armentières und Hollebeke auf etwa gleichgroßem Raume mit unvergleichlich weniger Kräften angriff als die südliche Hauptgruppe, erfüllte sie das Gesetz der Steigerung, das die Leistungen unserer bewundernswerten Truppe von Schlacht zu Schlacht, ja von Gefechtsabschnitt zu Gefechtsabschnitt zu beherrschen scheint, auch im Rahmen ihrer Teilhandlung.
Die Überwindung von Trichterfeld und Lys fiel in der südlichen Hälfte des neuen Angriffsstreifens räumlich zusammen, da hier die Lys teils vor, teils knapp hinter unserer Linie zu überschreiten war. Nördlich befand sich das Gebiet vor Wytschaete in unserer Stoßrichtung, dessen Besitz dem Engländer seit dem Vorjahre durch blutige Anstrengungen teuer geworden war und das er mit den Batterien des Kemmels und der Ieperen-Front
argwöhnisch deckte. In der Nacht vom 9. zum 10. April setzten Teile der bereitgestellten Angriffstruppen unter dem Schutze der Nacht über die Lys. Nach ausgiebiger Artillerievorbereitung brach sodann früh 5 Uhr 15 Minuten der Infanterieangriff auf die feindlichen Stellungen herein. Unmittelbar hinter unseren Sturmwellen wurden dem feindseligen Flusse im Feuer des Gegners zwei Pontonbrücken aufgezwungen und so der Übergang unseres Nachschubs ins Werk gesetzt. Die Kampfverhältnisse waren außerordentlich erschwert. Die Mittags- und Nachmittagsstunden mußten vor allem dazu verwandt werden, die leichte und schwere Artillerie über Lys und Trichterfeld zu bringen; dazu kam, daß diesmal der Gesichtspunkt der Überraschung wegfiel und die Engländer auch von der Reichweite ihrer entfernter stehenden Geschütze rücksichtslosen Gebrauch machten, den Aufenthalt unseres Vorstoßes zu vergrößern. Der in der Flandern-Armee steckende starke Wille brach jedoch unter unsäglichen Mühen alle Hindernisse und vermochte gleich am ersten Tage Erfolge zu erzielen, die angesichts der besonderen Verhältnisse hinter denen von gestern keineswegs zurückstanden und, vollends an den vorjährigen Leistungen des Gegners im gleichen Raume gemessen, bewundernswert genannt werden müssen.
Der hochgelegene festungsartige Ort Meesen (Messines) wurde frühzeitig durch Umfassung genommen. Dann brachen die bereitgestellten englischen Reserven zu schwersten Gegenangriffen vor. Gleichwohl gelang es den Unserigen nicht nur die Linien zu halten, sondern sogar den Angriff bis an den Wald südwestlich von Hollebeke und im Anschluß daran 800 m vor dem Ort Wytschaete heranzutragen und gegen wiederholt vorbrechende heftige Gegenstoße zu verteidigen. Südlich von Meesen erwies sich der Ploegsteert-Wald als ein Hindernis, das in zähem Widerstande unsere Front zu beiderseitiger Umgehung zwang. Dagegen waren Ploegsteert-Ort und Le Bizet schon am Nachmittage in unserer Hand. In Richtung auf Armentières wurde Houplines erreicht. Die Stadt selbst blieb außerhalb unserer Bewegungen, die Verbindung mit der Armee v. Quast wurde noch nicht erreicht.
Südlich Armentières erweiterte sich am zweiten Tage der Schlacht die Einbruchstelle nach allen Seiten strahlenförmig, wobei sich der zunehmende Druck der neu in den Kampf geworfenen englischen Reserven in verzweifelten Gegenangriffen äußerte.
In siegreicher Abwehr und tatkräftigem Nachstoß führte General v. Höfer nach wechselnden Kämpfen um Croix du Bac seine inzwischen verstärkten Kräfte bis Steenwerck vor, nahm das Dorf und ermöglichte dadurch auch den bei Erquinghem kämpfenden Truppen den Übergang über die Lys. Bei Pont Mortier lagen andere Teile des Korps v. Stetten und Truppen des Generals v. Carlowitz mit dem dauernd sich verstärkenden Gegner in schwerem Kampf. Das Korps v. Carlowitz fand ferner auf dem nördlichen Ufer der Lys bei Sailly starken Widerstand. Östlich Estaires ließ sich schon am frühen Morgen angriffslustige Infanterie durch wagemutige Pioniere überraschend über die Lys setzen und behauptete sich, das Wasser im Rücken, gegen sofort einsetzenden Gegenstoß. In dem Ort Estaires wogte stundenlang der Häuserkampf, bis er nach teilweiser Umfassung von Norden her fiel. Während der rechte Flügel des Generals v. Bernhardi den Übergang über die Lys bei La Gorgue erzwang, wehrten Mitte und linker Flügel kräftige Angriffe der Engländer aus den Widerstandsnestern Lestrem und Vieille Chapelle ab. Ein Angriff mit der Absicht, zwischen beiden Orten durchzubrechen, kam noch am Abend in Gang und öffnete unseren Truppen neue Brücken über die Lawe.
Die stärkste Gegenwehr fanden wir auf unserem südlichen Flügel, wo der Brite in den Erzgruben von Béthune einen wesentlichen Bruchteil der französischen Erzförderung verteidigte. Die hier fechtenden Divisionen des Generals v. Kraevel hielten den feindlichen Ansturm tapfer aus, mußten sich aber schließlich unter Verzicht auf eine Erweiterung der Einbruchstelle mit dem Ergebnisse begnügen, die Taganlagen der bedrohten Bergwerke in den Bereich unseres Artilleriefeuers gebracht zu haben.
Am 11. April kam Wytschaete vorübergehend in unseren Besitz, mußte aber wieder geräumt werden. Unsere Linie hielt sich standhaft am Ostrand des Ortes und verlief 1000 m östlich Wulverghem vorbei weiter nach Süden.
Zwischen Douve-Bach und Nordrand des Ploegsteert-Waldes folgte General v. Eberhardt dem weichenden Feind, durchbrach mit feinem linken Flügel bei Romarin eine neue englische Stellung und reichte bei Pont de Nieppe der südlichen Angriffsgruppe die Hand.
Das Korps v. Stetten hatte schon Tags zuvor seine Postenkette bis La Chapelle d´Armentières herangeschoben und in der Nacht zum 11. April einen weiteren Angriffsbogen um den Ostrand von Armentières nach Houplines geschlagen. Weitere Kräfte waren zwischen Westrand von Armentières und Lys eingedrungen, hatten den Fluß überschritten und Nieppe genommen. Das Schicksal der Stadt war durch allgemeine Umzingelung besiegelt. Ihre Besatzung ergab sich nach zäher Gegenwehr am späten Nachmittage des 11. April.
Inzwischen hatten unsere im spitzen Winkel nach Nordwest vorgeschobenen Kräfte im wechselvollen Kampfe den Bahnhof von Steenwerck behauptet und den Anschluß nach rechts gesichert. Hierdurch ergab sich eine Linie, die als Grundstellung für den weiteren Angriff auf die Front Bailleul-Nieuwekerke und das von ihr gedeckte Hügelland der Kemmel-Kette dienen konnte. Weiter südlich drang der rechte Flügel des Generals v. Carlowitz in erbitterten Gefechten bis Doulieu vor, während der linke nach Überwindung feindlichen Widerstands bei Maurianne-Ferme den Südteil des Dorfes Neuf-Berquin bis zur Kirche wegnahm. General v. Bernhardi kämpfte sich, nachdem der Übergang seiner rechten Flügeldivision über die Lawe bei La Gorgue gelungen war, bis nach Merville durch. Seine links nachschließenden Truppen nahmen Lestrem, erreichten zunächst in westlicher Richtung Le Grand Pacaut und schwenkten dann gleichfalls auf Merville ein, das nach ungemein zäher Verteidigung nachts zwischen 10 und 11 Uhr von einem unserer Regimenter mit lautem Hurra gestürmt wurde. Der Durchbruch zwischen Lestrem und Vieille Chapelle gedieh in erheblicher Staffelung der durchführenden Kräfte bis zu der Linie Bouzeteux-La Tombe Willot. Das Korps v. Kraevel erstritt trotz der geschlossenen Gegenwirkung feindlicher Maschinengewehre an drei Stellen den Übergang über die Lawe, wehrte verschiedene von Schotten ausgeführte Gegenangriffe ab und eroberte schließlich nach erbittertem Ringen den Ort Les Lobes.
Der 12. April brachte uns geringe Fortschritte. In örtlichen Kämpfen um Wulverghem und nördlich Romarin wuchs unsere Absicht auf die Linie Bailleul-Sebastie-Nieuwekerke zur Bedrohung des Gegners von vorne und aus der Flanke heran. Der rechte Flügel der Armee v. Quast nahm Les Trois Pipes. Die Truppen des Generals v. Carlowitz setzten sich nach wütendem Häuserkampf in den Besitz von Doulieu, brachen heftige feindliche Widerstände und gelangten in lebhaftem Verfolgungsgefecht bis Vieux Berquin Süd. Das Korps v. Bernhardi erweiterte seine gestrigen geräumigen Erfolge durch die Eroberung des Nordteils von Calonne, während die Trupps des Generals v. Kraevel in tatkräftigem Vorstoß Le Cornet Malo und Locon, das Ziel ihrer Aufgabe erreichten.
In den folgenden Tagen verlegte sich der Schwerpunkt unseres Angriffs gegen die Linie Bailleul-Sebastie-Nieuwekerke, da es für uns darauf ankommen mußte, möglichst tief in das Höhengelände um den Kemmel-Stock einzudringen und so die Einwirkung auf unsere in der Niederung stehenden Truppen möglichst zu beschränken.
Der linke Flügel der Armee Sixt v. Armin vermochte am 13. April, verstärkt durch die rechte Flügeldivision der Armee v. Quast, das Dorf Nieuwekerke und die Höhe westlich davon im Angriff zu nehmen und zu halten.
Der 14. April änderte an der Gefechtslage nur wenig. Der 15. April 1918 bescherte uns wieder schöne Sturmerfolge. Am frühen Morgen entrissen Teile des Korps v. Sieger nach kurzer Feuervorbereitung dem Gegner sein Grabennetz östlich Wulverghem, dann den Ort selbst, überschritten die Straße Wytschaete-Wulverghem und besetzten dort im Handgranatenkampf 3 große Sprengtrichter aus der vorjährigen Wytschaete-Schlacht. Die Truppen der Generale v. Eberhardt und Frhr. v. Marschall erstiegen am Spätnachmittage die beherrschenden Höhen westlich Wulverghem und östlich Bailleul. An der übrigen Front festigten wir die errungenen Vorteile. General v. Carlowitz nahm am 13. April 1918 Merris, Vieux Berquin sowie die Ortschaft Verte-Rue und sicherte den Erwerb teils durch Abweisung starker Gegenangriffe, teils durch weitere eigene Vorstöße.

 

III.

Unsere Erfolge bis zum 15. April 1918 hatten unsere Gesamtfront seitlich nicht nur nach Westen bis in die Höhe des englischen Etappenorts der englischen Ypern-Front Poperinghe vorgeschoben, sondern zugleich in der Anlehnung an das Hügelland in Linie östlich Bailleul-Nieuwekerke eine unmittelbare Bedrohung der englischen Zubringerwege von Ypern aus südlicher Richtung geschaffen.
Demgegenüber mußte die Ausbeulung der englischen Linien im Ypern-Bogen taktisch als eine ungesunde Übertreibung erscheinen. Hatten doch die Engländer voriges Jahr
die kleine Ausbuchtung des deutschen Wytschaete-Bogens für gefährlich genug gehalten, sie durch ein in Jahr und Tag vorbereitetes Sonderunternehmen auszugleichen, ehe sie an den Hauptstoß in der Richtung unserer U-Boot-Basis herangingen. Und damals waren wir noch die Angegriffenen. Um wieviel unangenehmer mußte ihnen der Verlauf einer Linie werden, die uns als Angreifern gestattete, die seitliche Überholung ihrer Ypern-Front der Tiefe nach auszunützen.
Trotzdem französische Unterstützung im Anmarsch war, verlor der mit dem Blutopfer von einer halben Million Menschen erkaufte Bodengewinn der Flandern-Schlacht 1917 für die Engländer seinen Wert. Als "taktische Maßnahme" bezeichneten sie die Zurücknahme ihrer Front, zu der wir sie mittelbar durch unsere bisherigen Erfolge, unmittelbar durch Unternehmungen zwangen, die uns in wenigen Tagen wieder in den Besitz fast des ganzen Geländes bringen sollten, das sie uns voriges Jahr in viermonatigem schwerem Kampfe entrissen hatten.
Im Laufe des Nachmittags des 16. April stellten unsere Erkundungstrupps im Ypern-Bogen von Poelcapelle bis zum Kanal von Hollebeke das Abbröckeln der feindlichen Linien fest, deren vorgeschobenster Punkt, Passchendaele, von uns besetzt wurde. In rasch gefaßtem Entschlusse gab die Armee Sixt v. Armin den Befehl zum Angriff, um im Nachstoß das Weichen des Feindes auszunützen. Nach kurzem Feuer brachen die zur Verfügung stehenden Truppen unter dem Kommando des Generals v. Böckmann aus dem Houthulster Forste in die feindliche Linie ein und erreichten im Verein mit den übrigen in Fluß geratenen Kräften noch am Abend die ungefähre Linie Mangelaere-Langemarck-Zonnebeke-Veldhoek.
Auch an den übrigen Frontteilen waren wir an diesem Tage vom Glück begünstigt. General Sieger nahm morgens ½ 8 Uhr das zäh verteidigte Wytschaete samt den Höhen nordwestlich und westlich davon, sowie die Höhen nördlich des Westausgangs von Wulverghem. General v. Eberhardt gewann im Nachdrängen hinter dem weichenden Feinde gleichfalls Boden bis zum Douve-Bach und Kemmel-Bach, und General Freiherr v. Marschall besetzte das vom Gegner geräumte Bailleul. Bei der Armee v. Quast verbreiterte General v. Stein unsere Frontlinie Nieuwekerke-Bailleul durch die Einnahme des Dorfes Meteren, das er gegen verschiedene von Tanks unterstützte kräftige Vorstöße von Engländern und Franzosen hielt. Auch sonst wehrte die Armee v. Quast auf ihrem Kampffelde alle Gegenangriffe mit Erfolg ab.
In den folgenden Tagen machte sich die Verstärkung der feindlichen Kräfte mehr und mehr geltend. Die Artillerie des Gegners hatte besonders an schweren Kalibern zugenommen und schoß planmäßiger, seine Infanterie war durch Einschieben frischer Divisionen wesentlich vermehrt worden und hatte sich zu neuer zäher Verteidigung eingerichtet.
Am 18. April brachen belgische Truppen zu einem entschlossenen Gegenangriff aus Merckem heraus gegen unsere Linien vor, ohne jedoch nennenswerte Erfolge zu erzielen.
Nach neuntägigem unaufhaltsamen Kampfe gegen Gelände, Wasser und Feind wurde unser Siegeslauf am 18. April aus freiem Entschluß gezügelt, noch ehe er seine Kräfte aufgezehrt hatte.
Die Schlacht von Armentières hat in verhältnismäßig kurzer Zeit nicht nur unsern vorjährigen Geländeverlust in Flandern ausgeglichen, sondern den damaligen Erwerb der Engländer weit übertroffen. Die Gegner haben außer den sehr hohen blutigen Verlusten rund 20000 Gefangene, 400 Geschütze, Tausende von Maschinengewehren, Gerät und Vorräte in großer Menge als Beute an uns verloren. Eine neue Grundlage für weiteres Vorgehen war geschaffen und sollte sich in Bälde bewähren.

 

Berichte aus dem deutschen Großen Hauptquartier 1914-1918

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