Der Weltkrieg am 17. August 1914

 

Der Zar in Moskau

Petersburg, 17. Aug. (W. B.)
Der Kaiser und die Kaiserin sind mit dem Großfürsten-Thronfolger und ihren Töchtern gestern Abend nach Moskau abgereist.

 

Der Zar wendet sich an Finnland

Wien, 17. Aug. (D. D. P.)
Über Stockholm geht dem "Wiener Volksblatt" die Nachricht aus Helsingfors zu, daß der Generalgouverneur den finnischen Senat zum 30. August nach Helsingfors einberufen hat zur Entgegennahme eines kaiserlichen Manifestes auf Wiedereinsetzung der autonomen finnischen Behörden.

 

Deutscher Protest gegen die russische Kriegführung

Berlin, 17. Aug. (W. B.)
Die "Norddeutsche Allgemeine  Zeitung" schreibt unter der Überschrift "Deutsche Warnung an Rußland":
Durch Vermittlung einer neutralen Macht ist folgendes zur Kenntnis der russischen Regierung gebracht worden: Die Meldungen aus unserem östlichen Grenzgebiet berichten übereinstimmend, daß die russischen Truppen, wo sie preußisches Gebiet betreten haben, gegen Ortschaften und deren wehrlose Einwohner sengend und plündernd vorgegangen sind; besonders schwere Ausschreitungen sind aus den Gegenden von Schirwindt, Lyck und Soldau gemeldet worden. Deutschland erhebt vor der Öffentlichkeit Einspruch gegen eine solche dem Völkerrecht zuwiderlaufende Art der Kriegführung. Wenn durch sie die Kampfesweise einen besonders schroffen Charakter annehmen sollte, so trifft Rußland allein dafür die Verantwortung.

 

Ein österreichischer Sieg

Wien, 17. Aug. (Priv.-Tel, Amtliche Meldung.)
Die gestern gemeldeten Kämpfe an der Drina führten zu einem entscheidenden Siege der österreichischen Truppen über starke feindliche Kräfte, die gegen Valjewo zurückgeworfen wurden. Es wurden zahlreiche Gefangene gemacht und viel Kriegsmaterial erbeutet. Die Verfolgung des Feindes ist im vollsten Gang. Unsere Truppen kämpften mit bewunderungswürdiger Tapferkeit gegen den in starken Stellungen befindlichen, an Stärke ebenbürtigen Feind. Besondere Erwähnung verdient das Varasdiner Infanterie-Regiment Nr. 16, dessen Offiziere und Mannschaften unter den schwierigsten Verhältnissen mit der altbewährten zähen Tapferkeit der stets kaisertreuen Kroaten zum Siege stürmten.

 

Österreichische Erfolge gegen die Russen

Wien, 17. Aug. (W. B.)
Die in ausländischen Zeitungen erschienenen Nachrichten über angebliche russische Erfolge in unseren Grenzgebieten stehen mit der Wahrheit in vollstem Widerspruch. Einige russische Detachements, die stellenweise im Grenzbereiche einige Kilometer weit vorgerückt waren, sind gleich wieder über die Grenze zurückgeworfen worden. Dagegen sind mehrere unserer Kavalleriekörper weit über die russische Grenze in das Innere Rußlands eingedrungen.

 

Kämpfe an der montenegrinischen Grenze

Wien, 17. Aug. (Preß-Bur.)
Die montenegrinischen Truppen haben seit zwei Tagen in der Umgebung des Berges Lisanitz in der Gegend von Grahowo gegen bedeutende österreichische Streitkräfte gekämpft; die Verluste der Montenegriner in diesem Kampfe betrugen bisher 45 Tote und Verwundete. Das 16. österreichische Armeekorps greift die Westgrenze Montenegros auf der Linie Kriwatza-Grahowo an. Das 15. österreichische Korps marschiert auf die Linie Tschainitsy-Gateko. Die österreichische Flotte bombardiert die montenegrinischen Stellungen auf dem Lowtschen.

 

Belgien bleibt auf Frankreichs Seite

Berlin, 17. Aug. (W. B.)
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: Nach der Einnahme von Lüttich hat die deutsche Regierung durch Vermittlung einer neutralen Macht in Brüssel mitteilen lassen:
Die Festung Lüttich ist nach tapferer Gegenwehr im Sturm genommen worden. Die deutsche Regierung bedauert es auf das tiefste, daß es infolge der Stellungnahme der belgischen Regierung gegen Deutschland zu blutigen Zusammenstößen gekommen ist. Deutschland kommt nicht als Feind nach Belgien. Nur unter dem Zwang der Verhältnisse hat es angesichts der militärischen Maßnahmen Frankreichs den schweren Entschluß fassen müssen, in Belgien einzurücken und Lüttich als Stützpunkt für seine weiteren militärischen Operationen besetzen zu müssen. Nachdem die belgische Armee in heldenmütigem Widerstand gegen die große Überlegenheit ihre Waffenehre auf das glänzendste gewahrt hat, bittet die deutsche Regierung Seine Majestät den König und die belgische Regierung, Belgien die weiteren Schrecken des Krieges zu ersparen. Die deutsche Regierung ist zu jedem Abkommen mit Belgien bereit, das sich irgendwie mit Rücksicht auf ihre Auseinandersetzung mit Frankreich vereinigen läßt. Deutschland versichert nochmals feierlich, daß es nicht von der Absicht geleitet gewesen ist, sich belgisches Gebiet anzueignen und daß ihm dies durchaus fern liegt. Deutschland ist noch immer bereit, das belgische Königreich unverzüglich zu räumen, sobald die Kriegslage es ihm gestattet.

Berlin, 17. Aug. (W. B.)
Die Antwort Belgiens auf das deutsche Anerbieten ging am 13. August ein; Belgien wiederholt seine frühere Ablehnung.

 

Die Eroberung von Lüttich

Berlin, 17. Aug. (W. B.)
Das Geheimnis von Lüttich kann entschleiert werden. Uns war Nachricht zugegangen, daß vor Ausbruch des Krieges französische Offiziere und vielleicht auch einige Mannschaften nach Lüttich entsandt waren, um die belgischen Truppen in der Handhabung des Festungsdienstes zu unterrichten. Vor Ausbruch der Feindseligkeiten war dagegen nichts einzuwenden; mit Beginn des Krieges aber wurde es ein Neutralitätsbruch durch Frankreich und Belgien. Wir mußten schnell handeln. Die mobilen Regimenter wurden an die Grenze geworfen und auf Lüttich in Marsch gesetzt. Sechs Friedensbrigaden mit Artillerie und Kavallerie haben Lüttich genommen. Danach wurden sie dort mobil gemacht und erhielten als erste Verstärkung ihre eigenen Ergänzungsmannschaften. Weitere Regimenter konnten nachgeschoben werden, die ihre Mobilmachung soeben beendet hatten. Unsere Gegner sprachen bei Lüttich von 120 000 Deutschen, die den Vormarsch wegen Schwierigkeiten in der Verpflegung nicht antreten konnten. Sie haben sich geirrt, die Pause hatte einen anderen Grund.
Jetzt erst begann der deutsche Aufmarsch. Die Gegner werden sich überzeugen, daß die deutschen Armeekorps gut verpflegt und ausgerüstet den Vormarsch antreten. Seine Majestät hat sein Wort gehalten, an die Einnahme der Forts von Lüttich keinen Tropfen deutschen Blutes mehr zu setzen. Der Feind kannte unsere schweren Angriffsmittel nicht, daher glaubte er sich in den Forts sicher. Doch schon die schwächsten Geschütze unserer schweren Artillerie veranlaßten jedes durch sie beschossene Fort nach kürzester Frist zur Übergabe. Die noch erhaltenen Teile der Befestigungen retteten dadurch ihr Leben. Die Forts aber, gegen die unsere schweren Geschütze feuerten, wurden in kürzester Zeit in Trümmerhaufen verwandelt, unter denen die Besatzung begraben wurde. Jetzt werden die Forts wieder zur Verteidigung eingerichtet. Die Festung Lüttich soll den von unsern Gegnern gefaßten Plänen nicht mehr dienen, sondern den deutschen Heeren ein Stützpunkt sein.

Der Generalquartiermeister v. Stein.

 

Die Kämpfe im Elsaß

Berlin, 17. Aug. (W. B.)
Das Gefecht bei Mülhausen war ein Gelegenheitsgefecht. Anderthalb feindliche Armeekorps waren in das Oberelsaß eingedrungen, während unsere dort befindlichen Truppen noch in der Sammlung begriffen waren. Sie griffen trotzdem den Feind ohne Zaudern an und warfen ihn auf Belfort zurück. Danach folgten sie ihrer Aufmarschbestimmung.
Währenddessen hat eine kleine Festungsabteilung aus Straßburg am 14. ds. eine Schlappe erlitten. Zwei Festungsbataillone mit Geschützen und Maschinengewehren aus Festungsbeständen waren an diesem Tage im Vogesenpaß von Schirmeck vorgegangen. Sie wurden durch feindliches Artilleriefeuer vom Donon her überfallen. In der engen Paßstraße sind die Geschütze und Maschinengewehre zerschossen und unbrauchbar gemacht liegen geblieben. Jedenfalls sin
d sie vom Feinde erbeutet worden, der später auf Schirmeck vorging. Ein unbedeutendes Kriegsereignis, das keinerlei Einfluß auf die Operationen hat, aber den Truppen gegen Tollkühnheit und Unvorsichtigkeit ein warnendes Beispiel sein soll. Die wieder gesammelten Festungstruppen haben den Festungsbereich unverfolgt erreicht. Sie haben zwar ihre Geschütze, aber nicht den Mut verloren. Ob bei diesen Vorgängen Verrat der Landesbewohner mitgewirkt hat, wird noch festgestellt werden.

 

Deutschland und die Türkei

Konstantinopel, 17. Aug. (Priv.-Tel.)
Am Samstag hat in Stambul im Theater Millet eine große deutschfreundliche Kundgebung stattgefunden. Ein Abgeordneter von Smyrna sprach über die kulturelle Kraft der deutschen Nation, die diejenige anderer Völker, namentlich der Franzosen und Engländer weit übertreffe. Er forderte das ottomanische Volk auf, sich an die Seite Deutschlands zu stellen. Der Redner sprach sodann von dem Ankauf des deutschen Kreuzers "Goeben" durch die Türkei und schloß seine Rede mit der begeistert aufgenommenen Erklärung: "Bald wird der Halbmond in neuem Glanz erstrahlen"

 

Spanien bleibt neutral

Frankfurt, 17. Aug.
Der hiesige spanische Konsul Herr Francisco de Asis Caballero stellt im ausdrücklichen Auftrag des spanischen Botschafters in Berlin, Herrn Polo de Bernabes, auf das entschiedenste in Abrede, daß Spanien mit irgend einer Nation einen Vertrag abgeschlossen habe, der es zum Eingreifen in den Krieg nötige. Die bereits veröffentlichte Neutralitätserklärung Spaniens widerlegte schon diese Gerüchte, die in einem Teil der ausländischen Presse wiedergegeben waren.

 

Die Haltung Portugals

Berlin, 17. Aug.
Die hiesige portugiesische Gesandtschaft teilt mit, daß keinerlei Nachrichten bei ihr eingegangen sind die zu der Annahme berechtigen, daß das Gerücht von einer Beteiligung Portugals an dem gegenwärtigen Konflikt der Wirklichkeit entspräche. Sie hält es für der Wahrscheinlichkeit entbehrend. Die Gesandtschaft glaubt auch versichern zu dürfen, daß in hiesigen offiziellen Kreisen nichts vorliegt, was zu dem Gerüchte Anlaß gäbe.

 

Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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