Der Weltkrieg am 18. August 1914

 

Das Hauptquartier 

Berlin, 18. Aug.
Die Anwesenheit des Reichskanzlers und des Staatssekretärs des Auswärtigen im kaiserlichen Hauptquartier, über die die hiesigen Blätter Betrachtungen anstellen, ist etwas Selbstverständliches. Es ist im Kriege von siebzig genau so gehandhabt worden; auch da war der Monarch nicht nur von den Spitzen der Militär- und Marineverwaltung, sondern auch von den politischen Staatsleitern umgeben; wem ist nicht die Anwesenheit Bismarcks in Versailles bekannt. Durch diese Vollzähligkeit des Hauptquartiers ist die einheitliche Leitung und das Zusammenarbeiten allen maßgebenden Faktoren der Staatsverwaltung und ganz besonders auch die einheitliche Führung der auswärtigen Politik und des Krieges gesichert. Man darf überhaupt nicht vergessen, daß schon vor Ausbruch des Krieges, in der kritischen Zeit, die engste Fühlung zwischen dem Großen Generalstabe und den Leitern der auswärtigen Politik bestanden hat und daß sie fortbesteht. So unterliegt es keinem Zweifel, daß die gestern in der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" veröffentlichte Aufforderung der Regierung an Belgien, jetzt, nach der Eroberung von Lüttich, wieder eine neutrale Haltung einzunehmen, nicht etwa nur ein Akt der auswärtigen Politik gewesen ist, sondern daß dabei, wie auch bei der Veröffentlichung dieser Note, der Große Generalstab und das Auswärtige Amt im Einverständnis miteinander gehandelt haben.
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Ein Sieg im Osten - Über 3000 Gefangene 

Berlin, 18. Aug. (W. B.)
Das Generalkommando des 1. Armeekorps meldet, daß am 17. August bei Stallupönen
ein Gefecht stattfand, bei dem Truppenteile des 1. Armeekorps mit unvergleichlicher Tapferkeit kämpften, so daß der Sieg erfochten wurde. Mehr als dreitausend Gefangene und sechs Maschinengewehre fielen in unsere Hände; viele weitere russische Maschinengewehre, die nicht mitgeführt werden konnten, wurden unbrauchbar gemacht.
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Vorrücken der Deutschen im Osten 

Berlin, 18. Aug. (W. B.)
Mlawa ist von den deutschen Truppen besetzt worden. (Mlawa liegt 30 Kilometer südöstlich von Soldau an der ostpreußischen Grenze, 120 Kilometer östlich der Weichsel.)
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Vom österreichisch-russischen Schauplatz 

Wien, 18. Aug. (Priv.-Tel.)
Im Regimentskommandobefehl des Regiments Hoch- und Deutschmeister, der den Tod des Kommandanten Obersten Baron Holzhausen meldet, heißt es: "Den herben Verlust, den unser Regiment durch den Tod seines innigstgeliebten Regimentskommandanten erlitten, werden wir nicht ungerächt lassen, und Offiziere wie Mannschaften schwören bei unserer Regimentsfahne, für das große Opfer eine vielfache Vergeltung zu üben."
Bei Tarnow überschreiten tagtäglich größere und kleinere Abteilungen russischer Deserteure aller Waffengattungen, besonders ukrainische Kosaken, die Grenze und übergeben sich
unseren Truppen. Die Deserteure erzählen, daß die Fahnenflucht im russischen Heere immer größeren Umfang annehme.
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Zwei frühere österreichische Erzherzöge im bayerischen Heeresdienst 

München, 18. Aug.
Zwei Mitglieder des österreichischen Herrscherhauses, die seinerzeit auf ihren Rang verzichtet, aus der Armee ausgetreten sind und gegenwärtig in München leben, haben sich nach dem "Neuen Pester Journal" in den Landsturm der bayerischen Armee einreihen lassen und ihren Dienst bereits angetreten. Es handelt sich um den früheren Erzherzog Leopold, der den bürgerlichen Namen Leopold Wölfling annahm, und einen Bruder des ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand, der seither den Namen Ferdinand Burg führt.
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Die belgische Regierung verläßt Brüssel 

Amsterdam, 18. Aug. (Priv.-Tel.)
Der belgische König und seine Familie sind nach dem Schloß in Antwerpen übergesiedelt. Die Übersiedelung der Regierung von Brüssel nach Antwerpen hat begonnen. In der Umgebung von Brüssel wird durch die Bürgerwehr der Stadt die Verteidigung vorbereitet.
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Eine Äußerung des Admirals v. Knorr 

Berlin, 18. Aug.
Admiral z. D v. Knorr, der an Jahren und Dienstalter älteste Seeoffizier unserer Marine, der schon im Kriege 1870/71 unsere Flotte durch den Sieg bei Havanna zu Ehren brachte, schreibt der "Täglichen Rundschau": Es gilt in diesen Tagen, vor den entscheidenden Zusammenstößen unserer Heere mit dem Feinde an der Westgrenze die drückende Ungeduld in eigener Brust mit würdiger Ruhe und festem Vertrauen auf den endlichen Sieg unserer gerechten Sache zu dämpfen: wie für die Unternehmungen zu Lande, so auch für die auf den Meeren. Die englische Flotte wird, wenn die englische sogenannte Expeditionsarmee unter ihrem Schutze auf französischem Boden gelandet worden ist, wohl nicht lange zögern, an der deutschen Nordseeküste zu erscheinen. Damit ist erst der Beginn für die Unternehmungen auf dem Wasser gegeben. Das deutsche Volk mag sich aber dessen versichert halten, daß deutsche Tatkraft und Opferfreudigkeit Herz und Seele unserer Schiffsbesatzung erfüllen, daß sie, auch erdrückender Übermacht gegenüber, immer und überall ihre Schuldigkeit tun und zu sterben wissen wird. Darum: Aufgeschaut und Gott vertraut!"
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"U 15"
"U 15"

Verlust eines Unterseebootes 

Berlin, 18. Aug. (Priv.-Tel.)
Amtlich wird bekannt gegeben: Von einer Fahrt mehrerer Unterseeboote nach der
englischen Küste ist das Boot "U 15" bisher nicht zurückgekehrt. Englischen Zeitungsnachrichten zufolge soll "U 15" im Kampf mit englischen Streitkräften vernichtet worden sein. Ob und welche Verluste diese hierbei erlitten haben, ist nicht zu ersehen.

Berlin, 18. Aug., 12.45 N. (Priv.-Tel.)
Das Unterseeboot "U 15" ist, wie amtlich bekanntgegeben wird, bei einer kühnen Fahrt an die englische Küste, die es gemeinsam mit mehreren anderen Unterseebooten unternahm, aller Wahrscheinlichkeit nach vernichtet worden. Nach englischen Zeitungen soll ein Kampf mit englischen Streitkräften stattgefunden haben, und der englische Marineminister Churchill hat sogar die Stadt Birmingham beglückwünscht, daß ein Kreuzer ihres Namens den Sieg über unser kleines Unterseeboot errungen und es zum Sinken gebracht habe. Wir beklagen den Verlust von vielleicht 20 tapferen und opfermutigen Seeleuten, aber einen Anlaß zum Pessimismus gibt diese Meldung nicht. Wer siegen will, muß auch bereit sein, Opfer zu bringen, und daß dieser Geist in unsrer Marine herrscht, hat auch dieser neue Vorstoß bewiesen. Kein englisches Schiff hat sich bisher in deutschen Gewässern gezeigt, während jetzt die zweite Meldung einer Aktion deutscher Fahrzeuge in englischen Gewässern kommt. Das kann das Vertrauen zur Führung unserer Marine stärken. Neben den Verlusten an Menschenleben hat uns dieses Auftreten der Unterseebootflottille auch Materialschaden gebracht. Natürlich wird man alles tun, diesen möglichst rasch wieder auszugleichen und, wie wir hören, sind eine große Anzahl neuer Torpedoboote und Unterseeboote auf den schnell bauenden deutschen Werften in Auftrag gegeben worden. In den letzten Tagen sind auch schon drei neue, eben fertig gestellte Unterseeboote zu den bereits beim Ausbruch des Krieges vorhandenen hinzugetreten und weitere werden folgen.
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"Goeben" und "Breslau" 

Berlin, 18. Aug. (Priv.-Tel.)
Nicht nur in englischen, sondern auch in italienischen Blättern finden wir die Meldungen daß die "Goeben" und "Breslau" havariert in Pola eingelaufen seien. Auch diese Meldung dürfte, wie so viele Falschmeldungen der letzten Tage, auf englische Ausstreuungen zurückzuführen sein. Das "Tageblatt" bemerkt dazu: Zu unserer Freude sind wir in der Lage, versichern zu können, daß die "Goeben" und "Breslau" vollkommen unbeschädigt sind.
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Der 1. Weltkrieg im August 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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