Der Weltkrieg am 5. September 1914

 

Die Räumung Lembergs

Kriegspressequartier, 5. Septbr. (Priv.-Tel.)
Die österreichisch-ungarische Hauptarmee hat Lemberg und seine Umgebung geräumt, nicht nur weil dort die militärische Verteidigung Schwierigkeiten bietet, sondern auch weil die Behauptung dieses Punktes bei der allgemeinen strategischen Lage nicht mehr vorteilhaft erschien. Dabei spielte auch die Rücksicht mit, daß der Stadt eine durch strategische Notwendigkeiten keineswegs gerechtfertigte Beschießung durch die russische Artillerie erspart werden soll.
Die von der österreichischen Armeeleitung verfügte Räumung Lembergs war in der Nacht vom 3. auf den 4. September, von den Russen unbemerkt, beendet worden. Die Russen beschossen nämlich die verlassenen Positionen noch am 4. September während einiger Stunden. Jetzt ist wenigstens auf dem ostgalizischen Kriegsschauplatz die den Grenzkämpfen folgende Phase zu einem gewissen Abschluß gelangt.
Im großen und ganzen kann gesagt werden, daß in der Zeit vom 24. August bis zum heutigen Tage längs der ganzen ungeheuren Front, von der Weichsel bis zum Dnjestr, mit Aufbietung aller verfügbaren Kräfte, beiderseits hartnäckig gekämpft wurde. Wenige Tage ohne große Gefechte sind in diesen zwei blutigen Wochen zu verzeichnen, und auch sie dienten nur der Möglichkeit erneuter Kämpfe.
Der österreichische westliche Flügel und seine nach und nach auftretenden Verlängerungen gegen den Bug schreiten in derselben Zeit ungefähr in demselben Maße vorwärts, in welchem die österreichischen Ostarmeen weichen. Ich vermeide das verrufene Wort der "Rückwärtskonzentrierung", obwohl es hier wirklich am Platze wäre. Der Effekt dieser sehr interessanten Operation ist die zunehmende Totalschwenkung der ganzen Riesenfront aus anfänglich südöstlich verlaufender Richtung in eine mehr nordsüdliche, bei gleichzeitiger Verkürzung. Ein aufmerksamer Blick auf die Karte ergibt die strategischen Vorteile, die sich bei der jetzt geschaffenen Lage anstreben und vielleicht auswerten ließen, und manch anregende Kombination.
Die angriffsweisen Kämpfe der Österreicher und Ungarn gegen stark befestigte vorbereitete Stellungen um Lublin dauern fort. Um Lemberg herrscht auch heute volle Ruhe. Beide Armeen sind daselbst in Retablierung nach den achttägigem Kämpfen.
Die Schlacht bei Komarow spielte sich zum Teil auf einem Artillerieschießplatz der Russen ab, ein für diese günstiger Umstand.
Die Kämpfe um Lublin werden auch heute fortgesetzt.
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Siegreiches Gefecht der Österreicher gegen die Montenegriner

Wien, 5. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.) 
Aus dem Kriegspressequartier wird amtlich gemeldet:
Das Armeeoberkommando hat heute folgenden Befehl erlassen: 
Die im Grenzraume von Avtovac stehende dritte Gebirgsbrigade hatte schon vor kurzer Zeit einen schneidigen Einbruch auf montenegrinisches Gebiet unternommen, der von Erfolg gekrönt war. Nach kurzer Zeit der Ruhe unternahm diese tapfere kleine Schar am 30. August neuerlich einen Vorstoß gegen die vor Bileca stehenden, an Zahl überlegenen montenegrinischen Streitkräfte. In heldenmütigen mehrtägigen Kämpfen gelang es der unter dem Kommando des Generalmajors Heinrich von Pongracz stehenden tapferen Brigade, die Montenegriner unter großen Verlusten zurückzuwerfen und ihnen ein schweres Geschütz abzunehmen, sowie die hart bedrängte Grenzbefestigung von Bileca völlig zu befreien. Ich betrachte es als Ehrenpflicht, diese von Heldenmut und Opferfreudigkeit zeugenden Taten der tapferen dritten Gebirgsbrigade allen Kommandos und Truppen sofort mit dem Beifügen bekannt zu geben, daß ich selbstverständlich nicht ermangele, diese Ruhmestaten unserer Kameraden im Süden Seiner Majestät alleruntertänigst zu melden.

gez. Erzherzog Friedrich,
General der Infanterie.
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Die Wahrheit über Löwen

Frankfurt, 5. September.
Das deutsche Konsulat in Rotterdam hat dem "Nieuwe Rotterdamsche Courant" folgendes Telegramm des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten zu Berlin vom 30. August mitgeteilt:
Die Obrigkeit hatte die Stadt Löwen übergeben. Montag den 24. August begann in Löwen das Einquartieren der Truppen, und der Verkehr mit den Einwohnern wurde freundschaftlich. Dienstag den 25. August nachmittags rückten auf den Bericht von einem zu erwartenden Ausfall Truppen gegen Antwerpen aus. Der Kommandierende General begab sich in einem Auto nach der Front. Bloß Abteilungen des Landwehrbataillons Neuß für die Eisenbahnbewachung blieben zurück. Als der zweite Teil des Generalkommandos dem kommandierenden General zu Pferde folgen wollte und auf dem Markt antrat, wurde aus den rundum stehenden Häusern geschossen.
Alle Pferde wurden getötet und fünf Offiziere verwundet, einer davon schwer. Zu gleicher Zeit wurde in ungefähr zehn anderen Stadtteilen geschossen, ebenso auf Soldaten, die gerade am Bahnhof angekommen waren, und auf einen ankommenden Militärzug. An einem vorher verabredeten Zusammengehen mit dem Ausfall aus Antwerpen ist nicht zu zweifeln. Zwei Priester waren bei der Verteilung von Patronen zugegen. Der Straßenkampf dauerte bis Mittwoch den 26. August nachmittags, wo es der inzwischen angekommenen Verstärkung gelang, Herr der Situation zu werden. Die Stadt und die nördliche Vorstadt standen an verschiedenen Orten in Brand und sind jetzt wahrscheinlich abgebrannt.
Von der belgischen Regierung war dieser allgemeine Volksaufstand gegen den anrückenden Feind schon lange vorbereitet; Waffendepots waren eingerichtet, in denen jedes Gewehr mit dem Namen des Bürgers versehen war, der damit bewaffnet werden sollte.
Ein spontaner Volksaufstand ist auf das Verlangen einiger kleiner Staaten auf der Haager Konferenz als völkerrechtlich angenommen worden, wenn die Waffen sichtbar getragen und die Kriegsgesetze befolgt werden, doch bloß, wenn es gilt, einem heranziehenden Feind entgegenzurücken. In diesem Fall hatte die Stadt sich aber bereits übergeben und die Bevölkerung dadurch also von weiterem Widerstand abgesehen; die Stadt war durch unsere Truppen bereits besetzt. Trotzdem fiel die Bevölkerung die Besatzung und die ankommenden Truppen, welche, durch eine anscheinend freundliche Haltung irregeführt, in Zügen und Autos ankamen, von allen Seiten an und es wurde ein mörderisches Feuer auf sie eröffnet. Das war also kein erlaubte Kriegslist, sondern eine verräterische Überrumpelung durch die bürgerliche Bevölkerung, ein um so verwerflicherer Überfall, als dieser früher schon vereinbart war und gleichzeitig mit dem Ausfall aus Antwerpen statthaben sollte.
Die Waffen wurden nicht sichtbar getragen, Frauen und junge Mädchen nahmen an dem Gefecht teil und stachen den Verwundeten die Augen aus.
Das barbarische Auftreten der belgischen Bevölkerung in fast allen von uns besetzten Teilen des Landes hat uns nicht allein das Recht zu strengen Maßregeln gegeben, sondern uns im Interesse der Selbsterhaltung dazu gezwungen. Der intensive Widerstand der Bevölkerung geht auch daraus hervor, daß in Löwen mehr als 24 Stunden zur Unterdrückung des Aufstandes nötig waren.
Daß bei diesen Gefechten ein großer Teil der Stadt zerstört worden ist, tut uns selbst leid, solche Folgen lagen selbstredend nicht in unserer Absicht, können aber bei dem schändlichen gegen uns geführten Franktireur-Krieg nicht vermieden werden. Wer den gutmütigen Charakter unserer Truppen kennt, wird nicht im Ernst behaupten können, daß sie zu unnötiger oder sogar mutwilliger Vernichtung geneigt seien.
Die ganze Verantwortung für das Geschehene trägt die belgische Bevölkerung, die sich selbst außerhalb von Recht und Gesetz gestellt, und die belgische Regierung, die mit verbrecherischer Leichtfertigkeit die Bevölkerung mit Anweisungen dem Völkerrecht zum Trotz versehen und zum Widerstand angetrieben hat und die auch nach unseren erneuten Warnungen nach dem Fall Lüttichs nichts getan hat, um sie zu einem friedlicheren Verhalten anzuspornen.

Die "Frankfurter Zeitung" schrieb dazu:
Die Veröffentlichung einer amtlichen deutschen Darstellung der Vorgänge in Löwen wird überall mit Genugtuung begrüßt werden, wo Lüge und Verleumdung nicht zum Beruf oder zur nationalen Notwendigkeit geworden sind, um die eigene Schande zu verdecken. Das Ziel des amtlichen Berichts ist das Ausland und besonders die uns umgebenden neutralen Staaten. Das zeigt die Form der Veröffentlichung. Die wenig schmeichelhafte Kritik, die das Vorgehen unserer Truppen in Löwen in einem Teil der ausländischen Presse gefunden hat, macht es begreiflich, daß wir Deutsche eine amtliche Erklärung mit Ungeduld erwartet haben. Das Schriftstück kann seine Wirkung im Ausland nicht verfehlen, denn durch die Erfahrungen dieses Feldzuges weiß man dort, daß inmitten all des Ekels von Trug und Lüge, die unsere Grenzen umgeben, das deutsche Wort sich stets als wahr und rein erwiesen hat. Für uns Deutsche aber, für unser eigenes Urteil über das furchtbare Strafgericht von Löwen, das wir als ein unvermeidliches Unglück beklagen, ist die amtliche Bestätigung, daß die schweren Anklagen, die man gegen uns gerichtet hat, unbegründet sind und daß unsere deutschen Truppen bei der Niederwerfung eines gemeinen und schamlosen Überfalls so gehandelt haben, wie sie handeln mußten, eine große Erleichterung und Beruhigung. Wohl hatten wir immer die Zuversicht und die feste Überzeugung, daß unsere Söhne und Brüder auch in dem Wahnsinn des Krieges und in der berechtigten Erbitterung über die Greuel eines Volkes, dessen entmenschte Frauen, Männer und Kinder unsere Verwundeten in der entsetzlichsten Weise verstümmelt haben, niemals es übers Herz bringen könnten, mit den Schuldigen auch die Unschuldigen so schwer leiden zu lassen, wie es in Löwen tatsächlich geschehen ist, wenn sie es wirklich vermeiden können. Aber doch erschienen die Folgen des Strafgerichts so ungeheuer, daß man danach verlangte, durch eine offene Erklärung der deutschen Behörden das ausdrücklich bestätigt zu erhalten, woran man sicher glaubte: daß wir frei von Schuld sind. Das amtliche Schriftstück spricht für sich selbst. Bedarf es noch anderer Beweise für die Schuld der belgischen Behörden und der Einwohner von Löwen, wenn man liest, daß Waffendepots in Löwen bestanden, "in denen jedes Gewehr mit dem Namen des Bürgers versehen war, der damit bewaffnet werden sollte". Muß nicht jedes Mitleid verstummen, wenn man hört, daß "Frauen und junge Mädchen an dem Gefecht teilgenommen und den Verwundeten die Augen ausgestochen" haben? Und kann noch jemand den Mut haben, den deutschen Soldaten die Zerstörungen, die angerichtet worden sind, zum Vorwurf zu machen, wo feststeht daß unsere Truppen, die doch wahrlich zu kämpfen verstehen, vierundzwanzig Stunden lang schwer haben fechten müssen, um den Aufruhr in den Straßen und Häusern niederzuwerfen?

 

Deutsche Kriegsgefangene in Südafrika

London, 5. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.)
Das Reutersche Bureau meldet aus Kapstadt: Etwa achthundert deutsche und österreichische Reservisten werden in einem besonderen Lager bei Johannesburg als Kriegsgefangene zurückgehalten. Der Prinz von Salm-Salm und andere Offiziere erhielten besondere Quartiere in Bloemfontein.
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Die Stimmung in Konstantinopel

Konstantinopel, 5. Septbr. (W. B. Nichtamtlich.)
Die österreichisch-ungarische und die deutsche Kolonie sowie das türkische Publikum nahmen die Nachrichten von dem Siege der österreichisch-ungarischen Waffen mit großer Freude auf.

Konstantinopel, 5. Septbr. (W. B.)
Die jüngst erlassene Bekanntmachung des Marineministeriums setzt die verbotene Zone am Eingang des Rumeli-Feuers bis Messarburnu bei Bujukdene, also in einer Länge von etwa 10 Kilometern fest. Hieraus geht hervor, daß die anfänglich verhältnismäßig enge Minenzone bedeutend erweitert ist. Die Militärverwaltung läßt durch Trommelschlag die Reservisten und den nicht ausgebildeten Landsturm bis zum 45. Lebensjahr auffordern, von heute ab einzurücken.
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Der 1. Weltkrieg im September 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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