Die
Flieger im Felde
Großes
Hauptquartier, im September.
Die Verwendung der Flugzeuge im Feldzuge 1914 hat zweifellos vorzügliche
Ergebnisse geliefert. Bereits zu Beginn des Krieges trat eine gewisse
Verschiedenheit in der Verwendung der Flugzeuge auf deutscher und französischer
Seite ein. Die französischen Flieger wurden während des deutschen
Aufmarsches weit in das Innere des Landes bis Frankfurt, Mainz, Nürnberg
usw. vorgetrieben, mit der Aufgabe, durch Zerstörung von Brücken
und Bahnhöfen den deutschen Aufmarsch zu stören. Die Überweisung
einer derartigen Aufgabe an die Fliegertruppe endete mit einem völligen
Mißerfolg, führte dagegen zu empfindlichen Verlusten für
die Franzosen, da eine ganze Anzahl französischer Flieger bereits
zu Anfang des Krieges heruntergeschossen wurden.
Die Deutschen dagegen hielten ihre Flugzeuge bis zum Beginn des eigentlichen
Feldzuges zusammen und setzten sie erst dann zur Erfüllung der Hauptaufgabe,
nämlich zu reinen Erkundungszwecken ein. Was das verwendete Motorenmaterial
anbetrifft, so hat sich der durch Wassergekühlte Mercedesmotor in
Verbindung mit Doppeldeckern als das praktischste Kriegsinstrument erwiesen.
Seine Geschwindigkeit genügt vollkommen, und ein bekannter Fliegeroffizier
bemerkte ganz richtig, daß ein guter Flieger in einer Stunde mehr
sehe, als eine Armee in drei Tagen verarbeiten kann. Vor allem hat der
wassergekühlte Motor den großen Vorteil sparsamen Betriebsstoffverbrauches
und gewährt im Verein mit dem Doppeldecker die Möglichkeit,
eine bedeutend größere Nutzlast mitzuführen, als dies
den Franzosen bei ihren mit Vorliebe verwendeten Eindeckern möglich
ist. Auch die Beigabe geschulter Beobachtungsoffiziere hat sich als sehr
zweckmäßig erwiesen. Die französischen Flugzeuge sind,
so weit es bekannt geworden ist, stets nur von einem Fliegeroffizier und
dessen Mechaniker bestückt, wobei der Fliegeroffizier zugleich als
Flugzeugführer fungiert. Es ist vielfach aufgefallen, daß die
Franzosen meist sehr hoch flogen, wodurch naturgemäß die Beobachtung
eingeschränkt wurde. Immerhin haben die französischen Flieger
auch stets ihre Pflicht getan, und zwar mit gutem Erfolge. So fand man
vor einigen Tagen bei einem bei Nancy heruntergeschossenen französischen
Flieger eine Meldung vor, die recht zutreffende Angaben über Stärke
und Art der gegenüberstehenden deutschen Kräfte enthielt.
Der Luftkrieg an sich kann nach den bisherigen Erfahrungen als eine Utopie
bezeichnet werden. Die Aufgabe des Fliegers ist zu sehen, aber nicht zu
kämpfen, und auch die französischen Flieger folgen diesem Grundsatze.
So war ein deutscher Flieger unlängst bei einem Erkundungsfluge auf
zwei französische Flieger gestoßen. Da er glaubte, von diesen
angegriffen zu werden, hielt er kurz entschlossen scharf auf einen derselben
zu, als wenn er ihn selbst angreifen und zum Absturz bringen wolle. Hierauf
machten beide französische Flieger kehrt und wichen dem Deutschen
aus. Als sehr unangenehm wird Infanteriefeuer und vor allem Maschinengewehrfeuer
geschildert. Sobald der Flieger die wohlbekannt Musik der vorbeipfeifenden
blauen Bohnen hört, tut er am klügsten, sofort höher zu
gehen. Andererseits hat die Praxis erwiesen, daß Schüsse in
die Tragfläche des Flugzeuges keine ernstliche Folgen haben und die
Sache nur dann kritisch wird, wenn wesentliche Teile des Motors oder der
Benzinkasten getroffen werden. Artilleriefeuer hat im allgemeinen nur
geringe Wirkung, und es ist eigentlich nur ein Fall bekannt, wo ein französischer
Flieger durch Artillerie heruntergeholt wurde. Es war dies der bekannte
Rekordmann Garros, der lange den Höhenrekord hielt. Er bekam einen
Volltreffer in sein Flugzeug Der Apparat stand im Nu in Flammen und fiel
dann wie ein Stein zur Erde.
Die Organisation unserer Fliegerstationen, vor allem auch der Nachschub
der Betriebsmittel hat in diesem Feldzuge in geradezu hervorragender Weise
funktioniert. Wir trafen auf unseren Reisen wiederholt Fliegerstationen,
die, obwohl dicht an den Feind herangeschoben, dennoch über einen
derartig großen Vorrat an Betriebsstoffen verfügten, daß
sie sogar noch in der Lage waren, uns davon abzugeben.
Über das Material unserer Fliegertruppe läßt sich nur
das eine sagen, daß unsere sämtlichen Flieger, von rücksichtslosem
Schneid beseelt, auch die schwierigste Aufgabe mit der kühlsten Selbstverständlichkeit auffassen. Die Schußlöcher
ihrer Apparate werden wie eine Schießscheibe zugeklebt und mit dem
Datum versehen. Eine ganze Anzahl dieser Flugzeuge hat schon eine Menge
solcher Pflaster aufzuweisen. Ein klares Bild von der Geistesgegenwart,
mit der unsere Fliegern auch in den schwierigsten Lagen handeln, gibt
folgende Geschichte: Ein junger Fliegeroffizier war mit Automobil in Begleitung
seines Chauffeurs vorgeschickt worden, um einen geeigneten Landungsplatz
weiter vorne zu ermitteln. Er fand diesen am Rande eines Waldes und war
gerade eifrig beschäftigt, ihn durch die bekannten weißen Bänder
zu markieren, als plötzlich aus dem Walde drei Zuaven heraustraten.
Sofort schoß er auf diese und brüllte sie gleichzeitig mit
Donnerstimme mit den Worten "Weg mit den Waffen, Hände hoch"
auf Französisch an. Die Waffen der Zuaven rasselten zur Erde nieder
und die Gesellschaft ergab sich. Kaum war aber diese Gefahr beseitigt,
so zeigte sich auf dem Wege, den der Flieger zurück mußte,
eine Staubwolke, in der er zu seiner Überraschung eine Kolonne französischer
Kavallerie feststellte. Kurz entschlossen steckte er die drei Zuaven in
sein Auto; zwei wurden hinten festgebunden, daneben nahm. der Chauffeur
Platz, dem eine Zuavenmütze aufgestülpt wurde, der dritte wurde
vorn neben den Führersitz festgebunden. Dann kurbelte der Offizier
den Wagen an und fuhr dreist und gottesfürchtig in einem Höllentempo
an der ganzen Kavalleriekolonne vorbei. Diese hielt natürlich mit
Rücksicht auf die im Kraftwagen befindlichen Zuaven das Fahrzeug
für ein französisches Automobil und machte ihm unter freundlichen
Zurufen Platz. Gänzlich unbeschädigt langte der kühne Offizier
bei den Seinigen wieder an und lieferte seine drei Gefangenen ab.
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