Der Weltkrieg am 2. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Fortschritt beim Kampf um Ypern -
Ein russischer Durchbruchsversuch abgewiesen

Großes Hauptquartier, 2. November, vormittags.
Im Angriff auf Ypern wurde weiter Gelände gewonnen. Messines ist in unseren Händen.
Gegenüber unserem rechten Flügel sind jetzt mit Sicherheit Inder festgestellt. Diese kämpfen nach den bisherigen Feststellungen nicht in eigenen geschlossenen Verbänden, sondern sind auf der ganzen Front der Engländer verteilt.
Auch in den Kämpfen im Argonnerwalde wurden Fortschritte gemacht. Der Gegner erlitt hier starke Verluste.
Im Osten ist die Lage unverändert. Ein russischer Durchbruchsversuch bei Szittkehmen wurde abgewiesen

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Nervosität in Paris

Von der Schweizer Grenze, 2. November. (Priv.-Tel.)
Die französische Presse wird durch das Herannahen der Entscheidung in dem langen Kampf im Norden und Osten in eine fühlbare Erregung versetzt. Das Vertrauen auf den eigenen Sieg, das noch vor wenigen Tagen fest begründet erschien, hat einer nervösen Hoffnung auf die baldige Erschöpfung des Gegners Platz gemacht. Die militärischen Mitarbeiter der Zeitungen halten es sogar für richtig, die Deutschen auf die Fehler ihres Feldzugsplanes aufmerksam zu machen. General Berthaut kritisiert im "Petit Journal" und Oberstleutnant Rousset im "Petit Parisien", daß die deutsche Armee unter allen Umständen die Beherrschung des Kanals anstrebe, um England direkt angreifen zu können, was aber nicht gelingen werde, selbst wenn die Deutschen bis Dünkirchen und Calais vordringen würden. Der "Figaro" jammert unter den üblichen rohen Schimpfereien auf den Deutschen Kaiser über die große Menge von Opfern, welche die Schlacht im Norden den Deutschen verursache, denn er darf über die Größe der französischen Opfer natürlich überhaupt nicht reden.
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Der englische Kreuzer "Hermes" versinkt

Die Vernichtung des englischen Kreuzers "Hermes"

Berlin, 2. November.
Die nichtamtliche Meldung über die am 31. Oktober erfolgte Vernichtung des englischen Kreuzers "Hermes" durch ein deutsches Unterseeboot wird hiermit amtlich bestätigt. Das Unterseeboot ist wohlbehalten zurückgekehrt.

Der stellvertretende Chef des Admiralstabs.
Behncke.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Österreichisch-ungarische Fortschritte im Sangebiet

Wien, 2. November.
Amtlich wird verlautbart:
In den Gefechten am San hatten die Russen, namentlich bei Rozwadow, schwere Verluste. Wir machten dort 400 Gefangene und erbeuteten drei Maschinengewehre. Südlich Stary-Sambor nahmen wir auch 400 Russen gefangen. In diesem Raume und nordöstlich Turka machte unsere Vorrückung weiter Fortschritte.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
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Schabatz von den Österreichern und Ungarn erstürmt

Wien, 2. November.
Amtlich wird verlautbart:
Unsere Offensive durch die Macva schreitet siegreich vorwärts. Aus den befestigten Stellungen vertrieben, leistet der Gegner bisher nur wenig Widerstand. Nur an der Nordlisiere von Schabatz mußten stark verschanzte Positionen im Sturmangriff genommen werden; Schabatz selbst wurde nachts erstürmt. Unsere durch die Matschwa vorgerückten Kolonnen haben bereits die Bahnlinie Schabatz-Ljesnitza überschritten; die Kavallerie ist am Feinde und machte auch Gefangene.
Einen schweren Verlust haben unsere Balkanstreitkräfte zu beklagen: Der Feldpilot Oberleutnant Sanchez wurde von einem feindlichen Geschoß, welches auch seinen Beobachter verletzte, schwer verwundet. Trotz furchtbarer Schmerzen vermochte der wackere Pilot mit Aufbietung der letzten Kräfte den Apparat auf den zirka 70 Kilometer entfernten Flugplatz zu steuern und glatt zu landen. Er starb gestern; vorher hatte er das von Sr. Majestät telegraphisch verliehene Militärverdienstkreuz erhalten.

Potiorek,
Feldzeugmeister.

 

Die Kämpfe in Serbien

Budapest, 2. November. (Priv.-Tel.)
Unsere Truppen dringen unaufhaltsam in der Matschwa vor. Nach der bereits offiziell gemeldeten Einnahme von Gruschi wurde Metkowitsch angegriffen. Die dort in betonierten Deckungen befindlichen serbischen Truppen wurden verjagt und ließen ihren ganzen Train zurück. Während das Zentrum unserer Truppen Metkowitsch besetzte und gegen Veliko-Polje vorrückte, griff unser linker Flügel die noch in befestigten Stellungen bei dem von uns bereits besetzten Tabanowitsch befindlichen Serben von zwei Seiten an und eroberte nach mehrmaligem Bajonettangriff alle Stellungen, wobei viele Serben gefangen genommen wurden.

Budapest, 2. November. (W. B.)
Die Blätter berichten, daß Metkowitsch, welches das größte Hindernis auf dem Wege nach Valjewo ist, von unseren Truppen eingenommen worden ist, nachdem es in stark betonierten Verschanzungen von den Serben hartnäckig verteidigt worden war. Die Serben haben sich unter Zurücklassung ihres Trains nach Valjewo zurückgezogen. In dem Gefecht bei Turka wurden 2700 Gefangene gemacht, darunter zahlreiche Tataren und Mongolen. Ein großer Teil dieser Gefangenen ist heute in 30 Waggons in Nyiregyhaza eingetroffen.
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Die Kämpfe im Orient

Konstantinopel, 2. November. (W. B.)
Ein offizielles, durch die "Agence Ottomane" veröffentlichtes Communique besagt: "Nach amtlichen Nachrichten von der kaukasischen Grenze haben die Russen an mehreren Punkten unsere Grenztruppen angegriffen, wobei sie zum Teil dank dem energischen Widerstand, der von den türkischen Truppen ihnen entgegengesetzt wurde, Verluste erlitten. Im Mittelmeer haben englische Kreuzer das Feuer eröffnet und ein griechisches Torpedoboot,
das sich ihnen näherte, zum Sinken gebracht, da sie es für ein türkisches hielten. Diese beiden Ereignisse zeigen, daß unsere Feinde zu Wasser und zu Lande die Feindseligkeiten gegen uns eröffnet haben, die sie seit langer Zeit gegen uns vorhatten. Die ganze ottomanische Nation ist bereit, vertrauend auf den Schutz Gottes, den einzigen Schützer von Recht und Billigkeit, auf diese Angriffe zu antworten, die darauf abzielen, unsere Existenz zu vernichten."
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Das Minenschiff "Pruth"

Konstantinopel, 2. November. (W. B.)
Eine amtliche Mitteilung gibt bekannt, daß die Offiziere und Mannschaften des russischen Minenschiffes "Pruth" in dem Verhör zugestanden haben, daß der "Pruth" in Sewastopol mit Minen beladen worden sei. Die Offiziere und die Besatzung des "Pruth", die jahrelang auf dem russischen Stationsschiff in Konstantinopel dienten, waren mit dem Gewässer im Bosporus vollkommen vertraut. Als die russische Flotte erfuhr, daß sich ein schwacher Teil der türkischen Flotte zu einer Übung in das Schwarze Meer begeben habe, ging sie am 27. Oktober von Sewastopol südlich in See und ließ nur ein Verteidigungsgeschwader dort. Auch der "Pruth" fuhr in südlicher Richtung ab. Die Absicht der russischen Schiffe war, vor der Mündung des Bosporus Minen zu legen und das kleine, sich im Schwarzen Meere aufhaltende Geschwader anzugreifen, sowie die türkische Hauptflotte, wenn diese dem Geschwader zu Hilfe eilte, durch Minen zu vernichten. Die türkische Flotte bemerkte das russische Minenschiff, das von Torpedobooten begleitet war, rechtzeitig und brachte es, wie bereits gemeldet wurde, zum Sinken.

Konstantinopel, 2. November. (Priv.-Tel.)
Die gefangenen Offiziere und Mannschaften des russischen Minenlegers "Pruth" sind in Ismidt, einer Station der anatolischen Bahnen, interniert. Es wird ihnen dort eine sehr gute Behandlung zuteil. Ihre vor einer Untersuchungskommission abgegebenen Aussagen bestätigen, daß "Pruth" den Auftrag empfing, mit seinen 700 Minen die Einfahrt zum Bosporus zu verseuchen. Er wurde vom türkischen Torpedojäger "Peikki-Schefket" in einer Entfernung von 20 Seemeilen vor dem Bosporus auf frischer Tat ertappt. Der "Pruth" gab den ersten Schuß auf das türkische Torpedoboot ab.
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Ein französisch-englischer Angriff

Konstantinopel, 2. November (Priv.-Tel.)
Im Golfe von Tschesme griffen französische und englische Schiffe zwei kleine türkische Kanonenboote von 160 Tonnen "Burak Reiß" und "Kinali" an. Die türkischen Kommandanten lehnten die Auforderung zur Übergabe ab.
(Tschesme liegt zwischen der Insel Chios und dem Smyrna vorgelagerten und den Hafen dieser Stadt schützenden Vorgebirge. Bei Tschesme vernichtete 1770 eine große russische Flotte unter dem Admiral Orlow die Flotte der Türken.)

Konstantinopel, 2. November. (W. B.)
Nach amtlichen Meldungen handelt es sich bei dem Vorfall von Tschesme um das Handelsschiff "Kinali Age" und die Jacht "Beirut" die infolge der Sperrung des Hafens von Smyrna auf der Reede von Vurla verankert waren. Zwei englische Torpedobootszerstörer forderten die beiden Schiffe auf, sich innerhalb von zehn Minuten zu ergeben. Die Kapitäne lehnten die Übergabe kategorisch ab, setzten die Mannschaften an Land und brachten selbst beide Schiffe zum Sinken. Bezüglich dieses Vorfalles wird hervorgehoben, daß sich England einer Verletzung des Völkerrechts schuldig gemacht hat, indem es einen Angriff auf Schiffe unternahm, die als neutral anerkannt waren. Die "Beirut" war in das Rote Meer gesandt worden, um dort Bojen zu legen und war lange Zeit mit dieser Arbeit beschäftigt. Auf das Ersuchen von England hat sich damals ein englischer Fachmann an Bord des Schiffes befunden. Nachdem die "Beirut" ihre Mission erfüllt hatte, befand sie sich nunmehr auf der Heimfahrt nach Konstantinopel. Somit hat England ein Schiff angegriffen, das wissenschaftlichen Zwecken diente und das vom Völkerrecht als neutral anerkannt war.
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Das russische Kabel zerschnitten

Sofia, 2. November. (W. B.)
Nach einer Meldung aus Varna ist das Kabel Varna-Sewastopol zerschnitten worden.
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Aus Konstantinopel

Konstantinopel, 2. November. (Priv.-Tel.)
Ein vom russischen Botschafter an den Großwesir gerichtetes Schreiben hat nur kurzen Inhalt und lautet: Infolge der Beschießung der nicht befestigten Städte Odessa und Feodosija durch die türkische Flotte erhielt ich den Auftrag meiner Regierung, meine Pässe zu verlangen und die Türkei unmittelbar zu verlassen.
Es geht das Gerücht, Giers wolle in Sofia verbleiben, um dort etwaige diplomatische Schritte abzuwarten, die eine Regelung des Streitfalles ermöglichen. Ich habe Grund zur Annahme, daß dieses Gerücht nur der Niederschlag vereinzelter hiesiger Stimmungen bedeutet, die vielleicht heute schon ihren Wert verloren haben. Der Botschafter Giers erklärte gestern seinen diplomatischen Kollegen, er reise ohne jeden Aufenthalt nach Petersburg.
Die englische und die französische Botschaft haben heute ihre Palais nicht mehr geflaggt. Ihre Tore sind für den Verkehr geschlossen. Der englische Botschafter Sir Louis Mallet versicherte mehreren Persönlichkeiten, die Verzögerung seiner und Bompards Abreise um 24 Stunden stehe in keinerlei Beziehung mit diplomatischen Verhandlungen, die für ausgeschlossen gelten müssen. Sie wollten nur nicht in Dedeagatsch einen ganzen Tag auf den sie transportierenden französischen Dampfer warten.
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Die freigelassenen Zivilgefangenen

Genf, 2. November. (Priv.-Tel.)
Hier wird aus dem Innern Frankreichs der erste große Transport deutscher und österreichischer internierter Zivilgefangener erwatet. Gestern kamen aus der Zone bereits kleinere Transporte von Deutschen an, welche bei französischen Familien in Savoyen in Stellung und dort zurückgehalten waren. Da einige von Deutschland internierte Franzosen, die hier durchkamen, sich über mangelhafte Verpflegung beklagt haben, fordert das Heimschaffungsbureau die Zeitungen auf, von der Veröffentlichung derartiger höchst verdächtiger Beschuldigungen in jedem Falle Abstand zu nehmen, da sie die bestehende Spannung nur erhöhen und den noch internierten Gefangenen schaden könnte.
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Aus Ostasien

Tokio, 2. November. (Priv.-Tel.)
Der deutsche Gouverneur von Kiautschou beantwortete das japanische Verlangen einer ehrenvollen Übergabe, das durch einen japanischen Parlamentär überbracht wurde, mit einem drahtlosen Telegramm an das japanische Flaggschiff. Admiral Kato verbot den drahtlosen Verkehr mit dem Feinde und verlangte eine schriftliche Antwort
Es wurde ein japanischer Zivilgouverneur für die Marianen eingesetzt, dem 80 Beamte beigegeben wurden. 1100 japanische Auswanderer gingen dorthin ab.

Zürich, 2. November. (Priv.-Tel.)
Die "Rjetsch" erfährt aus diplomatischer Quelle, daß sämtliche Proteste Chinas gegen die Verletzung seiner Neutralität durch Japan in vollständigem Einvernehmen mit den diplomatischen Stellen der Vereinigten Staaten erhoben worden seien.
Nach einer weiteren Petersburger Meldung hat China zum Schutze der Neutralität von Schantung außerhalb der Bahnzone starke Streitkräfte unter dem Oberbefehl des Kriegsministers konzentriert. Besonders die Küste ist stark besetzt.
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Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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