Der Weltkrieg am 15. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Fortdauernde Kämpfe in Ostpreußen und Russisch-Polen

Großes Hauptquartier, 15. November, vormittags.
Die Kämpfe auf dem rechten Flügel zeitigten, auch gestern durch ungünstiges Wetter beeinflußt, nur geringe Fortschritte. Bei dem mühsamen Vorarbeiten wurden einige hundert Franzosen und Engländer gefangen und zwei Maschinengewehre erbeutet.
Im Argonnerwalde gelang es, einen starken französischen Stützpunkt zu sprengen und im Sturm zu nehmen.
Die Meldung der Franzosen, sie hätten eine deutsche Abteilung "bei Coincourt (südlich Marsal) in Unordnung gebracht", ist erfunden. Die Franzosen hatten hier vielmehr erhebliche Verluste, während wir keinen Mann verloren.
Im Osten dauern an der Grenze Ostpreußens und in Russisch-Polen die Kämpfe fort. Eine Entscheidung ist noch nicht erfolgt.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Im Anmarsch auf Belgrad

Budapest, 15. November. (Priv.-Tel.)
In Serbien geht es rasch vorwärts. Seit gestern ist nun auch die direkt nach Belgrad führende Landstraße durch die in den ersten Nachmittagsstunden im Bajonettangriff unter dem Schutz des Feuers der Monitore erfolgte Erstürmung des Städtchens Obrenowatsch in unseren Besitz gelangt, wodurch das Schicksal der Stadt Belgrad selbst, die kaum 30 Kilometer von Obrenowatsch entfernt ist, besiegelt erscheint. Der Einmarsch unserer Truppen in Obrenowatsch erfolgte erst in den Abendstunden. Unsere Geschütze haben an einzelnen Gebäuden, besonders an der serbischen Kirche, von deren Turm unsere Truppen mit Maschinengewehren beschossen wurden, großen Schaden angerichtet. Da auf der Eisenbahnstrecke Obrenowatsch-Valjewo mehrere Ortschaften bereits in unserem Besitze sind, wurden viele Lokomotiven und Waggons, die nicht mehr abtransportiert werden konnten, mit Beschlag belegt. Obrenowatsch, gegen jeden Anschlag gesichert, wird den Ausgangspunkt der weiteren Operationen bilden.
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Eine Ansprache des Sultans

Sultan Mohammed V.

Sultan Mohammed V.

Konstantinopel, 15. November. (W. B.)
Im alten Serail von Topkapu empfing der Sultan vor dem Mantel des Propheten in Gegenwart des Großwesirs, des Scheichs ül Islam und einiger Minister eine Abordnung der großen Versammlung und hielt folgende Ansprache: "Ich betrachte diese patriotische Kundgebung meiner Nation als den glänzendsten Beweis für die Beharrlichkeit und Festigkeit, die sie in der Verteidigung des Vaterlandes während dieses Krieges zeigen wird, den wir zur Verteidigung unserer Rechte gegen drei Großmächte unternehmen. Wir vertrauen dabei auf den göttlichen Schutz und den Beistand des Propheten. Ich bin überzeugt, daß wir siegen werden. Meine Kinder, auf daß der Boden des Vaterlandes nicht von den Feinden überschwemmt werde, auf daß die seit einiger Zeit Angriffen von allen Seiten ausgesetzte mohammedanische Nation gerettet werde, ist es notwendig, daß ihr Festigkeit und Ausdauer zeigt. Ich erwarte von der Gnade Gottes, daß unsere an diesem heiligen Orte gesprochenen Gebete erhört werden.
2)

 

Der Wortlaut der Fatwa

Konstantinopel, 15. November. (W. B.)
Die Fatwa über den Krieg, die nach den Vorschriften des Islam in der Form von Frage und Antwort abgefaßt ist, hat folgenden Wortlaut:

Erste Frage: Wenn Länder des Islams Angriffen der Feinde preisgegeben sind, wenn dem Islam Gefahr droht, müssen dann jung und alt. Fußvolk und Reiter in allen von Mohammedanern bewohnten Teilen der Erde an dem Heiligen Krieg mit Gut und Blut teilnehmen, falls der Padischah allen Mohammedanern den Krieg erklärt? Antwort: Ja.
Zweite Frage: Da Rußland, England und Frankreich und andere Staaten, die diese drei Mächte unterstützen, gegen das islamitische Kalifat, das ottomanische Reich, durch ihre Kriegsschiffe und Landtruppen die Feindseligkeiten eröffnet haben, ist es nötig, daß auch die Mohammedaner, die die genannten Länder bewohnen, sich gegen ihre Regierungen erheben und am Heiligen Krieg teilnehmen? Antwort: Ja.
Dritte Frage: Werden unter diesen Umständen, wo die Erreichung des Zieles davon abhängt, daß alle Mohammedaner an dem Heiligen Krieg teilnehmen, diejenigen, die sich weigern, sich dieser allgemeinen Erhebung anzuschließen, wegen eines solchen abscheulichen Verhaltens bestraft? Antwort: Ja.
Vierte Frage: Die in feindlichen Ländern lebenden Mohammedaner können unter Drohungen für ihr eigenes Leben und selbst das ihrer Familie gezwungen werden, gegen die Soldaten der islamitischen Soldaten zu kämpfen. Kann diese Handlungsweise nach dem Scheriat als verboten und die als Mörder betrachteten Täter mit dem Feuer der Hölle bestraft werden? Antwort: Ja
Fünfte Frage: Da es für das mohammedanische Kalifat schädlich sein wird, wenn die in Rußland, Frankreich, England, Serbien und Montenegro lebenden Mohammedaner gegen Deutschland und Österreich-Ungarn kämpfen, die die Retter des großen mohammedanischen Reiches sind, werden deshalb die Täter mit schwersten Strafen belegt? Antwort: Ja.
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Der Heilige Krieg

Konstantinopel, 15. November. (W. B.)
Die Proklamierung des Heiligen Krieges durch den Sultan-Kalifen, die ein großes historisches Ereignis darstellt, ruft ungeheure Erregung hervor und wird in allen Kreisen in dem Sinne erörtert, daß sie bei allen muselmanischen Völkern einen gewaltigen Widerhall finden und auf den Gang des Krieges großen Einfluß ausüben werde. Die Blätter heben die große Bedeutung der kaiserlichen Fatwa betreffend den Heiligen Krieg hervor und stellen fest, daß von heute an jeder Muselmane, der Waffen tragen kann, selbst Frauen, gegen die Mächte, die der Kalif als Feinde des Islams erklärte, kämpfen müsse. Der Krieg werde auf diese Weise Pflicht nicht nur für alle Ottomanen, sondern auch für die 300 Millionen Muselmanen der Erde.

Konstantinopel, 15. November. (W. B.)
Die hiesigen Perser haben an die religiösen Oberhäupter der Schiiten Telegramme gerichtet, in denen sie mitteilen, daß sie mit lebhaftester Freude von der Fatwa Kenntnis erhalten haben, das den Heiligen Krieg verkündet. Sie erklären, die Geschäfte zu schließen und bereit zu sein, in den Krieg zu ziehen. Sie bitten bekanntzugeben, wohin sie sich zu wenden haben.
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Der Krieg im Orient

Konstantinopel, 15. November. (W. B. )
Ein Privattelegramm der "Agence Ottomane" bestätigt die Einnahme der persischen Stadt Kotur durch die türkischen Truppen und die regellose Flucht der diesen Teil Persiens okkupierenden Russen. In diesem Telegramm heißt es: Die muselmanischen Stämme vereinigen sich in Massen mit ihren Glaubensgenossen. Die persische Bevölkerung zeigt sich den türkischen Truppen gegenüber voller Dank und überhäuft sie mit Ehren. Die nordwestlich vom Urmiasee gelegene Stadt Kotur ist der Hauptort des gleichnamigen Distriktes. Früher der Türkei gehörend, war sie durch den Berliner Vertrag zum Dank für die von Persien während des türkisch-russischen Krieges im Jahre 1878 beobachtete Neutralität an Persien gekommen Heute ist sie von der Türkei wieder in Besitz genommen. In der Provinz haben die Freiwilligen-Anmeldungen zum Militärdienst begonnen.
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Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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