Der Weltkrieg am 16. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

28000 russische Gefangene

Großes Hauptquartier, 16. November. (W. B. Amtlich.)
Gestern warfen unsere in Ostpreußen kämpfenden Truppen den Feind in der Gegend südlich von Stallupönen. Die in Westpreußen operierenden Truppen wehrten bei Soldau den Anmarsch russischer Kräfte erfolgreich ab und warfen am rechten Weichselufer den Vormarsch starker russischer Kräfte in einem siegreichen Gefecht bei Lipno auf Plock zurück. In diesen Kämpfen wurden bis gestern 5000 Gefangene gemacht und 10 Maschinengewehre genommen.
In den seit einigen Tagen in Fortsetzung des Erfolges bei Wloclawec stattgehabten Kämpfen fiel die Entscheidung. Mehrere uns entgegengetretene russische Armeekorps wurden bis über Kutno zurückgeworfen. Sie verloren nach den bisherigen Feststellungen 23 000 Mann an Gefangenen, mindestens 70 Maschinengewehre und Geschütze, deren Zahl noch nicht feststeht.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Ein Aufruf von Feldzeugmeister Potiorek


Feldzeugmeister Potiorek

Wien, 16. November. (W. B.)
Amtlich wird verlautbart:
16. November: Feldzeugmeister Potiorek, der Oberstkommandierende unserer Balkanstreitkräfte, hat heute an seine Truppen folgenden Aufruf erlassen:

Nach neuntägigen heftigen Kämpfen gegen einen hartnäckigen, an Zahl überlegenen, in fast unbezwingbaren Befestigungen sich verteidigenden Gegner, nach neuntägigen Märschen durch unwegsames Felsgebirge und grundlose Straßen bei Regen, Schnee und Kälte, haben die tapferen Truppen der 5. und 6. Armee die Kolubara erreicht und den Feind zur Flucht gezwungen. Über 8000 Gefangene wurden in diesen Kämpfen gemacht, 42 Geschütze, 31 Maschinengewehre und reiches Kriegsmaterial erobert. Das Vaterland wird dieser Leistung seine Dankbarkeit und Bewunderung nicht versagen. Meine Pflicht ist es, die hervorragende Haltung aller Truppen voll anzuerkennen und allen Offizieren und Soldaten der 5. und 6. Armee im Namen des allerhöchsten Dienstes wärmsten Dank zu sagen. Trotz der unter schweren Opfern und gewaltigen Leistungen erzielten Erfolge dürfen wir nicht ruhen. Doch der hervorragende Geist der mir unterstellten Truppen bürgt dafür, daß wir die uns gestellten Aufgaben auch siegreich zu Ende führen werden zur Zufriedenheit unseres allerhöchsten Kriegsherrn, zum Ruhme des Heeres und zum Ruhme des Vaterlandes.

Potiorek m. p., Feldzeugmeister.

Dieser Aufruf, der sogleich allgemein zu verlautbaren ist wird gewiß allenthalben begeisterten Widerhall finden. Ich habe die tapfere Balkanarmee und ihren siegreichen Führer zu den weiteren glänzenden Erfolgen, die den völligen Zusammenbruch des zähen Gegners anbahnten, im Namen aller mir unterstehenden Streitkräfte beglückwünscht.

Erzherzog Ferdinand.  1)

 

Der Krieg im Orient

Konstantinopel, 16. November (W. B.)
Ein amtlicher Bericht des türkischen Hauptquartiers besagt: 
Gestern haben wir die Engländer bei Fao (am Persischen Golf) angegriffen. Sie hatten zahlreiche Tote, die wir auf 1000 schätzen.
Abdurrezak Bederkhani, der von der ganzen muselmanischen Welt wegen der revolutionären Umtriebe, denen er sich seit Jahren ergeben hat, verabscheut wird, hat die Grenze mit 300 Mann in der Gegend von Maku überschritten, um den Russen zu helfen, aber er wurde sogleich von unseren Truppen vertrieben. Eine große Anzahl seiner Anhänger wurde getötet. Eine russische Fahne, die in einem Dorfe der Umgebung aufgepflanzt war wurde von uns erbeutet. Abdurrezak ist Kurde und gehört zu der Familie der Bederkhani.

Konstantinopel, 16 November. (Priv.-Tel )
Aus Beirut, Jaffa, Haifa, Jerusalem und besonders aus Damaskus, liegen Drahtmeldungen über begeisterte Kundgebungen der Bevölkerung aus Anlaß der Verkündigung des Heiligen Krieges vor.

Rom, 16. November. (Priv.-Tel.)
Nach den neuesten Nachrichten aus der Cyrenaika berief das Oberhaupt der Senussi aus dem Landesinnern 1000 Beduinen nach Dschar-Abub, wo sich bereits andere Truppen befanden, um von dort in Ägypten einzubrechen.

Rom, 16. November. (Priv.-Tel.)
Die autonome Provinz Libanon richtete einen Protest an die Großmächte, weil der türkische Einmarsch den Vertrag von 1861 verletze. Der "Temps" stellt an Italien die naive Forderung, es solle dem Protest Nachdruck verschaffen.

Petersburg, 16. November. (Priv.-Tel.)
Amtliche Mitteilung des Generalstabes der Kaukasus-Armee:
Wegen beträchtlicher türkischer Verstärkungen, die letzter Tage von Chnyskala, Erzerum und Trapezunt hier eintrafen, zieht sich unsere Vorhut kämpfend in die ihr bezeichneten Gegenden zurück. Die Versuche der Türken, den Hügel von Chanesuk, den wir zuvor genommen hatten, zurückzuerobern, sind gescheitert. Die anderen russischen Detachements hatten keine bedeutenden Gefechte.

 

Kaiser Wilhelm II. und der Sultan

Konstantinopel, 16. November. (W. B.)
Kaiser Wilhelm hat an den Sultan folgende Depesche gerichtet:

"In dem Augenblick, wo ich das Vergnügen habe, in dem Hauptquartier meiner tapferen Armee drei Prinzen der kaiserlich osmanischen Familie zu empfangen, lege ich Wert darauf, Ew. Majestät zum Ausdruck zu bringen, daß ich volles Vertrauen in den Erfolg unserer Armeen habe, die sich vereinigt haben, mit gleich großen Zielen für Recht, Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen."

Der Sultan erwiderte mit folgenden Worten:

"Der wohlwollende Empfang, dessen Gegenstand meine Neffen seitens Ew. Majestät bei der Ankunft im Hauptquartier der tapferen kaiserlichen Armee waren, ist ein Zeichen der kostbaren Freundschaft Ew. Majestät mir gegenüber sowie ein neuerlicher Beweis der Vereinigung unserer Armeen in dem großen heiligen Kampf. Ich beeile mich, Ew. Majestät aus diesem Anlaß meinen lebhaftesten Dank auszusprechen, und ich lege Wert darauf, Ew. Majestät meine große Bewunderung für die großartigen Heldentaten der Armee und Flotte zum Ausdruck zu bringen. Es ist mir ein großes Vergnügen, Ew. Majestät zur Kenntnis zu bringen, daß meine tapferen Armeen nach blutigem Kampfe die russische Armee vollständig geschlagen haben und sie siegreich verfolgen. Ich erblicke in diesem ersten Sieg meiner Armee ein gutes Vorzeichen für den endgültigen Erfolg unserer gemeinsamen Ziele und hege die feste Zuversicht, daß mit Hilfe des Allmächtigen diesem Siege bald größere Siege unserer verbündeten Heere auf drei Kontinenten wie auch auf allen Meeren folgen werden." 1)

 

Das englische Unterhaus bewilligt weitere Mittel für den Krieg

Premierminister Asquith
Premierminister Asquith

London, 16 November. (Priv -Tel )
Bei der Erläuterung der Kreditvorlage von 225 Millionen Pfund (4½ Milliarden Mark) im Unterhause erinnerte Asquith daran, daß bereits am 8. August 100 Millionen bewilligt worden waren und daß dieser Betrag zum Teil für die Kriegskosten und zum Teil zur Beschaffung von Nahrungsmitteln und anderen Dingen für die Flüchtlinge verwandt worden sei. Aus den neuen Krediten sollen zinslose Anleihen von 10 Millionen und 800000 Pfund an Belgien und Serbien bis zum Ende des Krieges vorgestreckt werden. Die Kolonien, die unter normalen Verhältnissen in diesem Jahre eine Anleihe auf den Londoner Markt gebracht hätten, werden durch die Reichsregierung von dieser Notwendigkeit enthoben, da ihnen Anleihen bis zu einem Betrage von 30220000 Pfund zugestanden werden. Asquith erklärte weiter, daß bis zu dem jetzigen Augenblick die Extraausgaben für den Krieg 90 Millionen, also etwa 1 Million Pfund pro Tag betragen. Wenn man den Umfang der Kriegsoperationen und die allgemeinen Verhältnisse in Betracht ziehe, so könne nicht gesagt werden, daß diese Summe eine normale Schätzung überschreite, er hoffe aber, daß die gegenwärtig notwendigen Ausgaben sich in Zukunft vermindern werden. Die gegenwärtigen Kreditanträge genügen bis zum 31. März und lassen noch einen wichtigen Überschuß übrig.
Nach einer kurzen Erörterung nahm das Haus mit allen Stimmen die Kreditvorlage von 225 Millionen an und ermächtigte die Regierung, noch eine Million Mannschaften anzuwerben.
1)

 

Der 1. Weltkrieg im November 1914

ZURÜCK   HAUPTSEITE   WEITER

 

Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

© 2005 stahlgewitter.com