Der Weltkrieg am 23. November 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Ein englisches Geschwader von Flanderns Küste vertrieben -
Anmarsch neuer russischer Kräfte von Warschau

Großes Hauptquartier, 23. November, vormittags.
Die Kämpfe bei Nieuport und Ypern dauern fort. Ein kleines englisches Geschwader, das sich zweimal der Küste näherte, wurde durch unsere Artillerie vertrieben. Das Feuer der englischen Marinegeschütze blieb erfolglos. Im Argonnenwalde gewinnen wir Schritt für Schritt Boden. Ein Schützengraben nach dem andern, ein Stützpunkt nach dem andern wird den Franzosen entrissen. Täglich wird eine Anzahl Gefangener gemacht. Eine gewaltsame Erkundung gegen unsere Stellungen östlich der Mosel wurde durch unseren Gegenangriff verhindert.
In Ostpreußen ist die Lage unverändert.
In Polen schiebt das Auftreten neuer russischer Kräfte aus Richtung Warschau die Entscheidung noch hinaus. In Gegend östlich Czenstochau und nordöstlich Krakau wurden die Angriffe der verbündeten Truppen fortgesetzt.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

2400 Gefangene in Russisch-Polen

Wien, 23. November. (W. B.)
Amtlich wird verlautbart:
In Russisch-Polen ist noch keine Entscheidung gefallen. Die Verbündeten setzen ihre Angriffe östlich gegen Czenstochau und nordöstlich Krakau fort. Bei der Eroberung des Ortes Pilica machten unsere Truppen gestern 2400 Gefangene. Das Feuer unserer schweren Artillerie ist von mächtiger Wirkung. Die über den unteren Dunajec vorgedrungenen russischen Kräfte konnten nicht durchdringen. Die Kriegslage brachte es mit sich, daß wir einzelne Karpathenpässe dem Feinde vorübergehend überließen. Am 20. November drängte ein Ausfall aus Przemysl die Einschließungstruppen vor der West- und Südwestfront der Festung weit zurück. Der Gegner hält sich nunmehr außer Geschützweite.
2)

 

Die Schweiz protestiert in London und Bordeaux

Bern, 23. November. (Priv.-Tel.)
Aus dem Bundesratshause ist den Zeitungen folgende Mitteilung zugegangen: Am Samstag überflogen einige englische, vielleicht auch französische Flugfahrzeuge, von Frankreich herkommend, schweizerisches Gebiet. Sie griffen hierauf in Friedrichshafen die Zeppelinwerften an. Angesichts dieser offenkundigen Verletzung der schweizerischen Neutralität hat der Bundesrat die schweizerischen Gesandten in London und Bordeaux beauftragt, bei der britischen und französischen Regierung energisch zu protestieren und für die Verletzung der schweizerischen Neutralität Satisfaktion zu verlangen.
2)

 

Englische Unterseeboote in der Ostsee

Berlin, 23. November. (Priv.-Tel.)
Die "Deutsche Tageszeitung" meldet aus Stockholm vom 22. November:
Das Helsingborger "Dagblad" erfährt aus sicherer Quelle, daß sich augenblicklich fünf englische Unterseeboote im Finnischen Meerbusen befinden; einige von ihnen lagen vor einigen Tagen in Helsingfors. Englische Offiziere zeigten sich in der Stadt. Die russische Flotte, die früher Helsingfors verlassen hatte, um in Kronstadt zu überwintern, ist nach Helsingfors zurückgekehrt, wobei ein größerer Kreuzer im Helsingforser Hafen auf Grund stieß, wo er noch festsitzt. Infolgedessen ist der Allgemeinheit der Zutritt zum Hafen verboten.

Berlin, 23. November. (Priv.-Tel.) 
Die Nachricht, daß fünf englische Unterseeboote sich im Finnischen Meerbusen befinden, wird nicht verfehlen, Aufsehen zu erregen, denn da diese Unterseeboote nur durch den Sund in die Ostsee gekommen sein können, würde hier ein neuer Neutralitätsbruch Englands vorliegen. Weder Schweden noch Dänemark würde eine Schuld daran beizumessen sein, da es selbstverständlich ganz unmöglich ist, eine Durchfahrt von Unterseebooten zu verhindern, aber ebenso selbstverständlich werden beide Staaten durch diesen Neutralitätsbruch in eine unangenehme Lage gebracht.
2)

 

England kapert neutrale Schiffe

Kristiania, 23. November. (Priv.-Tel.)
Aus London wird gemeldet: Zwei norwegische Dampfer mit 4000 Tonnen Kupfererz, die sich auf der Reise von Amerika nach Europa befanden, werden von englischen Kriegsschiffen nach Glasgow eingebracht. Die Kupferladung soll sorgfältig verborgen an Bord gelegen haben. Weder das norwegische Außenministerium noch die Kriegsversicherung besitzen nähere Einzelheiten darüber; außerdem gehört Kupfer erst seit Anfang November zur Konterbande. "Tidens Tegn" bezeichnet die englische Angabe, das Kupfer sei verborgen verpackt gewesen, als lächerlich, da Kupfer natürlich unter leichterer Ladung verstaut wird.
2)

 

Ein Zwischenfall bei den Internierten in Douglas

London, 23. November. (Priv.-Tel.)
Reuter meldet:
In Douglas auf der Insel Man kam es unter den dortige Internierten zu einem Zwischenfall, bei dem fünf Personen getötet wurden. Zweitausend Gefangene kamen dort auf ein gegebenes Zeichen in dem großen Speisesaal zusammen, überfielen die Wachtposten und suchten zu flüchten. Die Wache gab zunächst Schüsse in die Luft ab; als dies nichts fruchtete, wurden zwei Salven auf die Gefangenen abgegeben, durch die vier Mann getötet oder tödlich verwundet und zwölf andere schwer verletzt wurden. Diese wurden nach dem Krankenhaus gebracht, die anderen Gefangenen ergaben sich. Ein Mann, der auf das Dach geklettert war, um zu flüchten, fiel herunter und brach den Schädel. Über den ganzen Vorgang ist eine Untersuchung eingeleitet.
2)

 

Die Besetzung des Libanon

Paris, 23. November. (Priv.-Tel.)
Aus Kairo meldet "Havas": Die türkischen Truppen haben den Libanon besetzt, wo sie die Einwohner gezwungen haben, sich in die Armee einreihen zu lassen. Der Generalgouverneur hat sich nach Damaskus begeben, der Patriarch weigert sich jedoch, dorthin zu gehen.
2)

 

Blutbad in Täbris

Konstantinopel. 23. November. (Priv.-Tel.)
Nach einer der hiesigen persischen Botschaft zugegangenen Depesche war Täbris, die Hauptstadt der persischen Provinz Aserbeidschan, am Samstag der Schauplatz eines furchtbaren Blutbades. Mehrere persische Kurdenstämme überfielen die in Täbris weilenden Russen, die sämtlich, zweitausend an Zahl, erschlagen wurden.
2)

 

Ein türkischer Generalagent beim Kaiser

Konstantinopel, 23. November. (Priv.-Tel.)
Das Bündnisverhältnis zwischen dem Deutschen Reiche und der Türkei wird auch demnächst sichtbar zum Ausdruck gelangen. Wie ich vernehme, legt der Sultan großen Wert, ähnlich wie es durch viele Jahrzehnte zwischen Berlin und Petersburg der Fall war, durch einen zu akkreditierenden Generalagenten beim deutschen Kaiser oder in ähnlicher Form die Innigkeit der zwischen den beiden Reichen bestehenden Beziehungen auch weithin erkennen zu lassen. Generalleutnant Zekki Pascha soll für diesen besonderen Vertrauensposten in Frage stehen. Gegenwärtig kommandiert der General das 8. Armeekorps in Damaskus. Von deutscher Seite würde vermutlich Feldmarschall Freiherr v. d. Goltz für die analoge Stellung beim Sultan der Osmanen ausersehen. Ebenso gedenkt man am österreichisch-ungarischen Hofe die gleichen Stellungen ins Leben zu rufen.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im November 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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