Der Weltkrieg am 31. Dezember 1914

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Deutsche Fortschritte in den Argonnen

Großes Hauptquartier, 31. Dezember, vormittags.
Westlicher Kriegsschauplatz:
An der Küste war im allgemeinen Ruhe. Der Feind legte sein Artilleriefeuer auf Westende-Bad, zerstörte einen Teil der Häuser, ohne militärischen Schaden anzurichten In der von uns gesprengten Alger Auberge Ferme, südöstlich Reims, wurde eine ganze französische Kompanie vernichtet. Starke französische Angriffe nördlich des Lagers von Chalons wurden überall abgewiesen. Im westlichen Teil der Argonnen gewannen unsere Truppen unter Fortnahme mehrerer hintereinander liegender Gräben und Gefangennahme von über 250 Franzosen erheblich Boden. In der Gegend Flirey nördlich Toul scheiterten französische Angriffsversuche. Im Oberelsaß in der Gegend westlich Sennheim brachen sämtliche Angriffe der Franzosen in unserem Feuer zusammen. Systematisch schossen sie Haus für Haus des von uns besetzten Dorfes Steinbach in Trümmer. Unsere Verluste sind aber gering.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Vergebliche russische Offensive in Galizien

Wien, 31. Dezember.
Amtlich wird bekanntgeben:
Gestern entwickelten die Russen in der Bukowina und in den Karpathen eine lebhaftere Tätigkeit. Unsere Truppen halten am Suczawa-Flusse, im oberen Gebiet des Czernemosz, weiter westlich und auf den Kammhöhen der Karpathen, dann im Nagy-Ag-Tale bei Ökörmezö, wo gestern wieder ein Angriff des Feindes unter schweren Verlusten scheiterte, endlich im oberen Gebiet der Latorcza und nördlich des Uzsoker Passes. Nördlich dieses Passes hat der Gegner, der seine Vorrückung hier einstellte, keinen Karpathenübergang in Händen.
Im Raume von Gorlice und nordöstlich Zakliczyn wurden die Gefechte auch in der vergangenen Nacht fortgesetzt. Heftige Angriffe der Russen wurden überall abgewiesen.
An der Nida herrschte Ruhe; weiter nordwärts schreitet der Angriff der Verbündeten fort. Vor Przemysl wurden russische Patrouillen in österreichisch-ungarischen Uniformen festgestellt. Offiziere und Mannschaften des Feindes, die sich dieser unzulässigen Kriegslist bedienen, haben auf die Begünstigung der internationalen Gesetze und Gebräuche im Kriege keinen Anspruch.
Die Ruhe auf dem Balkankriegsschauplatz hält an. Östlich Trebinje zwang unsere Artillerie die Montenegriner nach mehrstündigem Geschützkampfe zum Rückzuge.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Generalmajor.
1)

 

Die Zahl der Gefangenen

Berlin, 31. Dezember. (W. B.)
Aus dem Großen Hauptquartier erfahren wir, daß unsere in Polen kämpfenden Truppen bei der an die Kämpfe bei Lodz und Lowicz anschließenden Verfolgung über 56000 Gefangene gemacht und viele Geschütze und Maschinengewehre erbeutet haben. Die Gesamtbeute unserer am 11. November in Polen einsetzenden Offensive ist somit auf 136600 Gefangene, über 100 Geschütze und über 300 Maschinengewehre gestiegen.

Berlin, 31. Dezember. (W. B. Amtlich.)
Die Gesamtzahl der bei Jahresschluß in Deutschland befindlichen und internierten Kriegsgefangenen (keine Zivilgefangenen) beträgt 8138 Offiziere und 577 875 Mann. In dieser Zahl sind ein Teil der bei der Verfolgung in Russisch-Polen gemachten sowie alle noch im Abtransport befindlichen Gefangenen noch nicht enhalten. Die Gesamtzahl setzt sich folgendermaßen zusammen:

Franzosen: 3459 Offiziere, 215905 Mann, darunter 7 Generäle;
Russen: 3575 Offiziere, 306294 Mann, darunter 18 Generäle;
Belgier: 612 Offiziere, 36852 Mann, darunter 3 Generäle;
Engländer: 492 Offiziere, 18824 Mann.

Die über Kopenhagen verbreitete, angeblich von dem russischen Kriegsminister stammende Meldung, daß in Rußland 1140 Offiziere und 134700 Mann deutsche Kriegsgefangene sich befänden, ist irreführend. Die Russen zählen in die Gesamtzahl die Zivilgefangenen hinein, die zu Kriegsbeginn zurückgehalten und interniert worden sind. Die Kriegsgefangenen sind auf allerhöchstens 15 Prozent der angegebenen Summe zu veranschlagen. Hierbei ist zu beachten, daß ein großer Teil auch dieser Gefangenen verwundet in die Hände der Russen gefallen ist.

 

Der Kaiser an das Volk in Waffen

Deutsches Reich Erster Weltkrieg: Kaiser Wilhelm II.

Kaiser Wilhelm II.

Großes Hauptquartier, 31. Dezember. (W. B. Amtlich.)
Der Kaiser hat folgende Kundgebung erlassen:

An das deutsche Heer und die deutsche Marine!

Nach fünf Monate langem, schwerem und heißem Ringen treten wir ins neue Jahr.
Glänzende Siege sind erfochten, große Erfolge errungen Die deutschen Armeen stehen fast überall in Feindesland, und wiederholte Versuche der Gegner, mit ihren Heeresmassen deutschen Boden zu überschwemmen, sind gescheitert.
In allen Meeren haben sich meine Schiffe mit Ruhm bedeckt. Ihre Besatzungen haben bewiesen, daß sie nicht nur siegreich zu fechten, sondern, von Übermacht erdrückt auch heldenhaft zu sterben vermögen.
Hinter dem Heer und der Flotte steht das deutsche Volk in beispielloser Eintracht bereit, sein Bestes herzugeben für den heiligen heimischen Herd, den wir gegen frevelhaften Überfall verteidigen.
Viel ist im alten Jahr geschehen. Noch aber sind die Feinde nicht niedergerungen. Immer neue Scharen wälzen sie gegen uns und unsere treuen verbündeten Heere heran. Doch ihre Zahlen schrecken uns nicht. Ob auch die Zeit ernst, die vor uns liegende Aufgabe schwer ist, voll fester Zuversicht dürfen wir in die Zukunft blicken.
Nächst Gottes weiser Führung vertraue ich auf die unvergleichliche Tapferkeit der Armee und Marine und weiß mich eins mit dem ganzen deutschen Volke.
Darum unverzagt dem neuen Jahre entgegen, zu neuen Taten, zu neuen Siegen für das geliebte Vaterland.

Großes Hauptquartier, 31. Dezember 1914.

(gez.)
Wilhelm I. R.

 

Ein Depeschenwechsel

König Ludwig III. von Bayern

König Ludwig III. von Bayern

München, 31. Dezember. (Priv.-Tel.)
Aus Anlaß des Jahreswechsels hat zwischen König Ludwig und dem Deutschen Kaiser folgender Depeschenwechsel stattgefunden:

Sr. Majestät Kaiser Wilhelm, Großes Hauptquartier.
An der Wende des Jahres, in dem Deutschland gegen eine Welt von Feinden zum Schwerte greifen mußte, beseelt uns alle nur ein Gedanke: möge es unserer tapferen Armee und unserer heldenmütigen Marine gelingen, die Gegner niederzuringen und möge dem deutschen Volke im neuen Jahre ein Friede gesichert werden, der wert ist, die schweren Opfer die es zum Schutze des Vaterlandes freudig auf sich genommen. In der zuversichtlichen Hoffnung, daß diesen Wünschen Erfüllung beschieden werde, stehen die deutschen Fürsten und Stämme in unerschütterlicher Treue zu Kaiser und Reich. Gott schütze Dich und Dein Haus auch im neuen Jahre, er erhalte Dir die Kraft im Kampfe für Deutschlands Größe und Ehre; er verleihe den deutschen Waffen und unserer gerechten Sache den Sieg

Ludwig.
Marie Therese

Ihren Majestäten dem König und der Königin, München.
Euer herzerfreuendes, treues Gedenken anläßlich des bevorstehenden Jahreswechsels empfing mich heute bei der Rückkehr von einer kurzen Reise. Ich erwidere Eure guten Wünsche von ganzem Herzen für Euch, die Eurigen und das gesamte Bayernland. Ihr sprecht mir aus der Seele, wenn Ihr sagt, wir hätten nur den einen Gedanken, daß dem geliebten Vaterlande im neuen Jahre ein Friede gesichert werde, würdig der gebrachten und noch zu bringenden schweren Opfer. Wie herrlich ist dabei die Gewißheit, daß die deutschen Fürsten und Stämme in unerschütterlicher Treue zusammenstehen, um mit Gottes Hilfe durch unsere heldenhaften Truppen den Sieg zu erkämpfen, den wir für die gerechte Sache mit felsenfester Zuversicht erhoffen.

In herzlicher Freundschaft
Wilhelm.

 

Neujahrsgruß des Kaisers Franz Josef

Österreich-Ungarn Erster Weltkrieg: Kaiser Franz Josef

Kaiser Franz Josef

Wien, 31. Dezember. (Priv.-Tel.)
Der Kaiser erließ folgenden Armee- und Flottenbefehl:

Seit fünf Monaten des scheidenden Jahres steht die Monarchie in einem ihr und ihrem treuen Verbündeten aufgezwungenen Krieg gegen zahlreiche mächtige Feinde. Im Rückblick auf die beharrliche Ausdauer, Kampfesfreudigkeit und todesmutige Tapferkeit meines Heeres und meiner Flotte gewinnt der Ausblick ins neue Kriegsjahr die erhebende Zuversicht, daß Österreich-Ungarns Kriegsleute zu Lande und zur See auch die schwersten Proben, die der Krieg ihren militärischen Tugenden auferlegen mag, in Ehren bestehen werden, zum Wohle des Vaterlandes. In wehmutsvoller Dankbarkeit gedenke ich der Vielen, die auf der blutigen Walstatt ihr Leben für unsere gerechte Sache hingaben; in wärmster Anerkennung grüße ich all meine Braven, auf daß mit Gottes Hilfe das neue Jahr sie zum Siege führe.

 

Der 1. Weltkrieg im Dezember 1914

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1914)

 

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