Der Weltkrieg am 21. Januar 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Erfolgreiche Kämpfe bei Pont-à-Musson

Großem Hauptquartier, 21. Januar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Zwischen Küste und Lys fanden auch gestern nur Artilleriekämpfe statt.
Der vorgestern von uns genommene Schützengraben bei Notre Dame de Lorette ging heute nacht wieder verloren.
Nordwestlich Arras griffen die Franzosen beiderseits der Chaussee Arras - Lille wiederholt an, wurden aber zurückgeschlagen.
Südwestlich Berry-au-Bac wurden den Franzosen zwei Schützengräben abgenommen, die trotz lebhafter Gegenangriffe von uns behauptet wurden.
Französische Angriffe gegen unsere Stellungen südlich St. Mihiel wurden abgewiesen.
Nordwestlich Pont-à-Mousson gelang es einen Teil der uns vor drei Tagen entrissenen Stellungen zurückzunehmen. Unsere Truppen eroberten dabei vier Geschütze und machten mehrere Gefangene. Um den Rest der verlorengegangenen Stellung wird noch gekämpft.
In den Vogesen nordwestlich Sennheim dauern die Kampfe noch an.
Östlicher Kriegsschauplatz:
In Ostpreußen ist die Lage unverändert. Ein kleineres Gefecht östlich Lipno verlief für uns günstig, hundert Gefangene blieben in unserer Hand. 
Im Gelände westlich der Weichsel nordöstlich Borzimow schritt unser Angriff fort. 
Ein russischer Angriff westlich Lopuszno südwestlich Konskie wurde abgewiesen.
 

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der Luftkrieg gegen England

Die "Frankfurter Zeitung"   schreibt:
Einst galt der Satz, daß England für Feinde unerreichbar sei. Er schien das Ergebnis geschichtlicher Tatsachen zu sein, und Philipp II. wie der erste Napoleon hatten vor diesen harten Tatsachen zurückweichen müssen. Die große Insel war von den Wogen des Meeres und den auf ihm schwimmenden stahlgepanzerten Schiffen, so sagten die Engländer gelbst, aber auch die Festlandsbewohner, besser und sicherer geschützt als durch Festungswälle und ein Millionenheer, und mit großem Eifer war England bis vor etwa einem Jahrzehnt darauf bedacht, seine Eigenschaft als Insel rein und ungemindert aufrecht zu erhalten, und alle Bestrebungen, unter dem Kanal hindurch einen Tunnel für einen trockenen Verkehrsweg zu bauen, scheiterten an der vollkommen sinnlosen Besorgnis, das Land könne dadurch einem feindlichen Einfall der Franzosen geöffnet werden. Erst in der letzten Zeit hat sich die Meinung hierüber, teilweise wohl infolge des politischen Stellungswechsels gegenüber Frankreich, geändert; vielleicht werden die Erfahrungen dieses Krieges mit dazu beitragen, diese Meinungsänderung noch zu beschleunigen. Denn England muß erfahren, daß sein Inseldasein seine Bewohner keineswegs vor feindlichen Angriffen sichert, daß es sich nicht mehr damit begnügen kann, die Regie der festländischen Kriege zu übernehmen, sondern sich seiner Haut wehren muß wie jede andere Nation.
Der Besuch der deutschen Luftschiffe in England, der wohl nur eine Vorbereitung für größere Unternehmungen sein sollte, macht den Briten klar, daß für ihre Insel das Gefühl der Unnahbarkeit aufgehört hat, berechtigt zu sein. Freilich hatte schon die Beschießung von Hartlepool und Searborough dieses Gefühl stark erschüttert, aber der Admiralität freundliche Blätter versicherten, es sei eigentlich nur ein Zufall gewesen, daß die englische Flotte nicht da war, um die deutschen Schiffe von der Küste von Yorkshire fernzuhalten. Das Erscheinen eines Teils der deutschen Luftflotte wird niemand mehr als Zufall ansehen können, und England hat ja auch bereits gegen einen Angriff aus der Luft Vorbereitungen getroffen. Wieweit diese zur Abwehr und zum Schutze genügen, das zu sehen, werden vermutlich die nächsten Wochen und Monate genug Gelegenheit geben. Aber mag der Schaden, den die Luftangriffe der militärischen Macht Englands zufügen, groß oder gering sein. Soviel wird er den Engländern unter allen Umständen begreiflich machen, daß heute England von den Kriegen, in die es eingreift, nicht nur die Ergebnisse benimmt, sondern auch ihre Leiden mitzutragen hat. England war es gewohnt, an Kriegen aus dem Festlande sich mit kleinen Teilen seines Heeres oder auch nur mit Geld zu beteiligen. Selbst bei Waterloo befanden sich unter den 120000 Mann des Heeres der Verbündeten nur 24000 Briten. Und doch nimmt England den Ruhm dieses Sieges, der es von seinem gefährlichsten Gegner befreite, fast allein für sich in Anspruch. Kein Wunder, wenn aus diesem Gefühl heraus, daß Kriege für England nicht viel Schlimmeres sind als eine mehr oder weniger stark empfundene Unbequemlichkeit, eine Politik erwuchs, die in dem blutigen Ringen der Staaten eine Art Rechenexempel erblickte. Kalt und gefühllos rechnete man, und je nach dem Ergebnis dieser Rechnung beteiligte man sich am Kriege oder nicht Auch diesen Krieg hat Grey wie ein Rechenexempel behandelt. England werde, wenn es an ihm teilnehme, nicht viel mehr zu leiden haben, als wenn es fernbleibe; damit erleichterte er dem Parlament den Entschluß zum Kriege. Das war der Standpunkt des richtigen Insulaners, der meinte, daß das unnahbare Britannien durch seine gewaltige Flotte den Krieg leicht beendigen könne, ehe ein Feind es wagen könne, sich seiner Küste zu nähern.
Es wäre reizvoll zu erfahren, wie Sir Edward Grey und die übrigen Mitglieder der Regierung heute diesen Krieg ansehen. Wie hoch sich der Schaden beläuft, den Britannien an seinen Gütern bereits erlitten hat und noch erleiden wird, das wird man erst übersehen können, wenn der Krieg zu Ende ist. Daß aber Englands Bevölkerung jetzt schon ernstlich unter den Wirkungen des Krieges leidet, daß es Aufwendungen hat machen müssen, wie noch in keinem seiner früheren Kriege, und daß seine Verluste an toten und verwundeten Offizieren und Mannschaften weit über hunderttausend hinausgehen, das weiß man trotz aller Beschönigengen jetzt auch in England. Auch die Presse, die diesen Krieg gewollt hat, steht ihn jetzt sehr ernst an, umso mehr, da sie wohl erkannt, daß das größte Opfer von England erst noch gebracht werden muß. Der Trost, mit dem man sich und die Bevölkerung über das Verzweifelte der Lage hinwegzutäuschen sucht, ist der, daß man schließlich doch siegen und dann sich für alle Lasten entschädigen werde. Von den neuen Heeren, die England ins Feld stellen will, erwartet man diese wundersame Wendung des Geschickes Aber diese Heere, deren Ziffern natürlich sorgfältig geheim gehalten werden, werden nur einen Bruchteil ausmachen, was Deutschland noch als Reserven ins Feld stellen kann. Aber je mehr Soldaten England in die Kampflinie schickt, um so stärker werden die Opfer werden, die es bringt, und so schmerzvoller werden die Engländer den groben Betrug empfinden, durch den eine gewissenlose Regierung das Land in diesen Krieg gestürzt hat. Wenn vollends der Plan durchgeführt wird, die englischen Häfen durch eine Flotte deutscher Unterseeboote zu blockieren und dem Lande die Lebensmittelzufuhr abzuschneiden, dann wird der insulare Charakter Englands sich gerade in das Gegenteil dessen wandeln, was er bisher war er wird nicht ein Schutz, sondern eine lebensgefährliche Blöße sein.
Deutschland kann dem weiteren Gang des Krieges, den England uns erklärt hat, nicht nur mit voller Ruhe, sondern siegesgewiß entgegensehen. Schon redet man drüben auf der Insel davon, daß man die allgemeine Wehrpflicht einführen müsse, um die dem Lande drohenden Gefahren abzuwehren. Mag man das nun tun oder nicht, wir können es kühl abwarten. Wenn man die Wehrpflicht einführte, so würde das für den jetzigen Krieg kaum noch etwas ausmachen. Aber es würde dem britischen Volke etwas mehr Verständnis für die Opfer beibringen, welche die Verteidigung des Vaterlandes erfordert und es würde auch in der Regierung mehr Verständnis für die Gefahren eines Krieges und die furchtbare Verantwortung erzeugen, die ein Entschluß zum Kriege in sich schließt. Je mehr England auch in dieser Einsicht seine Eigenschaft als Insel verliert, desto stärker werden die Engländer und ihre Regierung empfinden, was Kriege bedeuten, und um so besser wird es um den Frieden der Menschheit stehen.
 

 

Erzherzog Karl Franz Josef im deutschen Hauptquartier

Erzherzog Karl Franz Josef
Erzherzog Karl Franz Josef

Berlin, 21. Januar. (W. B.)
Erzherzog Karl Franz Josef traf heute Morgen hier ein und wurde von dem österreichisch-ungarischen Botschafter und den Herren der Botschaft sowie von dem Stadtkommandanten General v. Boehn empfangen. Er begibt sich nach der österreichischen Botschaft und dann in das Schloß Bellevue, um von der Kaiserin empfangen zu werden. Um ein Uhr reist er in das deutsche Hauptquartier ab.

Berlin, 21. Januar. (Priv.-Tel.)
Der Reichskanzler verläßt heute Abend gegen 10 Uhr wieder Berlin und begibt sich ins Hauptquartier. Dort erst wird er mit dem österreichisch-ungarischen Thronfolger in Berührung kommen; hier in Berlin hat während des kurzen Aufenthalts des Thronfolgers in wenigen Vormittagsstunden kein Besuch stattgefunden.

Wien, 21. Januar.   (W. B.)   
Das "Deutsche Volksblatt" schreibt: Der Besuch des Erzherzogs Karl Franz Josef im deutschen Hauptquartier ist wieder eines jener Ereignisse in dem gegenwärtigen Kriege, die das bestehende innige Bundesverhältnis zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland der ganzen Welt mit aller Deutlichkeit vor Augen stellen. Unsere besten Wünsche und herzlichsten Grüße an das Deutsche Westheer und den obersten Kriegsherrn Kaiser Wilhelm begleiten den Thronfolger auf seiner Reise. Jeder der Siege, der gegen die Franzosen und Engländer von den deutschen Waffen erfochten wird, erweckt in uns eine ebensolche stolze Genugtuung, als ob er ein Erfolg unserer eigenen Krieger wäre.

Wien, 21. Januar.   (W. B.)   
Den Blättern zufolge tritt der Minister des Äußern, Freiherr v. Burian am 22. Januar die angekündigte Reise nach dem deutschen Hauptquartier an, wo er am 24 Januar eintreffen wird.
 

 

Generalleutnant Wild v. Hohenborn Kriegsminister


Generalleutnant v. Hohenborn

Berlin, 21. Januar. (W. B. Amtlich.)
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" meldet: Kriegsminister und Chef des Generalstabs des Feldheeres v. Falkenhayn ist unter Beförderung zum General der Infanterie auf sein Ansuchen von der Stellung als Kriegsminister enthoben worden. Generalmajor Wild v. Hohenborn ist unter Beförderung zum Generalleutnant zum Staats- und Kriegsminister ernannt worden.

Die "Frankfurter Zeitung" bemerkt zu  dieser Meldung:
"Es war vorauszusehen, daß die Geschäfte des Generalstabchefs und des Kriegsministers nicht auf längere Zeit von einer Person wahrgenommen werden konnten. Daher mußte, sobald die ersteren endgültig auf den General v. Falkenhayn übergingen, ein Nachfolger für diesen als Kriegsminister in Aussicht genommen werden. Das ist nun General Wild v. Hohenborn geworden, der vor kurzem erst zum Generalquartiermeister ernannt worden ist. Wild v. Hohenborn war vor dieser Ernennung Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartements und als solcher mit den Geschähen des Kriegsministeriums wohl vertraut Er hat im Reichstag in Vertretung des Militäretats wiederholt gesprochen. Vor der Berufung ins Kriegsdepartement war er Kommandeur des Königin Elisabeth-Grenadier-Regiments Nr. 3."
 

 

Der 1. Weltkrieg im Januar 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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