Der Weltkrieg am 20. Januar 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Erfolge im Schützengrabenkampf

Großes Hauptquartier, 20. Januar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Im Abschnitt zwischen Küste und Lys fanden nur Artilleriekämpfe statt.
Bei Notre Dame de Lorette, nordwestlich Arras, wurde dem Feinde ein 200 Meter langer Schützengraben entrissen. Dabei sind 2 Maschinengewehre erbeutet und einige Gefangene gemacht worden.
In den Argonnen nahmen unsere Truppen einige feindliche Schützengräben. An einer Stelle betrug unser Geländegewinn der letzten Tage wieder 500 Meter. Im Walde nördlich Sennheim schritt unser Angriff gut fort. Der Hirzstein wurde genommen. 2 Offiziere und 40 Alpenjäger wurden gefangen genommen.
 
Im Walde nördlich Sennheim schritt unser Angriff gut fort, der Hirzstein wurde genommen, 2 Offiziere, 40 Alpenjäger wurden gefangengenommen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Lage im Osten ist unverändert.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Deutscher Luftschiffangriff gegen die englische Ostküste

Berlin 20. Januar.
In der Nacht vom 19. zum 20. Januar haben Marineluftschiffe einen Angriff gegen einige befestigte Plätze an der Ostküste unternommen. Hierbei wurden bei nebligem Wetter und Regen mehrfach Bomben mit Erfolg geworfen. Die Luftschiffe wurden beschossen, sind aber unversehrt zurückgekehrt.

Der stellvertretende Chef des Admiralstabs:
gez. Behncke.
 

Amsterdam, 20. Januar. (Priv.-Tel.)
Gestern Abend ist ein Angriff eines deutschen Luftgeschwaders auf eine Reihe von Plätzen an der englischen Ostküste erfolgt. Zum ersten Male sind deutsche lenkbare Luftschiffe zum Angriff über den Kanal geflogen. Die Nachricht ruft größtes Aufsehen hervor. Reuter meldet am 19. aus Yarmouth: Heute Abend ½ 9 Uhr warf ein feindlicher Lenkballon eine Anzahl Bomben in die Stadt, wodurch ziemlich schwerer Schaden angerichtet wurde. Man befürchtet, daß einige Personen getötet wurden. Nach einer weiteren Meldung blieb das Luftschiff ungefähr zehn Minuten über Yarmouth und warf fünf Bomben herunter. Drei Menschen sollen dabei getötet worden sein. Eine große Anzahl von Häusern wurde zerstört und viele Fensterscheiben sind zersplittert. Das Luftschiff hat man wegen der Dunkelheit angeblich nicht sehen können, die Maschine war jedoch deutlich zu hören und man hat auch kleine Lichtblitze aus der Luft wahrgenommen. Die Bomben sind während des kurzen Zeitraums von zehn Minuten niedergeworfen worden, darauf ist das Luftschiff von der Stadt weggeflogen. Der Schaden soll mehrere tausend Pfund betragen. Auch über Cromer, Sheringham und Sandringham sind Luftschiffe erschienen und ließen Bomben niederfallen. In Sheringham krepierten fünf Geschosse. Auch hier wurde Schaden angerichtet, aber es soll niemand getötet worden sein. In Sandringham hielt sich in letzter Zeit der König auf. Er sowohl, wie die Königin hatten jedoch einige Stunden, bevor sich die deutschen Luftschiffe Sandringham näherten, den Ort verlassen.
Nach einer weiteren Reutermeldung ist am selben Abend um 10 Uhr 15 ein Luftschiff über Kings Lynn erschienen und hat mehrere Bomben abgeworfen. Hier seien zwei Häuser zerstört und eines beschädigt worden. In einem der Häuser sei ein Junge von 17 Jahren getötet und sein Vater unter den Trümmern begraben worden. Man habe ihn daraus hervorgeholt und nach dem Krankenhaus gebracht. In einem anderen Hause wurde der berühmte "Säugling an der Mutterbrust", der niemals in einem englischen oder französischen Bericht fehlen darf, wenn es sich um einen deutschen Angriff handelt, schwer verwundet. Nach dem Geräusch, das der Motor verursachte, habe man annehmen können, der "Zeppelin" sei von Kings Lynn aus in östlicher Richtung weitergeflogen Nach einem Bericht der "Times" sind 7 Bomben auf Kings Lynn abgeschossen worden, die großen Schaden angerichtet haben sollen. Das Bentinck House sei total vernichtet. Andere Bomben hätten ein Haus in der Albertstraße verwüstet und ein Loch von 12 Fuß Tiefe gerissen. Am Morgen seien auch Flugzeuge über Gravesend gesehen worden, die in nordwestlicher Richtung geflogen seien.

 

Die englische Ostküste

Das von den deutschen Luftkreuzern diesmal heimgesuchte Gebiet war im wesentlichen, und soweit bis jetzt Meldungen darüber vorliegen, die englische Grafschaft Norfolk, das Kernland eines einst von Friesen und Jüten besiedelten Reiches; noch heute nennt man diese Landschaften mit dem alten Namen "Ost-Anglien". Der bedeutendste Seehafen an dieser Küste ist die sehr alte Stadt Yarmouth mit etwa 55 000 Einwohnern. Es ist einer der Mittelpunkte der englischen Heringsfischerei, wird aber außerdem auch viel als Seebad aufgesucht. Folgt man von Yarmouth aus der nordwestlich verlaufenden ostanglischen Küste, so trifft man weiter den reizenden Seebadeort Cromer, von dem einer der bekanntesten lebenden englischen Staatsmänner seinen Lordtitel trägt. Wiederum ein paar englische Meilen nordwestlich von Cromer liegt der kleine Hafen Sheringham. Die Norfolk-Küste verläuft von da aus erst westlich und dann in beinahe rechtem Winkel dazu südlich bis zur Mündung des Flusses Ouse. Etwas aufwärts liegt an dieser die alte Stadt Lynn oder Kings Lynn, ein Ort von 20000 Einwohnern. Das nicht fern davon, aber landeinwärts gelegene Gut Sandringham Hall ist der bekannte Landsitz der englischen Königsfamilie. Sandringham ist von der Königin Viktoria für ihren ältesten Sohn, den späteren König Edward VII, erworben und von diesem in vielen Jahren verschönt und ausgebaut worden. Es birgt ein sehr bekanntes königliches Privatgestüt.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Kämpfe am Dunajec

Wien, 20. Januar. 
Amtlich wird verlautbart:
Die allgemeine Lage ist unverändert.
An der Front in Polen fanden, abgesehen von Patrouillengefechten, nur  Artilleriekämpfe statt.
Am  Dunajec   beschoß   unsere Artillerie mit Erfolg Abschnitte der feindlichen Infanterielinie und erzwang die Räumung eines stark besetzten Meierhofes. Eine eigene Abteilung drang bis an den Fluß vor, brachte dem Gegner mehrere hundert Mann Verluste bei und zerstörte noch die vom Feinde eingebaute Kriegsbrücke über den Dunajec.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Der Seekrieg

London 20. Januar. (W. B.)
Der Jahresbericht der Londoner Versicherer gibt die Zahl der beschlagnahmten oder in Häfen zurückgehaltenen deutschen Schiffe mit 445 und den
Gesamttonnengehalt mit 1004826 Tonnen an. 506 deutsche und 50 österreichische Schiffe suchten in neutralen Häfen Zuflucht Bei Kriegsausbruch wurden 79 britische Schiffe mit 172988 Tonnen, die damals in deutschen Häfen sich befanden, aufgehalten, 45 britische Schiffe von langer Fahrt mit 200856 Tonnen - die Fischdampfer nicht eingerechnet - wurden seither von deutschen Kriegsschiffen weggenommen.
 

 

Der 1. Weltkrieg im Januar 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 1
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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