Der Weltkrieg am 4. Februar 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Erfolgreicher Sturmangriff bei Massiges -
Fortschreitender Angriff in Polen

Großes Hauptquartier, 4. Februar.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Auf der Front zwischen Nordsee und Reims fanden nur Artilleriekämpfe statt.
Erneute französische Angriffe bei Perthes wurden unter Verlusten für den Feind abgewiesen.
Nördlich und nordwestlich von Massiges (nordwestlich von St. Menehould) griffen unsere Truppen gestern an, stießen im Sturm über drei hintereinanderliegende feindliche Grabenlinien durch und setzten sich in der französischen Hauptstellung in einer Breite von zwei Kilometern fest. Sämtliche Gegenangriffe der Franzosen, die auch nachts fortgesetzt wurden, sind abgeschlagen worden. Wir nahmen sieben Offiziere, 601 Mann gefangen und erbeuteten neun Maschinengewehre, neun Geschütze kleineren Kalibers und viel Material.
Sonst ist nur erwähnenswert, daß in den Mittelvogesen das erste Gefecht einer Schneeschuhtruppe gegen französische Jäger erfolgreich für uns verlief.
Östlicher Kriegsschauplatz:
In Ostpreußen wurden schwache russische Angriffe gegen unsere Stellung südlich der Memel abgewiesen.
In Polen, nördlich der Weichsel, fanden im Anschluß an die gemeldeten Kavalleriekämpfe Plänkeleien kleinerer gemischter Truppenabteilungen statt.
An der Bzura, südlich Sochaczew, brach ein russischer Nachtangriff unter starken Verlusten des Feindes zusammen. Unser Angriff östlich Bolimow machte trotz heftiger Gegenstöße des Feindes Fortschritte. Die Zahl der Gefangenen erhöht sich.
In den Karpaten kämpfen seit einigen Tagen deutsche Kräfte Schulter an Schulter mit den österreichisch-ungarischen Armeen. Die verbündeten Truppen haben in dem schwierigen und verschneiten Gebirgsgelände eine Reihe schöner Erfolge erzielt.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Blockierung Englands

Berlin, 4. Februar. (W. B. Amtlich.)
Der "Reichsanzeiger" meldet im amtlichen Teil folgendes:

Bekanntmachung

1. Die Gewässer rings Großbritanniens und Irlands einschließlich des gesamten englischen Kanals werden hiermit als Kriegsgebiet erklärt. Vom 18. Februar 1915 an wird jedes in diesem Kriegsgebiet angetroffene feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden, ohne daß es immer möglich sein wird, die dabei der Besatzung und den Passagieren drohenden Gefahren abzuwenden.
2. Auch neutrale Schiffe laufen in dem Kriegsgebiet Gefahr, da es angesichts des von der britischen Regierung am 31. Januar angeordneten Mißbrauchs neutraler Flaggen und der Zufälligkeiten des Seekrieges nicht immer vermieden werden kann, daß die auf feindliche Schiffe berechneten Angriffe auch neutrale Schiffe treffen.
3. Die Schiffahrt nördlich um die Shetlands-Inseln, in dem östlichen Gebiet der Nordsee, in einem Streifen von mindestens 30 Seemeilen Breite entlang der niederländischen Küste ist nicht gefährdet.

Berlin, 4. Februar 1915.

Der Chef des Admiralstabs:
  gez. v. Pohl.
2)

 

Die Begründung der Blockierung

Berlin, 4. Februar. (W. B. )
Zur Erläuterung der Bekanntmachung des deutschen Admiralstabes über die Blockierungsmaßnahmen gegen England wird den verbündeten, neutralen und feindlichen Mächten die nachstehende Denkschrift mitgeteilt:

Denkschrift der Kaiserlich deutschen Regierung über Gegenmaßnahmen gegen völkerrechtswidrige Maßnahmen Englands zur Unterbindung neutralen Seehandels mit Deutschland.

Seit Beginn des gegenwärtigen Krieges führt Großbritannien gegen Deutschland den Handelskrieg in einer Weise, die allen völkerrechtlichen Grundsätzen Hohn spricht. Wohl hat die britische Regierung in mehreren Verordnungen die Londoner Seekriegsrechtserklärung als für ihre Seestreitkräfte maßgebend bezeichnet, in Wirklichkeit aber sich von dieser Erklärung in den wesentlichsten Punkten losgesagt, obwohl ihre eigenen Bevollmächtigten auf der Londoner Seekriegsrechts-Konferenz deren Beschlüsse als geltendes Völkerrecht anerkannten. Die britische Regierung hat eine Reihe von Gegenständen auf die Liste der Konterbande gesetzt, die nicht oder doch nur sehr mittelbar für kriegerische Zwecke verwendbar sind und daher nach der Londoner Erklärung wie nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts überhaupt nicht als Konterbande bezeichnet werden dürfen. Sie ist ferner den Unterschied zwischen absoluter und relativer Konterbande tatsächlich beseitigt, indem sie alle für Deutschland bestimmten Gegenstände relativer Konterbande ohne Rücksicht auf den Hafen, in welchem sie ausgeladen werden sollen, und ohne Rücksicht auf die feindliche oder friedliche Verwendung der Beschlagnahme unterwirft. Sie scheut sich sogar nicht, die Pariser Seerechtsdeklaration zu verletzen, da ihre Seestreitkräfte von neutralen Schiffen deutsches Eigentum, das nicht Konterbande war, weggenommen haben. Über ihre eigenen Verordnungen zur Londoner Erklärung hinausgehend, ließ sie weiter durch ihre Seestreitkräfte zahlreiche wehrfähige Deutsche von neutralen Schiffen wegführen und sie zu Kriegsgefangenen machen. Endlich hat sie die ganze Nordsee zum Kriegsschauplatz erklärt und der neutralen Schiffahrt die Durchfahrt durch das offene Meer zwischen Schottland und Norwegen wenn nicht unmöglich gemacht, so doch aufs äußerste erschwert und gefährdet, so daß sie gewissermaßen eine Blockade neutraler Küsten und neutraler Häfen gegen alles Völkerrecht einführte. Alle diese Maßnahmen verfolgen offensichtlich den Zweck, durch die rechtswidrige Lahmlegung des legitimen Handels nicht nur die Kriegführung, sondern auch die Volkswirtschaft Deutschlands zu treffen und letzten Endes auf dem Wege der Aushungerung das ganze deutsche Volk der Vernichtung preiszugeben. Die neutralen Mächte haben sich den Maßnahmen der britischen Regierung im großen und ganzen gefügt; insbesondere haben sie nicht erreicht, daß die von ihren Schiffen völkerrechtswidrig weggenommenen deutschen Personen und Güter von der britischen Regierung herausgegeben worden sind. Auch schlossen sie sich in gewisser Richtung sogar den mit der Freiheit der Meere unvereinbaren englischen Maßnahmen an, indem sie offenbar unter dem Druck Englands, die für friedliche Zwecke bestimmte Durchfuhr nach Deutschland auch ihrerseits durch Ausfuhr- und Durchfuhrverbote verhindern. Vergebens machte die deutsche Regierung die neutralen Mächte aufmerksam, daß sie sich die Frage vorlegen müsse, ob sie an den von ihr bisher streng beobachteten Bestimmungen der Londoner Erklärung noch länger festhalten könne, wenn Großbritannien das von ihm eingeschlagene Verfahren fortsetzen und die neutralen Mächte alle diese Neutralitätsverletzungen zu Ungunsten Deutschlands länger hinnehmen würden. Großbritannien beruft sich für seine völkerrechtswidrigen Maßnahmen auf die Lebensinteressen, die für das britische Reich auf dem Spiele stehen, und die neutralen Mächte scheinen sich mit theoretischen Protesten abzufinden, also tatsächlich die Lebensinteressen von Kriegführenden als hinreichende Entschuldigung für jede Art der Kriegführung gelten zu lassen. Solche Lebensinteressen muß nunmehr auch Deutschland für sich anrufen; es sieht sich daher zu seinem Bedauern zu militärischen Maßnahmen gegen England gezwungen, die das englische Verfahren vergelten sollen. Wie England das Gebiet zwischen Schottland und Norwegen als Kriegsschauplatz bezeichnete, so bezeichnet Deutschland die Gewässer rings um Großbritannien und Irland mit Einschluß des gesamten englischen Kanals als Kriegsschauplatz und wird mit allen zu Gebote stehenden Kriegsmitteln der feindlichen Schiffahrt entgegentreten. Zu diesem Zwecke wird es vom 18. Februar 1915 jedes feindliche Kauffahrteischiff, das sich auf den Kriegsschauplatz begibt, zu zerstören suchen, ohne daß es immer möglich sein wird, die dabei den Personen und Gütern drohenden Gefahren abzuwenden. Die Neutralen werden daher gewarnt, solchen Schiffen weiterhin Mannschaften, Passagiere und Waren anzuvertrauen. Sodann aber werden sie darauf aufmerksam gemacht, daß es sich auch für die eigenen Schiffe dringend empfiehlt, das Einlaufen in dieses Gebiet zu vermeiden. Denn wenn auch die deutschen Seestreitkräfte Anweisung haben, Gewalttätigkeiten gegen neutrale Schiffe, soweit sie als solche erkennbar, zu unterlassen, so kann doch angesichts des von der britischen Regierung angeordneten Mißbrauchs neutraler Flaggen und der Zufälligkeiten des Krieges nicht immer verhütet werden, daß auch sie einem auf feindliche Schiffe berechneten Angriff zum Opfer fallen. Dabei wird ausdrücklich bemerkt, daß die Schiffahrt nördlich um die Shetlandsinseln, in dem östlichen Gebiet der Nordsee und in einem Streifen von mindestens 30 Seemeilen Breite entlang der niederländischen Küste nicht gefährdet ist. Die deutsche Regierung kündigt diese Maßnahme so rechtzeitig an, daß die feindlichen wie die neutralen Schiffe Zeit behalten, ihre Dispositionen wegen des Anlaufens der am Kriegsschauplatz liegenden Hafen danach einzurichten. Es darf erwartet werden, daß die neutralen Machte die Lebensinteressen Deutschlands nicht weniger als die Englands berücksichtigen und beitragen werden, ihre Angehörigen und deren Eigentum von dem Kriegsschauplatze fernzuhalten. Dies darf um so mehr erwartet werden, als den neutralen Mächten auch daran liegen muß, den gegenwärtigen verheerenden Krieg so bald als möglich beendigt zu sehen. 2)

 

Die ersten Wirkungen der Blockierung

London, 4 Februar. (W. B.)
Die North Western Eisenbahn-Gesellschaft stellte alle Schiffsverbindungen zwischen Holyhead und den irischen Häfen sowie auch zwischen Dublin und Greenore ein. Die Schnelldampfer verkehren nicht mehr. Die City of Dublin Schiffahrts Gesellschaft, welche nach und von Liverpool, Belfast und Manchester verkehrt, unterbrach gestern Abend den Dienst. Die Postdampfer zwischen Kingstown und Holyhead bleiben im Verkehr, da die Regierung alles Risiko übernahm.

4. Februar. (W. B.)
"Daily Telegraph" meldet aus Belfast:
Die Einstellung einer Anzahl regelmäßiger Dampferdienste zwischen England und Irland hat große Unannehmlichkeiten für Passagiere und Post im Gefolge Die Gesellschaften weigern sich, Rindvieh und Güter für überseeische Transporte anzunehmen Die Versicherungsprämie ist heute auf 1 Pfund gegen 10 Schilling gestern gestiegen und gegen 26 Schilling vor dem Krieg. Namentlich sind die Kohlenpreise hoch. Die Linie Larne-Stranraer vermehrt weiter. Der Dampfer von Heysham ist heute zum ersten Male wieder gefahren.
2)

 

Das Landungskorps der "Emden" bei Hodeida eingetroffen

Berlin, 4. Februar.
Über S. M. Schiff "Ayesha" geht die Nachricht ein, daß der Kommandant, Kapitänleutnant v. Mücke, mit dem Landungskorps S. M. Schiff "Emden" in der Nähe von Hodeida (Südwestküste von Arabien) eingetroffen und von den türkischen Truppen mit Begeisterung empfangen sei. Nachdem die Fahrt durch die Straße von Perim unbemerkt von den englischen und französischen Bewachungsstreitkräften gelungen war, vollzog sich die Landung an der Küste ungestört in Sicht eines französischen Panzerkreuzers.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Vordringen der Österreicher und Ungarn im Karpathenwaldgebirge

Wien, 4. Februar, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
In Polen und Westgalizien keine besonderen Ereignisse. Die Kämpfe in den Karpathen dauern mit unverminderter Heftigkeit an.
Im westlichen Frontabschnitt werden feindliche Angriffe abgewiesen. Den im mittleren Waldgebiet vordringenden eigenen Kolonnen gelang es auch gestern, erneut Raum zu gewinnen und einige hundert Gefangene zu machen.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der 1. Weltkrieg im Februar 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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