Der Weltkrieg am 12. März 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die russischen Niederlagen bei Grodno und Prasznysz

Großes Hauptquartier, 12. März.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Zwei feindliche Linienschiffe, begleitet von einigen Torpedobooten, feuerten gestern auf Bad Westende über 70 Schuß, ohne irgendwelchen Schaden anzurichten. Als unsere Batterien in Tätigkeit traten, entfernte sich das feindliche Geschwader.
Die Engländer, die sich in Neuve Chapelle festsetzten, stießen heute Nacht mehrere Male in östlicher Richtung vor. Sie wurden zurückgeschlagen. Auch nördlich von Neuve Chapelle wurden gestern schwache englische Angriffe abgewiesen. Der Kampf in jener Gegend ist noch im Gange.
In der Champagne herrscht im allgemeinen Ruhe.
In den Vogesen war wegen heftigen Schneetreibens die Gefechtstätigkeit nur gering.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich des Augustower Waldes wurden die Russen geschlagen. Sie entzogen sich durch schleunigen Abmarsch in Richtung Grodno einer völligen Niederlage. Wir machten hier über 4000 Gefangene, darunter 2 Regimentskommandeure, und eroberten 3 Geschütze und 10 Maschinengewehre. Auch aus der Gegend von Augustowo hat der Feind den Rückzug auf Grodno angetreten. Nordwestlich von Ostrolenka nahmen wir im Angriff 3 Offiziere und 220 Mann gefangen Nördlich und nordwestlich von Prasznysz schritten unsere Angriffe fort. Über 3200 Gefangene blieben hier gestern in unseren Händen.
Zwei große Siege haben sich die Russen in ihren amtlichen Bekanntmachungen zugesprochen, den Sieg bei Grodno und den bei Prasznysz. In beiden Schlachten behaupten sie je zwei deutsche Armeekorps geschlagen oder vernichtet zu haben. Wenn die russische oberste Heeresleitung im Ernst dieser Meinung war, so werden die Ereignisse der letzten Tage sie über die Kampfkraft unserer Truppen eines andern belehrt haben. Ihre mit so beredten Worten verkündete Offensive von Grodno durch den Augustowoer Forst ist bald gescheitert. Die Erfahrungen der dort vorgegangenen Truppen schildern die ersten Sätze unserer heutigen Veröffentlichung. Bei Prasznysz stehen unsere Truppen nach vorübergehendem Ausweichen wieder vier Kilometer nördlich dieser Stadt. Seit ihrer Aufgabe sind auf den Kampffeldern zwischen Weichsel und Orzyc 11460 Russen gefangengenommen worden.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Aus der "Frankfurter Zeitung":

Eine schwere Niederlage der Russen

Wir haben vor einigen Tagen schon darauf verwiesen, daß der Rückschlag in den deutschen Operationen im Nordosten, der zum Ausweichen aus der Gegend von Prasznysz führte, von der russischen Heeresleitung gewaltig überschätzt wurde. Der neue Tagesbericht stellt nunmehr die Ereignisse ins rechte Licht. Schon jetzt kann man feststellen, daß die mit bedeutenden Kräften unternommene russische Gegenoffensive gescheitert ist, obwohl um Prasznysz noch weitergekämpft wird. Die russischen Berichte melden in diesem Raum das Auftreten neuer deutscher Kräfte und bereiten in gewundenen Ausdrücken ihr Publikum auf einen neuen Rückzug vor. Von den aus der starken Festung Grodno geführten Vorstößen gegen Augustowo scheint sich dagegen die russische Heeresleitung noch in der letzten Zeit viel versprochen zu haben. Sie würde sonst nicht das Vorgehen ihrer Truppen durch den Forst von Augustowo so "beredt" gefeiert haben, nicht das Ergebnis dieser Kämpfe so unsinnig übertrieben haben, wie die Leitung des Ostheeres heute feststellt. Die Niederlage der Russen, die nördlich des Augustowoer Waldes wiederum 4000 Gefangene, drei Geschütze und anderes Kriegsmaterial in unseren Händen lassen mussten, hat diesen Hoffnungen ein Ende gemacht. Die ganze russische Streitmacht hat sich eilig gegen Grodno zurückgezogen. Bald wird auch den noch um Prasznysz stehenden Russen nichts anderes als der Rückzug übrig bleiben, wenn sie sich nicht einer noch weit gründlicheren Niederlage aussetzen wollen.
Die strategische Lage, die durch den Sieg in Masuren errungen wurde, bleibt unverändert günstig für unser Ostheer, das die dort gewonnenen Vorteile zu behaupten weiß.
Die Russen vermögen wohl immer noch Menschenmassen heranzuführen, die in der Verteidigung die bewährte Zähigkeit beweisen, aber beim Angriff, sei es aus taktischer Minderwertigkeit oder infolge der Mängel der höheren Führung, sich stets als unterlegen erweisen. Sobald die Massen in Bewegung kommen, sobald an die Führer die Notwendigkeit schneller Entschlüsse und zielsicheren Handelns herantritt, ist der Sieg der überlegenen Strategie gesichert. Diese Massenbewegungen aber läßt Generalfeldmarschall von Hindenburg nicht zur Ruhe kommen. Er hat Nerven stark genug, um auch Rückzüge anzuordnen, er darf auch damit rechnen, daß seine Heere und das deutsche Volk warten können, wenn einige Tage die Berichte aus dem Osten keine greifbaren Dinge sagen, wenn sogar vorübergehend Stellungen und Städte geräumt werden. Siegesnachrichten, wie sie uns jetzt von zwei Stellen der Ostfront gemeldet werden, können nicht jeden Tag eintreffen. Sie bezeichnen aber regelmäßig die Ergebnisse ganzer Kampfabschnitte.

 

Die Erörterung der Kriegsziele

Berlin, 12. März. (W. B.)
Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt:
"In einer gemeinsamen Eingabe des Bundes der Landwirte, des Deutschen Bauernbundes, des Zentralverbandes deutscher Industrieller, des Bundes der Industriellen, des Hansabundes und des Reichsdeutschen Mittelstandsverbandes an den Reichstag wird die Forderung erhoben, daß die Erörterung der Friedensbedingungen möglichst bald freigegeben werde. Die Petition meint, daß bei den Urhebern unseres Artikels gegen die sofortige Freigabe einer öffentlichen Diskussion über die künftigen Friedensbedingungen irrige Vorstellungen über die Wünsche der breiten Masse unseres Volkes beständen. Sie verweist ihrerseits auf den allgemeinen kraftvollen Willen, im Kriege durchzuhalten bis zum Äußersten. - Diese Gegenüberstellung beweist nichts gegen unsere Darlegung, da wir selbst nichts sehnlicher wünschen, als jenen einzigen kraftvollen Willen ungebrochen und gegen jedes Mißverständnis unserer Feinde und der Neutralen gesichert zu erhalten bis zum Äußersten. Die Frage, um die es sich dreht, ist vielmehr die, ob der Eindruck vollster Einmütigkeit im Durchkämpfen fortbestehen wird, wenn wir über den Lohn für alle gebrachten Opfer und über die beste Gestaltung des Friedensvertrages zu reden beginnen, bevor wir endgültig gesiegt haben. Dies Reden wird ein Streiten sein. Erfreulich ist, daß sechs große, sonst nicht immer einige Verbände, die Millionen von Groß- und Kleinbetrieben umfassen, geschlossen im vaterländischen Interesse auftreten. Ihre Polemik gegen den Entschluß der obersten militärischen und zivilen Gewalten halten wir aber nicht für zeitgemäß, da die jetzt erfolgende Freigabe der Rede den Sieg im Felde nicht beschleunigen würde. Darauf kommt es an."
Die genannten Wirtschaftsverbände haben eine ähnliche Eingabe an den Reichskanzler gerichtet, und Herr v. Bethmann Hollweg hat darauf eine Antwort gegeben, in der es heißt: "In voller Anerkennung der in ihr zum Ausdruck gekommenen heißen Wünsche für das Wohl und Gedeihen des Vaterlandes muß ich mir ein Eingehen auf ihren sachlichen Inhalt zurzeit aus den Gründen eines gebieterischen Staatsinteresses versagen, die den unterzeichneten Verbänden aus meinen die Frage einer Erörterung der Friedensziele betreffenden Verlautbarungen in der Presse bekannt sein dürften."

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Eroberung der Höhen bei Cisna - Baligrod

Wien, 12. März.
Amtlich wird verlautbart:
Die Situation in den neugewonnenen Stellungen in Russisch-Polen und Westgalizien hat sich weiter gefestigt. Angriffe des Feindes haben sich nicht mehr wiederholt. Bei Inowlodz an der Pilica brachte die eigene Artillerie gestern nach kurzem heftigen Feuerkampf mehrere feindliche Batterien zum Schweigen.
In den Karpathen wurde nach erbittertem Kampf eine Ortschaft an der Straße Cisna-Baligrod genommen und die anschließende Höhe im Laufe des Tages während dichten Schneegestöbers vom Feinde gesäubert Im westlichen Nachbarabschnitt scheiterte unterdessen ein starker feindlicher Angriff. An der übrigen Front in den Karpathen, sowie in Südostgalizien keine besonderen Ereignisse, da während des ganzen Tages heftiger Schneesturm anhielt.
Auch nördlich Czernowitz herrschte Ruhe.
Am südlichen Kriegsschauplatz hat sich seit längerer Zeit nichts ereignet. Unbedeutende Plänkeleien an der montenegrinischen Grenze fanden stellenweise statt.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Die Beschießung der Dardanellen

Konstantinopel, 12. März. (W. T. B.)
Der Korrespondent des Wolff-Bureaus in den Dardanellen meldet:
Der Feind versuchte in der Nacht vom 10. zum 11. März unter dem Schutze von Kreuzern und Torpedobootszerstörern die äußerste Minensperre wegzuräumen, nachdem zuvor größere Schiffe die Scheinwerferaufstellungen wirkungslos beschossen hatten. Die Dardanellenbatterien eröffneten das Feuer und versenkten drei Minensuchfahrzeuge, worauf sich der Gegner unverrichteter Sache zurückzog.
Durch eine Unternehmung türkischer Seestreitkräfte wurde in der Nacht zum 10. März ein feindliches Transportschiff in der Nähe von Mytilene versenkt.

Berlin, 12. März. (Priv.-Tel.)
Die Engländer benutzen die Insel Lemnos als Basis für ihre Angriffe auf die Dardanellen, was in Athen große Mißstimmung erregt hat. Wie der "Osmanische Lloyd" berichtet, erklärt die griechische Regierung unter Berufung auf die Beschlüsse der Mächte und den Athener Frieden, es könne über die Zugehörigkeit der Insel Lemnos zu Griechenland kein Zweifel bestehen. Dadurch, daß die englische Flotte, ohne sie zu befragen, auf der Insel eine Flottenbasis schaffe, werde den griechischen Rechten ein empfindlicher Abbruch getan. Wie dem "Osmanischen Lloyd" aus sicherer Quelle berichtet wird, haben die Engländer nach Lemnos noch zwei Schwimmdocks für die Ausbesserung von Schiffen geschafft und mit der Anlage einer Kohlenstation begonnen. Außerdem haben sie eine Station für Funkenspruch angelegt. Die englische Regierung hat bisher den Protest Griechenlands mit der Erklärung beantwortet, es handle sich nur um eine einstweilige Festsetzung, die durch die in der Nähe vor sich gehenden Operationen der englischen Flotte nötig gewesen sei. Inzwischen soll aber trotz der Geheimhaltung durch die griechische Regierung, die der Presse verboten hat, darüber zu sprechen, in politischen Kreisen Athens große Aufregung und Entrüstung über das eigenmächtige, rücksichtslose Vorgehen Englands entstanden sein.
2)

 

Der 1. Weltkrieg im März 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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