"Wie
die Deutschen die Gefangenen behandeln"
Großes
Hauptquartier, 18. März. (W. B. Amtlich.)
Bei einem im Walde von Bolante in den Argonnen gefallenen französischen
Offizier des 5. Kolonial-Regiments wurde der nachstehend gedruckte Befehl
gefunden. Zunächst wurde das Schriftstück hier nicht ernst genommen,
da es nicht glaubhaft erschien, daß sich die feindliche Heeresleitung
zu der Herausgabe eines solchen Machwerks erniedrigen würde. Nachdem
aber festgestellt ist, daß der Inhalt des Schriftstückes zahlreichen
Gefangenen bekannt war, und nachdem westlich von Lille ein weiterer gleicher
Abdruck des Befehls durch eine Rakete an unsere Truppen herübergeworfen
wurde, kann an seiner Echtheit nicht mehr gezweifelt werden. Es steht
also fest, daß die französische Heeresleitung mit folgendem
Erlaß einen letzten Versuch unternahm, für den mißglückten
Durchbruchsversuch in der Champagne den entmutigten Truppen Dinge vorzutäuschen,
die ihnen neue Hoffnung einflößen
sollten. Der Befehl lautet:
"Grand
Quartier General, deuxieme bureau 8. Mars 1915.
Unser
Sieg ist gewiß. Die französischen Armeen haben jetzt sieben
Monate hindurch gefochten mit dem Willen zum Siege. Von nun ab kämpfen
sie mit der Gewißheit des Sieges.
1. Die deutschen Verluste:
Das deutsche Heer kann sich nicht mehr verstärken, weder an Zahl
noch an innerem Gefechtswert. Es ist dem Untergang verfallen. Die Verluste
der Deutschen einschließlich der Kranken übersteigen jetzt
schon drei Millionen. Die Regimenter und Bataillone sind vollkommen
verbraucht. Für die Regimenter sind durchschnittlich nur noch zwölf
Berufsoffiziere zum Dienst vorhanden, und da das deutsche Offizierskorps
sich nur aus den ersten Gesellschaftskreisen ergänzt, ist Deutschland
nicht mehr in der Lage, den Truppen neue Offiziere zuzuführen.
Die deutschen Geschütze sind abgenutzt. Viele ihrer Granaten krepieren
nicht. Unsere Soldaten wissen es. Für die Rekrutenausbildung steht
nur jedem dritten Mann ein Gewehr zur Verfügung.
2. Deutschland verhungert:
Der Nachschub an Kriegsmaterial für die kämpfenden Truppen,
schon bisher schwierig, fängt an, unmöglich zu werden. Die
Flotten Englands und Frankreichs beschlagnahmen alle Waren, die von
dem Auslande für Deutschland herangeführt werden. Die deutsche
Zivilbevölkerung erhält Brot, Kartoffeln, Bier und Fleisch
von der Regierung in nur unzureichender Menge. Beweise für die
Unzulänglichkeit der Verpflegung finden sich in den Briefen, die
deutschen Gefangenen und Toten abgenommen worden sind. Die deutsche
Regierung hat diesen Mangel selbst anerkannt, indem sie die amerikanische
Regierung ersuchte, die Verpflegung der deutschen Zivilbevölkerung
zu sichern und diese zu beaufsichtigen. Ein solcher Vorschlag, der übrigens
von Amerika abgelehnt wurde, steht bisher einzig da in der Geschichte
einer Großmacht. Das deutsche Geld hat in neutralen Ländern
einen Kursverlust von 15 Prozent erfahren. Die deutschen Soldaten, bisher
von ihren Offizieren planmäßig über alle Kriegsereignisse
getäuscht, fangen langsam an, zu begreifen, daß Deutschland
geschlagen ist, und daß die Hungersnot das durch unsere Waffen
begonnene Zerstörungswerk vollenden wird.
3. Die Verbündeten Deutschlands geschlagen:
Die Türkei, der Verbündete Deutschlands, wird in ihrer eigenen
Hauptstadt durch die Flotte Englands und Frankreichs bedroht. Griechenland
und Rumänien haben mobil gemacht, um sich uns anzuschließen.
Die Russen haben soeben den Versuch eines deutschen und österreichischen
Angriffes im Keime erstickt und dabei noch nicht einmal den fünften
Teil ihrer ungeheuren Kräftequellen im Rekruten-Nachersatz verbraucht.
Die Serben haben die Österreicher für immer aus ihrem Lande
vertrieben. Die deutschen Schlachtschiffe wagen nicht, den schützenden
Hafen zu verlassen. Was die Unterseeboote anbetrifft, so haben wir und
unsere Verbündeten schon mehr davon in den Grund gebohrt, als sie
selbst Handelsschiffe vernichten konnten. Der Sieg ist uns sicher. Ohne
Mitleid für den Feind muß er bis zum letzten Ende durchgeführt
werden.
4. Die Verbrechen der Deutschen:
Mitleid verdient Deutschland wahrhaftig nicht. Seine Regierung hat durch
den Einfall in Belgien seine Vertragspflicht gegen dieses edle Land
auf das gröblichste verletzt und im Lande des Feindes jedes Völkerrecht
außer Acht gelassen. Die deutschen Truppen haben offene Städte
beschossen, wehrlose Dörfer in Brand gesteckt, Greise und Kinder
ermordet, Frauen und Mädchen geschändet. Die Unterseeboote
haben sogar neutrale Handelsschiffe versenkt. In den Gebieten Frankreichs
und Belgien, in denen die Deutschen zur Zeit hausen, zwingen sie die
Frauen, deren Männer im Felde stehen, sich ihrem brutalen Willen
zu fügen. Viele der Unglücklichen gehen schwanger infolge
der Vergewaltigung.
5. Die Leiden der französischen Gefangenen:
In zahlreichen Kämpfen haben wir gesehen, wie die Deutschen in
planmäßiger Bestialität unsere Verwundeten mit dem Bajonett
töteten. Die wenigen, die als Gefangene abgeführt worden sind,
sind in Deutschland fürchterlicher Willkür und Gemeinheit
ausgeliefert. Sie sterben vor Hunger. Ihre Nahrung besteht des Morgens
und des Abends aus einem Aufguß von Eicheln, des Mittags aus einer
Suppe, dazu für je fünf Mann ein verschimmeltes Brot.
6. Der sichere Sieg:
Welche Schlußfolgerungen sind nun aus alledem zu ziehen. Zunächst
die Mahnung, unsere Kräfte doppelt anzuspannen, um das nahe Ziel
zu erreichen, nämlich die Sicherstellung und dauernde Erhaltung
des europäischen Friedens, andererseits aber die Überzeugung,
daß es besser ist, auf dem Schlachtfelde zu sterben als den Deutschen
in die Hände zu fallen und an Entkräftung oder Schwindsucht
in ihren Kerkern elend umzukommen. Also vorwärts! Vertrauensvoll
mit aller Kraft dem sicheren Siege entgegen, dem Siege des Vaterlandes
und der Republik, dem Siege von Recht, Freiheit und Sitte."
Eine
Erläuterung zu diesem Befehle zu geben, erübrigt sich.
Oberste Heeresleitung.
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