Der
weitere Verlauf der Kämpfe in Galizien
Berlin,
14. Mai.
Aus dem Großen Hauptquartier wird uns über den weiteren Verlauf
der Operationen der Verbündeten in Westgalizien folgendes
geschrieben:
Als am 6. Mai die Armee Mackensen die Wisloka überschritten und
die erzherzogliche Armee nach der Einnahme von Tarnow den Feind zur
Räumung der ganzen Dunajeclinie bis zur Weichselmündung gezwungen
hatte, konnte die Durchbruchsschlacht von Gorlice -Tarnow als
beendet angesehen werden. Auf einer Frontbreite von 160 Kilometern
war der Feind im Rückzuge, die durchbrochenen Stellungen der Russen
lagen schon 30 Kilometer hinter dem Sieger, der auf der ganzen Linie
die Verfolgung aufgenommen hatte. Diese zeitigte auf der weiten
Front die schönsten Früchte. Am 6. Mai, nachmittag, stellte das im
Anschluß an den rechten Flügel Mackensens vorgehende österreichische
Korps in dem Karpathendorfe Thalwa die russische 48. Division,
machte dabei einen General, einen Obersten und gegen 3000 Mann zu
Gefangenen und nahm dieser Division 16 Feldkanonen, 6 ganz neue
Feldhaubitzen, zahlreiche Munitionswagen und Kriegsgerät aller Art
ab. Am 7. Mal erschienen die Reste dieser Division auf der Höhe von
Hyrowa Gora vor den Truppen des Generals v. Emmich. Von einem
deutschen Parlamentär aufgefordert sich zu ergeben, erklärte der
Divisionskommandeur, dies könne er nicht tun, legte sein Kommando
nieder und verschwand mit seinem Stabe in den Wäldern. 3000 Mann
ergaben sich hierauf dem Korps Emmich. Nach viertägigem Umherirren
in den Karpathen ergab sich General der Infanterie Kornilow am 12.
Mal samt seinem ganzen Stabe einem österreichischen Truppenteile.
Am 8. Mai hatte die österreichische dritte Armee Boroevis bereits
12000 Gefangene in ihren Händen. General v. Emmich konnte an diesem
Tage 4500 melden. Eine schwache ungarische Eskadron hatte schon am
6. Mai, unterstützt von einer deutschen Radfahrerabteilung, 3
russische Eskadrons aus Krosno hinausgeworfen und damit den ersten
Wislokübergang (nicht zu verwechseln mit der Wisloka) in die Hand
genommen. In der Stadt wurde Sanitätsmaterial und Verpflegung
erbeutet. In engster Zusammenarbeit mit deutschen Truppen wurden dem
Feinde am 8. Mai auch die das Ostufer des Wislok beherrschenden Höhen
entrissen. Die Garde fand auf ihrem Vormarsch zum Wislok 9 russische
Geschütze und 21 Munitionswagen, die der Feind auf seiner eiligen
Flucht stehen gelassen hatte. Die Besatzung von Odrzykon, die der
Garde den Übergang über den Fluß streitig machen sollte, ergab
sich. Die Zahl der Gefangenen betrug am 8. Mai 3000. Am nächsten
Tage ergaben sich einem Garderegiment, das bei Tropie überraschend
einer feindlichen Nachhut in den Rücken gekommen war, 12 Offiziere,
3000 Mann und 6 Geschütze, zu dieser Tagesbeute traten an anderer
Stelle 2000 weitere Gefangene, 8 Maschinengewehre, 1 Geschütz und
mehrere gefüllte Patronenwagen. Bei der Armee des Erzherzogs stieg
die Gefangenenzahl bis zum 9. Mai abends auf 20000 Mann. Vor der
Armee Boroevic ging der Feind aus den Karpathen eiligst in nordöstlicher
Richtung zurück. Er hatte also auch seine anfänglich bestandene
Absicht, die Wisloklinie zu halten, unter dem Druck der
unaufhaltsamen Verfolgung der Verbündeten aufgeben müssen. Wenn es
am 9. und 10. Mai bei der Armee Mackensen noch zu einem größeren
russischen Angriffe kam, so erfolgte dieser nur, um überhaupt noch
den Abzug auf der langen Karpathenfront in Fluß halten zu können.
In der Gegend von Sanok zogen die Russen zwei eilig zusammengeraffte
Divisionen zusammen, mit denen sie am 9. und 10. Mai zum Angriff auf
Besko und die dortigen Höhen schritten, während sie weiter nördlich
etwa eine Division, dabei zwei Regimenter der Festungsbesatzung von
Przemysl zu einem Gegenstoß gegen österreichisch-ungarische
Truppen ansetzten. Das Ergebnis dieses letzteren in Richtung Krosno
geführten Angriffs war ein völliges Mißlingen, wobei einem der
aus Przemysl gekommenen Regimenter 1800 Gefangene und 20
Maschinengewehre abgenommen wurden. Die russischen Angriffe auf
Besko endeten mit schwerer russischer Niederlage. Nachdem der
Ansturm abgeschlagen war, 500 tote Russen vor der Front lagen,
gingen die Truppen des Generals v. Emmich zum Angriff über. Völlig
geschlagen, wichen die Russen nunmehr eiligst auf Sanok zurück,
wobei die Verfolgung durch die Kavallerie der Verbündeten große
Ergebnisse zeitigte. An vielen Stellen ergaben sich die Russen, so
vor allem auf den Höhen und in den Wäldern südlich Besko. Das
Kampffeld bot hier noch in den nächsten Tagen ein düsteres Bild.
In ununterbrochener Reihe zogen sich hier die stark ausgebauten
russischen Schützenlöcher hin. In jedem dieser vielen Hunderten
von Löchern lag, teilweise noch horizontal angeschlagen, je ein
Gewehr mit dem aufgepflanzten Bajonett, in der Brustwehr waren
umgekehrt eingesteckte Gewehre zu sehen, an deren Schaft weiße
Fetzen gebunden waren. So hatten ganze Bataillone kapituliert. 6200
Gefangene, 6 Geschütze, 7 Munitionswagen fielen in die Hand der
dort siegreichen Truppen der Verbündeten. Die Russen waren jetzt im
vollen Rückzuge nach dem unteren San. Die ganze achte russische
Armee räumte die Karpathen, aber auch nördlich der Weichsel wichen
die Russen von der Nida in östlicher Richtung zurück. Die Wirkung
des gelungenen Durchbruchs machte sich jetzt bereits auf einer
Frontbreite von über 300 Kilometern geltend. Während die
Nachbararmeen ihren Rückzug noch in verhältnismäßiger Ordnung
vollziehen konnten, hatte die Auflösung der Reste der entscheidend
geschlagenen Armee Radko Dimitriews einen hohen Grad erreicht. Völlig
durcheinandergeraten wälzten sich deren Reste in nordöstlicher
Dichtung zurück. Die 49. russische Division vermochte von ihrem
ganzen Bestande nur mehr 4 Geschütze zu retten, eine kaukasische
Division brachte von 36 Kanonen noch 9 zurück. Dazu waren die
russischen Verbände völlig durcheinander geraten, da die Befehlsführung
und die Aufrechterhaltung der Verbindung der Truppenteile
untereinander gänzlich versagt hatte. Das rechte Flügelkorps der
Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand stellte an einem einzigen
Verfolgungstage Gefangene von 51 verschiedenen russischen
Regimentern fest. Am Abend des 10. Mai war die Gesamtzahl der
Gefangenen, die die verbündeten Heere in Westgalizien gemacht
hatten, auf über 100000 gestiegen, die Zahl der genommenen Geschütze
betrug etwa 80, die der erbeuteten Maschinengewehre über 250. 1) |