Der Weltkrieg am 15. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Sturm auf Jaroslau

Großes Hauptquartier, 15. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Bei Steenstrate am Ypernkanal wiesen wir einen nächtlichen feindlichen Angriff ab. An der Straße St. Julien-Ypern griffen wir weiter an und machten Fortschritte, drei englische Offiziere mit 60 Mann und einem Maschinengewehr fielen in unsere Hände. Die Zahl der seit dem 22. April bei Ypern von uns gemachten unverwundeten Gefangenen ist auf 110 Offiziere und 5450 Mann gestiegen, wozu noch über 500 verwundete Gefangene kommen.
Südwestlich von Lille entwickelten sich auch gestern heftige Artilleriekämpfe. Feindliche Infanterieangriffe erfolgten dort nicht. An der Lorettohöhe wurden die meisten feindlichen Angriffsversuche niedergehalten. Ein Angriff nördlich des Höhenzuges, der bis in unsere Gräben gelangte, wurde unter schweren Verlusten für den Feind abgeschlagen. Bei der Räumung von Carency und des Westteils von Ablain ist, wie jetzt festgestellt, ein in der vorderen Linie eingebautes Feldgeschütz und eine geringe Anzahl von Behelfsminenwerfern verloren gegangen. Außerdem fielen fünf von uns früher erbeutete französische Geschütze, und zwar drei kleine Revolverkanonen und zwei Mörser, die als Minenwerfer benutzt wurden, in Feindeshand zurück. Nördlich von Arras blieb es im allgemeinen ruhig.
Südlich von Ailly östlich der Maas nahmen wir einige feindliche Gräben, wobei 52 verwundete und 166 unverwundete Franzosen, darunter ein Bataillonskommandeur, gefangengenommen wurden. Drei feindliche Angriffe gegen unsere Stellungen an der Straße Essey-Flirey wurden abgewiesen. Im Priesterwalde setzten wir uns im Morgengrauen durch einen Vorstoß in Besitz eines feindlichen Grabens und machten hierbei einige Gefangene.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Nach einem vorübergehenden kleinen Erfolge des Feindes, der uns drei Geschütze kostete ist der Vormarsch starker russischer Kräfte bei Szawle zum Stehen gebracht worden. Feindliche Angriffe gegen die untere Dubissa scheiterten. Der Gegner hat nunmehr auch in die Gegend südlich des Njemen eiligst Verstärkungen herangeführt, Gefechtsberührung mit diesen besteht noch nicht. 
Bei Augustow und Karlwarja wurden feindliche Angriffe abgeschlagen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz: 
In dem Raume südlich der unteren Pilica bis zur Weichsel setzen die verbündeten Truppen den weiter abziehenden Russen nach. Der Brückenkopf von Jaroslau am San wurde gestern erstürmt. Schulter an Schulter mit der österreichisch-ungarischen Armee, in deren Verband sie stehen, erreichten die Truppen des Generals von der Marwitz die Gegend von Dobromil. Weiter südlich wird ebenfalls die Verfolgung rastlos fortgesetzt, die verbündeten Truppen haben vielfach die Gebirgsausgänge gewonnen.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Flandern 1. Weltkrieg: Bei Ypern von den Deutschen gefangene Engländer
Bei Ypern von den Deutschen gefangene Engländer

Der Kampf um Ypern

Großes Hauptquartier, 15. Mai.
Der Kampf um Ypern gehört wohl mit zu den schwierigsten und interessantesten Operationen, die in diesem Kriege ausgeführt werden. Bereits im Oktober des Vorjahres stießen deutsche Truppen an diesem Punkte gegen die hier befindliche Stellung des Gegners vor, die dieser in stärkster Weise ausgebaut hatte. Das Gelände in Westflandern ist außerordentlich schwierig. Wenn man einen Blick auf eine Spezialkarte wirft, so erblickt man ein Gewirr von Wasserläufen, kleinen Waldstücken, Dörfern, Pachthöfen. Dazu kommt noch, daß hier in Westflandern ebenso wie etwa in Holstein die Wiesen und Felder vielfach durch Knicks abgeschlossen sind. Man kann daher wohl sagen, daß ein für Operationen im großen Stiele ungünstigeres Gelänge auf dem ganzen westlichen Kriegsschauplatz nicht zu finden ist.
Die Verbündeten standen bei Beginn Kämpfe an dem rechten Ufer des Yser-Ypern-Kanals in der Linie Keyem - Dixmuiden - Merckern. Südlich dieses Ortes war ihre Stellung brückenkopfartig um die Stadt Ypern gezogen und lief über Bixschoote - Langemarck - Poelkapelle - Passchendaele - Zonnebeke-Becelaere - Gheluvelt - Zandvoorde - Hollebeke- Wytschaete - Messines nach Süden weiter. Der Angriff wurde nun in der Weise angesetzt, daß die Deutschen zunächst im Norden von Ypern vorstießen. In langwierigen, außerordentlich heftigen Kämpfen wurden Keyem und Dixmuiden genommen und der Gegner auf das linke Yserufer zurückgeworfen. Besonders wichtig war die Wegnahme des heiß umstrittenen Dixmuiden, durch dessen Eroberung die Deutschen sich gleichzeitig ein Ausfalltor nach dem linken Yserufer erkämpften. An der Hauptstellung um Ypern waren zunächst nur geringere Erfolge zu verzeichnen. Becelaere sowie das weiter südwestlich zwischen Gheluvelt und Hollebeke liegende Dorf Zandvoorde wurden genommen und damit auch an dieser Stelle etwas Gelände gewonnen. Im Süden packten die Sachsen, die von Commines auf Warneton vorgegangen waren, außerordentlich energisch an. Wytschaete sowie das hochgelegene Messines wurden nach zäher Gegenwehr den Engländern entrissen und sogar das dicht südlich von Ypern liegende St. Eloi besetzt. Doch kam der Angriff an der das Vorgelände beherrschenden Höhe des Kemmelbergs zum Stehen.
Der Winter verstrich im allgemeinen ohne große Veränderungen in den beiderseitigen Stellungen. Sobald aber, das Frühjahr und damit die bessere Witterung herannahten, beschloß die deutsche Heeresleitung, eine energische Offensive gegen die Ypern-Stellung einzuleiten. Der Plan wurde derartig gefaßt, daß ein konzentrisches Vorgehen gegen die Stellung der Verbündeten möglich wurde, und zwar sollte zunächst die Nordfront der feindlichen Stellung eingedrückt werden, um so der eigenen vorzüglichen Artillerie Gelegenheit zu geben, gegen Flanke und Rücken der vorgeschobenen Stellung von Langemarck - Passchendaele zu wirken.
Der erste Stoß wurde gegen das am Yser-Ypern Kanal gelegene Dorf Drie Grachten gerichtet, das genommen und auch trotz aller Gegenstöße der Verbündeten gehalten wurde. Von hier aus wurde dann der Angriff auf die feindliche Hauptstellung verfügt, die sich in der Linie Bixschoote - Langemarck - Poelkapelle befand: der wichtigste Stoß wurde längs des Kanalufers in der Richtung auf Het Sas geführt. Auch dieser Angriff glückte, und als der Abend des 22. April hereinbrach, befanden sich Steenstraate, Het Sas und Langemarck in deutschem Besitz. Bei Steenstraate wurde auch der Yserkanal überschritten und nach schwerem Kampf das auf dem linken Ufer liegende Dorf Lizerne erstürmt. Es wurde dann an dieser Stelle des Kanals ein Brückenkopf angelegt und damit eine neue Übergangsmöglichkeit auf das linke Yserufer geschaffen. In den folgenden Tagen wurde der Angriff weiter erfolgreich nach Süden vorgetragen. Pilkem und Kersselaere wurden erstürmt, und nachdem der Angriff starker, auf Saint Julien sowie gegen den Brückenkopf von Lizerne vorgehender feindlicher Kräfte abgeschlagen worden war, in breiter Front die Linie St. Julien - Gravenstafel angegriffen.
Unter dem Schutze eines mächtigen Kreuzfeuers, das von Norden und Osten vernichtend in die Reihen der Verbündeten hineinfuhr, rückte die deutsche Ostgruppe auf Zonnebeke vor und gewann nach Fortnahme dieses Ortes Anschluß an die von Norden vorstoßenden deutschen Truppen. Die Front um Ypern hatte damit eine bedeutende Verengerung erfahren, und die Verbündeten zogen ihre Truppen in die Linie Fortuin - Zevenkote - Polygoneveld zurück. Auch diese Stellung aber wurde eingedrückt. Zuerst fiel Fortuin und einen Tag später wurde auch die Ostfront in der Linie Zevenkote - Westhoek - Polygoneveld durchbrochen und der Gegner, der abermals unter heftigem Flankenfeuer schwer leiden mußte, aus Eksternest zurückgeworfen.
Auch im Süden waren deutsche Truppen gegen die Ypern-Stellung vorgegangen und hatten dem Gegner Hollebeke entrissen sowie den Angriff auf Klein-Zillebeke vorgetragen. Da gleichzeitig ein neuer, heftiger Anlauf von Osten her erfolgte, bei dem der Schloßpark von Helrenthage, das Dorf Eksternest sowie die Ferme Het Papotie in die Hände der Deutschen fielen, so war damit die enge Verbindung zwischen Ost- und Südgruppe hergestellt sowie der Kreis um Ypern ganz bedeutend enger gezogen.
Die heutige Stellung des Gegners läuft etwa in der Linie 700 Meter südwestlich Fortuin über Frerenberg westlich Eksternest an dem Ostrande des Waldes östlich Zillebeke entlang.
Der Gewinn an Gelände in der stark befestigten Ypern-Stellung, welche die Verbündeten für uneinnehmbar hielten, ist sehr bedeutend. Der Ring um Ypern ist wesentlich enger geworden und ein Vorstoß des Gegners in dem sich kreuzenden Feuer unserer Batterien aussichtslos. Hierzu kommen noch seine schweren Verluste an Menschen- sowie vor allem auch an Kriegsmaterial, das er trotz zähester Gegenwehr in deutscher Hand zurücklassen musste. Hinzu kommt noch das moralische Moment: die Verbündeten, gedrückt durch das Bewußtsein, eine für uneinnehmbar geltende Stellung verloren zu haben, unsere braven deutschen Truppen aber, gehoben in dem Bewußtsein des Sieges, in dem festen Vertrauen, daß alles, was ihnen auch in den Weg kommt, deutschem Heldenmute und deutscher Tätigkeit weichen muß.

Walter Oertel,  
 Kriegsberichterstatter
2)

Diese Skizze, die nach einem Entwurf unseres Berichterstatters gezeichnet ist, gibt ein schematisches Bild der Stellungslinien, 
ohne die geographische Lage der Ortschaften im einzelnen genau bezeichnen zu wollen.

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Westfront 1915

 

Ostfront 1. Weltkrieg: Ein brennendes Ölfeld bei Boryslaw
Ein brennendes Ölfeld bei Boryslaw

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Jaroslau von deutschen Truppen erobert

Wien, 15. Mai. 
Amtlich wird verlautbart:
Die russischen Armeen in Polen und Galizien sind weiter im Rückzuge. Auf der ganzen Front von Nowe Miasto, an der Pilica bis südlich des Dnjestr, in der Gegend von Dolina dringen die verbündeten Armeen vor. Am San sind Rudnik und Lezajek von unseren, Jaroslau von deutschen Truppen erobert. Das in Mittelgalizien zuständige österreichisch-ungarische zehnte Korps steht vor den Toren seiner Heimatstadt Przemysl. Weiter südlich sind Dobromil, Stary-Sambor und Boryslaw wieder in eigenem Besitz. Verbündete Truppen der Armee Linsingen haben die Höhen südwestlich Dolina erreicht.
An der Pruthlinie greifen die Russen noch an. In den erbitterten Kämpfen nördlich Kolomea hat kärntnerische und steierische Infanterie des Heeres und der Landwehr in zähem Ausharren alle russischen Sturmangriffe blutig zurückgeschlagen. 

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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