Der
Kampf um Ypern
Großes
Hauptquartier, 15. Mai.
Der Kampf um Ypern gehört wohl mit zu den schwierigsten und
interessantesten Operationen, die in diesem Kriege ausgeführt
werden. Bereits im Oktober des Vorjahres stießen deutsche Truppen
an diesem Punkte gegen die hier befindliche Stellung des Gegners
vor, die dieser in stärkster Weise ausgebaut hatte. Das Gelände in
Westflandern ist außerordentlich schwierig. Wenn man einen Blick
auf eine Spezialkarte wirft, so erblickt man ein Gewirr von Wasserläufen,
kleinen Waldstücken, Dörfern, Pachthöfen. Dazu kommt noch, daß
hier in Westflandern ebenso wie etwa in Holstein die Wiesen und
Felder vielfach durch Knicks abgeschlossen sind. Man kann daher wohl
sagen, daß ein für Operationen im großen Stiele ungünstigeres
Gelänge auf dem ganzen westlichen Kriegsschauplatz nicht zu finden
ist.
Die Verbündeten standen bei Beginn Kämpfe an dem rechten Ufer des
Yser-Ypern-Kanals in der Linie Keyem - Dixmuiden - Merckern. Südlich
dieses Ortes war ihre Stellung brückenkopfartig um die Stadt Ypern
gezogen und lief über Bixschoote - Langemarck - Poelkapelle -
Passchendaele - Zonnebeke-Becelaere - Gheluvelt - Zandvoorde -
Hollebeke- Wytschaete - Messines nach Süden weiter. Der Angriff
wurde nun in der Weise angesetzt, daß die Deutschen zunächst im
Norden von Ypern vorstießen. In langwierigen, außerordentlich
heftigen Kämpfen wurden Keyem und Dixmuiden genommen und der Gegner
auf das linke Yserufer zurückgeworfen. Besonders wichtig war die
Wegnahme des heiß umstrittenen Dixmuiden, durch dessen Eroberung
die Deutschen sich gleichzeitig ein Ausfalltor nach dem linken
Yserufer erkämpften. An der Hauptstellung um Ypern waren zunächst
nur geringere Erfolge zu verzeichnen. Becelaere sowie das weiter südwestlich
zwischen Gheluvelt und Hollebeke liegende Dorf Zandvoorde wurden
genommen und damit auch an dieser Stelle etwas Gelände gewonnen. Im
Süden packten die Sachsen, die von Commines auf Warneton
vorgegangen waren, außerordentlich energisch an. Wytschaete sowie
das hochgelegene Messines wurden nach zäher Gegenwehr den Engländern
entrissen und sogar das dicht südlich von Ypern liegende St. Eloi
besetzt. Doch kam der Angriff an der das Vorgelände beherrschenden
Höhe des Kemmelbergs zum Stehen.
Der Winter verstrich im allgemeinen ohne große Veränderungen in
den beiderseitigen Stellungen. Sobald aber, das Frühjahr und damit
die bessere Witterung herannahten, beschloß die deutsche
Heeresleitung, eine energische Offensive gegen die Ypern-Stellung
einzuleiten. Der Plan wurde derartig gefaßt, daß ein
konzentrisches Vorgehen gegen die Stellung der Verbündeten möglich
wurde, und zwar sollte zunächst die Nordfront der feindlichen
Stellung eingedrückt werden, um so der eigenen vorzüglichen
Artillerie Gelegenheit zu geben, gegen Flanke und Rücken der
vorgeschobenen Stellung von Langemarck - Passchendaele zu wirken.
Der erste Stoß wurde gegen das am Yser-Ypern Kanal gelegene Dorf
Drie Grachten gerichtet, das genommen und auch trotz aller Gegenstöße
der Verbündeten gehalten wurde. Von hier aus wurde dann der Angriff
auf die feindliche Hauptstellung verfügt, die sich in der Linie
Bixschoote - Langemarck - Poelkapelle befand: der wichtigste Stoß
wurde längs des Kanalufers in der Richtung auf Het Sas geführt.
Auch dieser Angriff glückte, und als der Abend des 22. April
hereinbrach, befanden sich Steenstraate, Het Sas und Langemarck in
deutschem Besitz. Bei Steenstraate wurde auch der Yserkanal überschritten
und nach schwerem Kampf das auf dem linken Ufer liegende Dorf
Lizerne erstürmt. Es wurde dann an dieser Stelle des Kanals ein Brückenkopf
angelegt und damit eine neue Übergangsmöglichkeit auf das linke
Yserufer geschaffen. In den folgenden Tagen wurde der Angriff weiter
erfolgreich nach Süden vorgetragen. Pilkem und Kersselaere wurden
erstürmt, und nachdem der Angriff starker, auf Saint Julien sowie
gegen den Brückenkopf von Lizerne vorgehender feindlicher Kräfte
abgeschlagen worden war, in breiter Front die Linie St. Julien -
Gravenstafel angegriffen.
Unter dem Schutze eines mächtigen Kreuzfeuers, das von Norden und
Osten vernichtend in die Reihen der Verbündeten hineinfuhr, rückte
die deutsche Ostgruppe auf Zonnebeke vor und gewann nach Fortnahme
dieses Ortes Anschluß an die von Norden vorstoßenden deutschen
Truppen. Die Front um Ypern hatte damit eine bedeutende Verengerung
erfahren, und die Verbündeten zogen ihre Truppen in die Linie
Fortuin - Zevenkote - Polygoneveld zurück. Auch diese Stellung aber
wurde eingedrückt. Zuerst fiel Fortuin und einen Tag später wurde
auch die Ostfront in der Linie Zevenkote - Westhoek - Polygoneveld
durchbrochen und der Gegner, der abermals unter heftigem
Flankenfeuer schwer leiden mußte, aus Eksternest zurückgeworfen.
Auch im Süden waren deutsche Truppen gegen die Ypern-Stellung
vorgegangen und hatten dem Gegner Hollebeke entrissen sowie den
Angriff auf Klein-Zillebeke vorgetragen. Da gleichzeitig ein neuer,
heftiger Anlauf von Osten her erfolgte, bei dem der Schloßpark von
Helrenthage, das Dorf Eksternest sowie die Ferme Het Papotie in die
Hände der Deutschen fielen, so war damit die enge Verbindung
zwischen Ost- und Südgruppe hergestellt sowie der Kreis um Ypern
ganz bedeutend enger gezogen.
Die heutige Stellung des Gegners läuft etwa in der Linie 700 Meter
südwestlich Fortuin über Frerenberg westlich Eksternest an dem
Ostrande des Waldes östlich Zillebeke entlang.
Der Gewinn an Gelände in der stark befestigten Ypern-Stellung,
welche die Verbündeten für uneinnehmbar hielten, ist sehr
bedeutend. Der Ring um Ypern ist wesentlich enger geworden und ein
Vorstoß des Gegners in dem sich kreuzenden Feuer unserer Batterien
aussichtslos. Hierzu kommen noch seine schweren Verluste an
Menschen- sowie vor allem auch an Kriegsmaterial, das er trotz zähester
Gegenwehr in deutscher Hand zurücklassen musste. Hinzu kommt noch
das moralische Moment: die Verbündeten, gedrückt durch das Bewußtsein,
eine für uneinnehmbar geltende Stellung verloren zu haben, unsere
braven deutschen Truppen aber, gehoben in dem Bewußtsein des
Sieges, in dem festen Vertrauen, daß alles, was ihnen auch in den
Weg kommt, deutschem Heldenmute und deutscher Tätigkeit weichen muß.
Walter
Oertel,
Kriegsberichterstatter 2) |