Der Weltkrieg am 16. Mai 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Der Befehl zur großen französischen Offensive - Ein französischer Stützpunkt in den Argonnen genommen

Großes Hauptquartier, 16. Mai.
Westlicher Kriegsschauplatz: 
Nördlich von Ypern greifen schwarze Truppen seit gestern nachmittag ohne jede Rücksicht auf eigene Verluste unsere Stellungen westlich des Kanals bei Steenstraate und Het Sas an. Bei Het Sas wurden alle Angriffe abgewiesen, bei Steenstraate dauert der Kampf noch an.
Südwestlich von Lille schritten die Engländer nach starker Artillerievorbereitung gegen unsere Stellungen südlich Neuve Chapelle zum Infanterieangriff, der an den meisten Stellen schon abgeschlagen ist. An einzelnen Punkten wird noch gekämpft. Weiter südlich, beiderseits des Loretto-Höhenrückens, und bei Souchez sowie nördlich von Arras bei Neuville brachen erneute französische Angriffe in unserem Feuer zusammen. Besonders starke Verluste erlitten die Franzosen auf der Lorettohöhe sowie bei Souchez und Neuville.
Westlich der Argonnen setzten wir uns abends durch Angriff in Besitz eines starken französischen Stützpunktes von 600 Meter Breite und 200 Meter Tiefe nördlich von Ville-sur-Tourbe und behaupteten denselben gegen drei nächtliche für den Feind sehr verlustreiche Gegenangriffe. Viel Material und 60 Gefangene fielen in unsere Hand. Zwischen Maas und Mosel fanden auf der ganzen Front lebhafte Artilleriekämpfe statt. Zu Infanteriekämpfen kam es nur am Westrande des Priesterwaldes, wo der Kampf noch nicht abgeschlossen ist.
Östlicher Kriegsschauplatz:
In Gegend Szawle wurde ein russischer Vorstoß mühelos abgewiesen. Die Zahl der dort in den letzten Tagen gemachten Gefangenen übersteigt 1500. An der Dubissa, nordwestlich Ugiany, mußte eine kleinere Abteilung von uns stärkeren russischen Kräften weichen, sie verlor 2 Geschütze. Weiter südlich, bei Eiragola, wurden die Russen unter Verlust von 120 Gefangenen zurückgeworfen. Nördlich und südlich von Augustow und beiderseits des Ornulew scheiterten starke russische Nachtangriffe unter schweren Verlusten für den Gegner, der 245 Gefangene bei uns zurückließ.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Zwischen Pilica und oberer Weichsel sowie auf der Front Sambor (40 km südöstlich Przemysl) -Stryj-Stamslau befinden die verbündeten Armeen sich im weiteren Vormarsch. Am unteren San von Przemysl abwärts leistet der Feind Widerstand.

Wie es unsere Gewohnheit bei französischen Angriffen mit großen Zielen ist, wird nachfolgend der französische Befehl für die im Gange befindliche Offensive nördlich von Arras bekanntgegeben:

"Nach einem Feldzuge von neun Monaten, wovon sieben in den Verschanzungen zugebracht wurden, ist es Zeit, eine endgültige Anstrengung zu machen, um die feindliche Linie zu durchbrechen und - Besseres erwartend - die Deutschen zunächst vom nationalen Boden zu vertreiben. Der Augenblick ist günstig. Niemals war die Armee stärker und von einem erhebenderen Geiste beseelt. Der Feind ist nach seinen heftigen Angriffen der ersten Monate jetzt auf die Verteidigung seiner West- und Ostfront beschränkt, während die neutralen Nationen darauf warten, daß wir ihnen durch einen Erfolg das Zeichen zum Losschlagen geben.
Der Feind vor uns scheint nur über einige Divisionen zu verfügen. Wir sind viermal so stark als er und haben eine Artillerie, so furchtbar, wie sie noch nie auf dem Schlachtfelde erschienen ist. Es handelt sich heute nicht mehr darum, einen Handstreich zu wagen oder einen Graben zu nehmen. Es handelt sich darum, den Feind zu schlagen. Darum gilt es, ihn mit äußerster Heftigkeit anzugreifen und mit einer unvergleichlich zähen Erbitterung zu verfolgen, ohne uns um Ermüdung, Hunger, Durst oder Leiden zu kümmern. Nichts ist erreicht, wenn der Feind nicht endgültig geschlagen wird. So möge denn jeder - Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten - davon überzeugt sein, daß das Vaterland von dem Augenblick an, wo der Befehl zum Angriff gegeben, bis zum endgültigen Erfolg, jede Kühnheit, jede
Kraftanstrengung und jedes Opfer von uns fordert.

Der Kommandierende General des XXXIII. Armeekorps.

gez. Petain.
Der Chef des Generalstabes. " (Name unleserlich.)

 

Besonders interessant ist die Angabe über die deutsche Defensive auf der Ostfront.

    Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Einzug der Österreicher in Sambor

Wien, 16. Mai, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
In Russisch-Polen verfolgen die Verbündeten Streitkräfte südlich der unteren Pilica, haben das Bergland von Kielce bis zum Oberlauf der Kamienna vom Feinde gesäubert und sind entlang der Weichsel bis auf die Höhen nördlich Klimontow vorgedrungen.
An der Sanstrecke Rudnik-Przemysl wurden russische Nachhuten vom westlichen Flußufer zurückgeworfen und hierbei viele Gefangene gemacht.
Die aus den Waldkarpathen vorgedrungenen Armeen setzen ihre Vorrückung fort. Eine starke russische Nachhut wurde gestern in der Gegend der Höhe Magiera zersprengt, 7 Geschütze, 11 Maschinengewehre erobert, über 1000 Gefangene gemacht.
Unsere Truppen sind vormittags mit klingendem Spiel jubelnd begrüßt in Sambor eingezogen.
In Südostgalizien wurden nördlich Kolomea neue Angriffe der Russen abgewiesen, ein Stützpunkt dem Gegner entrissen. Weiter Pruth abwärts bis zur Reichsgrenze
herrscht verhältnismäßig Ruhe.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes
 v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
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Ostfront 1. Weltkrieg: Deutsche Truppen beim Vormarsch in das Laborcztal
Deutsche Truppen beim Vormarsch in das Laborcztal

Bei der deutschen Südarmee

Tucholka 16. Mai.
Als die Kolonne des Nachts gegen zwei Uhr ins Quartier zurückkam, erwartete sie der Befehl, um 5½ Uhr zu laden und über die Pässe nach Tucholka zu fahren. Der Leutnant ließ die Ersatzfahrer rufen, um seinen angestrengten Leuten einen Urlaubstag zu gewähren. Aber kein Fahrer gab für solch schwierige Fahrt seinen Wagen aus der Hand, keiner wollte im Augenblick der höchsten Wichtigkeit der Kolonnen, des allgemeinen Vorrückens, zurückbleiben. Punkt 5½ Uhr stand die Kolonne zum Laden. Ein frischer Bergwind blies ins Laborczatal und graue Nebelschwaden hingen um die Bergkuppen. Es ging toll zu auf dem Ladeplatz, ein halbes Dutzend Lastwagenkolonnen lud zu gleicher Zeit, und da eine Kolonne zu zehn Wagen etwa 25 Tonnen faßt - etwa 80 vierspännige Pferdewagen wären zur gleichen Leistung nötig und brauchten zwei volle Tage, während die Autokolonne das gleiche in knapp einem Tage schafft - so hatten die russischen Gefangenen mächtig zu schleppen. Da verschwanden Säcke mit Hafer und Kartoffeln, Ausrüstungsstücke und Munitionskisten hinter den Plandecken, und Wagen um Wagen ratterte davon. Stundenlang fuhren wir dann die Paßstraße hinauf, auf der eine einzige Riesenschlange von Kolonnen sich bergan wand. Im Sechserzug donnerten Haubitzen und Protzen über die Holzbrücken, dazwischen kutschierten leichte galizische Wägelchen mit mageren abgetriebenen Gäulen.
Aber welch eine trotz aller Ausbesserungen und Ausschotterungen zerfahrene Straße. Da rutschen die Autos zur Seite ab, dort können die ermüdeten Pferde die Hufe auf dem zähen Brei nicht mehr heben und sinken kraftlos um. Und erst wenn es in steilen Serpentinen aufwärts geht. Da kocht ein Kühler, hier reißt ein Ventilatorriemen; alle Augenblicke gibt es einen Halt, stockt die Kolonne. In den Biegungen fassen die Räder nicht im Schlamm, und man muß Ketten und Tannenzweige unterschieben, damit sie wieder anpacken. Alles legt mit Hand an, der Führer ermuntert die Fahrer und packt sie bei ihrer Chauffeurehre. Und ist die Straße noch so verstopft, einmal lösen sich die Knäuel. Die Zweikaiserstadt wird erreicht, eine riesige Barackenstadt, die an Stelle der niedergebrannten Häuser von Kimiec auf der Paßhöhe errichtet ist, dann geht es wieder in scharfen Windungen abwärts ins Klimezankatal, um schließlich zum schwierigsten Teil der Fahrt, zur 1000 Meter-Höhe des Lysapasses steil hinanzuführen. Um den Berg ist vor Wochen scharf gekämpft worden, aber nur noch Gräber mit hellen Kreuzen berichten davon.
Unsere Kolonne fährt steil hinunter ins Tal von Tucholka, auf einem aus Zehntausenden von Baumstämme gebauten Knüppeldamm, der an Straßenbiegungen wie eine Radrennbahn nach oben gebogen ist. Von Tucholka ist das Divisionsstabsquartier schon weit voran gezogen, nur Trains, Bagagen und Kolonnen füllen noch den Ort. Gerüchte schwirren: Unsere Vorhut hat Stryj erreicht, die Russen fliehen, Italien hat an die Türkei den Krieg erklärt und was dergleichen mehr ist.
Aber hinter der langgestreckten Holzbaracke des Lazaretts liegen auf dem großen Gottesacker 400 Opfer des Zwininrückens, der dort hinter dem Danzkihöhenzug drohend seinen
Gipfel ragen läßt. An einem Grabe heißt es: "Es starb für das Vaterland der Gefreite Professor Dr. Meyer", am andern nur: "Hier ruhen deutsche Kameraden". Die Sanitätskompanie hat den Helden des Zwinin aus Holz ein großes Denkmal errichtet, das man später, genau so wie es ist, schlicht und edel in der Form, weithin leuchtend und sichtbar von allen Höhen des Karpathenkammes, in Stein wird meißeln müssen.
Wir klimmen die steile Danzkihöhe hinan und haben den ganzen Kamm des Zwinin vor uns, wie er steil und schroff bis zu 900 bis 1100 Meter ansteigt. Nur selten unterbrechen Baumgruppen das saftige Grün der Matten, um so häufiger aber Schützengräben, Granatenlöcher. Rechts ragt eben so jäh der Ostrog aus dem Tale auf, und zwischen den beiden Bergspitzen durch schlängelt sich das Tal der Orawa nach Kuziowa, flankiert noch vom Ostryberge. Kaum ist es zu fassen, daß solche Berge im Frontalangriff überhaupt genommen werden konnten, wo russischer Graben um Graben in Schnee und Eis erstürmt werden mußte gegen einen tapferen Gegner, der nicht leicht zu erschüttern war. Die Tage des 9. und 25. zum 26. April, da der letzte Sturm die Kuppen in unsere Hand brachte, das sind Ehrentage der deutschen Südarmee, wie die Kriegsgeschichte nur wenige kennt. Die Berge der zehntausend Toten wird man den Zwinin und den Ostry in der Kriegsgeschichte dereinst nennen.
Schon am Morgen in aller Frühe schiebt sich der Zug der Kolonnen wieder voran, Autos von Stäben und der Armeeleitung tuten und blasen sich durch, Züge von Gefangenen werden zurückgebracht. Wie wundervoll ist dieses lange schmale Band von weißen Plandecken im Frühlingsgrün, wie es sich dreht und biegt und schiebt und dehnt. Endlos, endlos diese Reihen, die dem siegreich vordringenden Heere nachdrängen, es zu stärken und zu waffnen, damit ihm der Erfolg nicht ungenützt enteile.
Der Zwinin und der Ostry erscheinen nun im Rücken, und zu beiden Seiten des Tales ziehen sich stundenlang Drahtverhaue, Gräben und Artilleriestellungen der Russen, ganze Bretterbudenstädte, in denen ihre Reserven lagen, Talsperren, Hindernisse. Wie Siebe durchlöchert sind die Hänge von den Aufschlägen der Granaten. Aber mit deutschen Truppen und deutscher Führung als Verteidigern wäre dieses Tal von Orawa nach Kuziowa uneinnehmbar gewesen.
Die Russen sind ziemlich rasch zurückgegangen, aber sie versuchten immerhin unser Nachdrücken zu erschweren. Zwei oder drei hohe Straßenbrücken sind zerstört, gesprengt, verbrannt, und man muß nun auf Notbrücken, schwankenden, krachenden Balken- und Bretterböden dicht über dem Flußlauf durch, bis die Pioniere die Hochbauten wieder in Stand gesetzt haben Das gibt bei den schweren Autos bange Momente. Aber es geht doch, es geht alles, wenn das Heer vorrückt, wenn der Funke des Siegerwillens von der Front bis zum letzten Mann zurückspringt. Je weiter man vorkommt, desto mehr haben die Russen zerstört, viele Wohnhäuser sind abgebrannt, das herrschaftliche Gut, das zu den Riesenbetrieben eines Steinbruchs und eines Sägewerks im Tale gehört, raucht noch, und über dem einstigen Bahnhof von Skole lastet noch der Brandgeruch. Tief eingebettet zwischen die Tannenwälder der Berge liegt das Städtchen Skole. Vorgestern sind die Russen abgezogen, alles riecht noch nach ihnen. Stäbe, Kolonnen, Bagagen füllen den Ort.
Man macht am besten selbst Quartier. Der russische Pope, der unser Zimmer bewohnte, hatte Sinn für Aussicht und frische Tannenabendluft. Daß er den polnischen Quartierlauten vorlog, die Deutschen würden alles niederbrennen und sie schnitten den Leuten, die Russen beherbergt hätten, Nase und Zunge weg, sei ihm nicht weiter nachgetragen. Er habe in Lemberg zu tun, hat er bei seiner Abreise gesagt. Hoffentlich nicht lange. Unsere Vorhuten kämpfen schon um Stryj. 

Dr. Fritz Wertheimer,
 Kriegsberichterstatter.
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Der türkische Heeresbericht:

Schwere englisch-französische Verluste bei Ari Burun

Konstantinopel, 16. Mai, 8 Uhr abends.
Das türkische Hauptquartier meldet:
An der Dardanellenfront bei Ari Burun unternahmen drei feindliche Bataillone mit Genietruppen gestern früh gegen die Stellung unseres rechten Flügels wiederholt Angriffe, durch die wir überrascht werden sollten. Die Feinde wurden jedesmal mit Verlusten zurückgeworfen und durch unsere Gegenangriffe bis in ihre Hauptstellungen getrieben. Wir zählten 300 tote Feinde in der Umgebung dieser Stellungen. Der Gesamtverlust des Feindes bei diesen Angriffen beläuft sich auf 1500 Mann. Wir erbeuteten 200 Gewehre sowie auch eine Menge sonstigen Kriegsmaterials. Unsere eigenen Verluste sind verhältnismäßig sehr gering. 
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"Muawenet Millie"

Die Torpedierung des "Goliath"

Kapitänleutnant Firle
Kapitänleutnant Firle

Konstantinopel, 16. Mai. 
Der türkische Torpedojäger "Muawenet Millie", der das englische Linienschiff "Goliath" versenkte, stand unter dem Kommando des Kapitäns Achmed und des Deutschen Firle. 
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Deutsche U-Boote im Mittelmeer

Athen, 16. Mai. 
Der englische Gesandte in Athen erhielt vom Kommandierenden Admiral der englischen Dardanellenflotte Nachricht über die Anwesenheit deutscher Unterseeboote im Mittelmeer. Die Athener Zeitungen berichten, daß ein deutsches Unterseeboot bei Kap d´Oro auf der Insel Euböa gesehen wurde. 
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Das Ministerium Salandra bleibt


Salandra

Rom, 16. Mai.
Die "Agenzia Stefani" gibt bekannt:
Der König hat die Demission des Ministeriums Salandra nicht angenommen. Infolgedessen bleibt das gesamte Ministerium auf seinem Posten. 
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Der 1. Weltkrieg im Mai 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

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