Der Weltkrieg am 23. Juli 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Näher an Warschau heran - Vorstellungen der Narewfestung Rozan erstürmt

Großes Hauptquartier, 23. Juli.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nächtliche Handgranatenangriffe des Feindes nördlich und nordwestlich von Souchez wurden abgewiesen.
In der Champagne unternahmen wir in der Gegend Perthes umfangreiche Sprengungen und besetzten die Trichterränder.
Im Priesterwalde mißlang nachts ein französischer Vorstoß.
In den Vogesen dauerten die Kämpfe fort. Ein feindlicher Angriff gegen die Linie Lingekopf-Barrenkopf (nördlich von Münster) wurde nach heftigem Nahkampf vor und in den Stellungen der Bayern und mecklenburgischen Jäger zurückgeschlagen; 2 Offiziere, 64 Alpenjäger wurden dabei gefangen genommen. Auch am Reichsackerkopf griffen die Franzosen erfolglos an.
Bei Metzeral warfen wir sie aus einer vorgeschobenen Stellung, die wir, um Verluste zu vermeiden, planmäßig wieder räumten.
In Erwiderung der mehrfachen Beschießung von Thiaucourt und anderer Ortschaften zwischen Maas und Mosel nahm unsere Artillerie gestern Pont-à-Mousson unter Feuer.
Unsere Flieger griffen das Bahndreieck von St. Hilaire in der Champagne an und zwangen feindliche Flieger zum Rückzuge. Auch auf die Kasernen von Gérardmer wurden Bomben abgeworfen. Bei einem Luftkampf über Conflans wurde ein feindliches Kampfflugzeug vernichtet.
Östlicher Kriegsschauplatz:
In Kurland folgen wir den nach Osten weichenden Russen unter fortgesetzten Kämpfen, bei denen gestern 6550 Gefangene gemacht und 3 Geschütze, viele Munitionswagen und Feldküchen erbeutet wurden.
Gegen den Narew und die Brückenkopfstellung von Warschau schoben sich unsere Armeen näher heran. Vor Rozan wurden das Dorf Miluny und das Werk Szygi mit dem Bajonett gestürmt, in letzterem 290 Gefangene gemacht.
Nächtliche Ausfälle aus Nowo-Georgiewsk mißlangen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Das Westufer der Weichsel von Janowiec (westlich von Kazimierz) bis Granica ist vom Feinde gesäubert. Im Waldgelände südöstlich von Koziniec wird noch mit russischen Nachhuten gekämpft. Zwischen Weichsel und Bug gelang es den verbündeten Truppen, den zähen Widerstand des Gegners an verschiedenen Stellen zu brechen und ihn dort zum Rückzuge zu zwingen. Die blutigen Verluste der Russen sind außergewöhnlich groß.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der Dank des deutschen Kronprinzen an die Truppen in den Argonnen

Kronprinz Wilhelm
Kronprinz Wilhelm

Saarbrücken, 23. Juli (W. B.)
Die "Saarbrücker Volkszeitung" veröffentlicht folgenden vom Armeeoberkommando der 5. Armee bekanntgegebenen Armeebefehl des Kronprinzen:

"Armeehauptquartier, den 19. Juli. 

Kameraden! 

Es ist mir ein von Herzen kommendes Bedürfnis, all den Truppen, welche an den siegreichen Kämpfen der letzten Woche beteiligt gewesen sind, noch einmal meinen Dank und meine volle Anerkennung auszusprechen. Zehn Monate lang haben wir in schweren blutigen Kämpfen einen zähen und tapferen Gegner Schritt für Schritt und Graben um Graben nach Süden zurückgedrängt. Mancher tapfere Krieger hat in diesem Walde sein Leben für sein Vaterland dahingegeben. Mit stiller Wehmut und Dankbarkeit gedenken wir unserer gefallenen Kameraden. Durch die siegreichen Sturmangriffe auf eine vom Gegner besonders stark ausgebaute Stellung habt Ihr, meine Argonnentruppen, von neuem gezeigt, daß, obgleich die große Kriegslage uns hier auf der Westfront im allgemeinen ein defensives Verhalten auferlegt, wobei die "Winterschlacht in der Champagne", "Côte Lorraine", "Vogesenkämpfe", "Schlacht von Arras" ein beredtes Zeugnis von unvergleichlicher deutscher Tapferkeit und von treuem Ausharren ablegen wird, doch in der Lage sind, wo es erforderlich ist, den Franzosen tüchtige Schläge auszuteilen. Mit voller Genugtuung können wir auf die letzten Kämpfe zurückblicken, die uns eine große Beute an Gefangenen und Material aller Art eingebracht haben. Ich bin stolz und glücklich, an der Spitze solcher Truppen stehen zu dürfen, und bin überzeugt, daß, wenn der Augenblick kommt, wo unser oberster Kriegsherr den weiteren Vormarsch befehlen wird, ich mich auf Euch verlassen kann und wir neuen Lorbeer an unsere siegreichen Fahnen winden werden. 

Der Oberbefehlshaber: 
Wilhelm,
 Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen."

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Russische Gegenangriffe am Bug zurückgeschlagen - Immer noch Kämpfe im Görzischen

Wien, 23. Juli, mittags.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Kämpfe in Südpolen, in Wolhynien und am oberen Bug nehmen ihren Fortgang. Gegen die Bugstrecke Kamionka-Strumilowa-Krystynopol-Sokal, an deren Ostufer wir uns einige brückenkopfartige Stellungen eingerichtet haben, setzte der Feind sehr starke Kräfte an. Er arbeitete sich an einzelnen Punkten bis auf 300 Schritte an unsere Schützengräben heran, anderen Orts kam es bis zum Handgemenge. Überall wurden die Russen unter großen Verlusten zurückgeworfen. Südöstlich Sokal nahm bei einem kühnen Flankenstoß das Feldjägerbataillon Kopal Nr. 10 3 russische Offiziere und 342 Mann gefangen.
Nordwestlich Grubieszow gewannen deutsche Kräfte bedeutend Raum. Zwischen der Bystryca und der Weichsel warfen die Truppen des Erzherzogs Joseph Ferdinand den Feind auf Belzyce und über Wronow zurück.
Westlich der Weichsel von der Pilicamündung aufwärts sind die Verbündeten bis an den Strom und an den Gürtel von Iwangorod herangerückt. Bei Koziniec kämpfen unsere Truppen noch mit feindlichen Nachhuten. An den anderen Teilen der Front ist die Lage im allgemeinen unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Die Schlacht im Görzischen ist noch immer nicht abgeschlossen. Gegen den Görzer Brückenkopf unterhielten die Italiener ein mäßiges Artilleriefeuer. Ein Angriff auf den Monte Sabotino wurde abgeschlagen. Im Vorfelde von Podgora liegen Hunderte von Feindesleichen. Unsere Truppen haben die ursprünglichen Stellungen des Brückenkopfes ausnahmslos im Besitz. Bei der Abwehr der zahlreichen feindlichen Stürme zeichnete sich die dalmatinische Landwehr neuerdings besonders aus. Am Rande des Plateaus von Doberdo wird weiter gekämpft. Gegen den Abschnitt Peteano-Sdraussina setzten die Italiener in der verflossenen Nacht drei Angriffe ein, die abgewiesen wurden. Ebenso mißlang ein Versuch des Gegners, sich zwischen Sdraussina und Polazzo näher an unsere Gräben heranzuarbeiten. Auch neuerliche Vorstöße des Feindes bei Selz, Vermigliano und gegen den Monte Cosich waren gleich allen früheren vergeblich.
Am Mittelisonzo fanden nur Geschützkämpfe statt. Im Krngebiete wiesen unsere Truppen gestern, dann nachts und heute früh Angriffe ab.
Im Kärntner und Tiroler Grenzgebiet hat sich nichts Wesentliches ereignet. Ein Nachtangriff der Italiener auf den Monte Piano scheiterte. Das Artilleriefeuer hält an mehreren Stellen an.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 23. Juli.
Auf der Dardanellenfront am 22.Juli bei Ari Burun auf beiden Seiten Minenkrieg zur Zerstörung der Gräben. Unsere Artillerie des rechten Flügels rief durch indirektes Feuer in der feindlichen Stellung eine Feuersbrunst hervor, die längere Zeit andauerte. - Bei Sed ul Bahr schwaches Infanteriegefecht mit zeitweilig aussetzendem Artilleriefeuer.
In der Nacht vom 22. zum 23. Juli zwangen unsere anatolischen Batterien feindliche Torpedoboote zur Flucht, die sich den Gewässern von Kerevisdere näherten und versuchten unseren linken Flügel zu beschießen.

 

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

 

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