Der Weltkrieg am 30. Juli 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Zusammenbruch der russischen Front zwischen Bug und Weichsel

Großes Hauptquartier, 30. Juli.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Bei Perthes in der Champagne wurden von beiden Seiten Minen gesprengt, wobei wir einen französischen Flankierungsgraben nordwestlich des Ortes zerstörten.
Im Priesterwalde brach ein französischer Angriff beiderseits Croix des Carmes im Feuer der Infanterie und Artillerie vor unseren Hindernissen zusammen.
In den Vogesen griff der Feind gestern nachmittag erneut die Linie Lingekopf-Barrenkopf an. Die Nahkämpfe um den Besitz der Stellung sind noch nicht abgeschlossen.
Zwei englische Flieger mußten nahe der Küste auf dem Wasser niedergehen und wurden gefangengenommen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Lage ist im allgemeinen unverändert.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Truppen der Armee des Generalobersten v. Woyrsch haben am frühen Morgen des 28. Juli den Weichselübergang zwischen Pilicamündung und Kozienice an mehreren Stellen erzwungen; auf dem östlichen Ufer wird gekämpft. Es wurden bisher 800 Gefangene gemacht und 5 Maschinengewehre erbeutet.
Gestern haben die verbündeten Armeen des Generalfeldmarschalls v. Mackensen die Offensive wieder aufgenommen. Westlich des Wieprz durchbrachen deutsche Truppen die russische Stellung, sie erreichten am Abend die Linie Piaski-Biskupice und die Bahn östlich davon. Viele tausend Gefangene und 3 Geschütze fielen in unsere Hand. Dieser Erfolg sowie die Vorstöße österreichisch-ungarischer und deutscher Truppen dicht östlich der Weichsel, preußischer Gardetruppen bei Krupe (nordöstlich von Krasnostaw) und anderer deutscher Truppen in der Gegend von Wojslawice haben die russische Front zwischen Weichsel und Bug zum Wanken gebracht. Heute früh räumten die Russen ihre Stellungen auf der ganzen Linie; sie halten nur noch nördlich von Grubieszow.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Wien, 30. Juli.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Nach einer mehrtägigen Pause sind gestern zwischen der Weichsel und dem Bug die Verbündeten wieder an der ganzen Front zum Angriff übergegangen.
Westlich des Wieprz bis in die Gegend von Chmiel wurde der Feind in einer Frontbreite von mehr als 25 Kilometer durchbrochen. Das österreichisch-ungarische 17. Korps nahm nördlich Chmiel nach fünfmaligem Sturm die russischen Stellungen. Deutsche Truppen erkämpften abends die Linie Piaski-Biskupice und die Bahn östlich davon. Auch bei Kowala und Belsyce, nordöstlich von Krasnostaw und Wojslawice, drangen die verbündeten Heere in die feindlichen Linien ein. Heute früh traten die Russen an der ganzen Front den Rückzug an, wobei sie alle Ansiedlungen verwüsten und selbst das Getreide auf den Feldern verbrennen. Unsere Verfolgung ist im Gange.
Nordwestlich von Iwangorod wurde beiderseits der Radomkamündung am 28. Juli früh unter schweren Kämpfen an mehreren Stellen der Übergang über die Weichsel erzwungen. Deutsche und österreichisch-ungarische Pioniere fanden unter den schwierigsten Verhältnissen Gelegenheit, wieder Beweise hervorragender Tüchtigkeit und opfermutigen Pflichtgefühls zu geben.
Am oberen Bug nahmen die Verteidiger des Brückenkopfes von Sokal ihre Südostfront vor dem Angriff überlegener Kräfte um einige hundert Meter zurück und wiesen dort weitere feindliche Angriffe ab. Sonst ist die Lage in Ostgalizien unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Die im Görzischen am Plateaurande noch andauernden italienischen Angriffe sind vereinzelte, vergebliche Vorstöße feindlicher Abteilungen, die sich gegen die vorspringenden Stützpunkte unserer Stellungen richten. So versuchten östlich Sagrado und bei Redipuglia italienische Truppen weiter Raum zu gewinnen; sie wurden durchweg abgewiesen. Besonders um den Monte sei Busi, der fest in unserem Besitz ist, mühte sich der Feind vergebens. An den anderen Teilen der Front im Südwesten hat sich nichts Wesentliches ereignet. Am Plateau von Cormons wurde in den letzten Tagen ein italienischer Flieger durch Volltreffer einer Ballonabwehrkanone abgeschossen; Pilot und Beobachter wurden unter den brennenden Trümmern des Flugzeuges tot aufgefunden.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Ereignisse zur See:
Die Italiener hatten kürzlich auf dem von uns militärisch nicht besetzten Eiland Pelagosa eine Funkenstation errichtet. Am 28. Juli wurden die Stationsgebäude derselben von einer Gruppe unserer Torpedofahrzeuge durch Geschützfeuer zerstört und der Gittermast umgelegt. Hieran anschließend wurde zum Feststellung des Umfanges der feindlichen Besetzung ein kleines Landungsdetachement unserer Torpedofahrzeuge zu einer scharfen Rekognoszierung auf das Eiland gesandt. Dieses drang, ungeachtet des heftigen Widerstands, über einen feindlichen Schützengraben bis zu den stark besetzen, betonierten Verteidigungsanlagen der Italiener vor und brachte diesen, unterstützt durch das Artilleriefeuer aus unseren Fahrzeugen, bedeutende Verluste bei. So fielen unter anderen der Kommandant der italienischen Besatzung und ein zweiter Offizier. Nach der erfolgreichen Rekognoszierung kehrte unser Detachement trotz der großen Übermacht des Gegners ohne erhebliche Verluste wieder auf die Fahrzeuge zurück. Feindliche Unterseeboote lancierten vergebens mehrere Torpedos gegen unsere Einheiten.

Flottenkommando. 1)  

 

Besetzung von Lublin

Wien, 30. Juli, 8 Uhr abends.
Amtlich wird verlautbart:
Unsere Kavallerie ist heute kurz nach Mittag in Lublin eingerückt.

 

Die Schlacht am Isonzo

Kriegspressequartier, Ende Juli.
Nachdem die Italiener am 15. Juli ein lebhaftes Feuer gegen einzelne Stellen des Plateaus von Doberdo begonnen hatten, erhöhte sich die artilleristische Tätigkeit am nächsten Tage zusehends und hielt auch im Laufe der folgenden in ungeschwächter Kraft an. Am 14. und in der Nacht auf den 16. kam es zu mehreren Vorstößen gegen das Plateau, die abgewiesen wurden. Dann beginnt Sonntag, den 18. Juli, der neue große Kampf, den man wohl mit Recht die dritte Isonzoschlacht nennen darf. Die italienische Artillerie eröffnete schon am frühen Morgen ein mächtiges Feuer aus allen Kalibern, sowohl gegen den Görzer Brückenkopf, als auch gegen den Plateaurand, welches mittags zur größten Heftigkeit anschwoll. Ein Infanterieangriff mit starken Massen beginnt, der die ganze Front entlang von der Nordwestecke des Plateaurandes bis fast zum Meere herab sich heranwälzt. Ein hartnäckiger, auch nachts weitergeführter Kampf entspann sich. Unsern Mörsern geling es, fünf feindliche Batterien niederzukämpfen; es kommt stellenweise dort, wo die Italiener unsere vordersten Gräben erreichen, zum erbitterten Handgemenge, das endlich mit dem Zurückwerfen des Feindes auf der ganzen Front endet.
Am Morgen des 19. aber entbrennt der Kampf von neuem. Nun richtet der Gegner seine Anstürme auch gegen den Brückenkopf bei Görz. Nach bedeutender Artillerievorbereitung setzt nachmittags die 11. italienische Division gegen Podgora an und gelangt an einzelnen Stellen bis in die Deckungen. Sie wird wieder hinausgeworfen; der Sturm wird später wiederholt; auch er ist bis 8 Uhr abends blutig abgewiesen. Am Plateaurand scheitern Massenangriffe bei Sdraussina, Polazzo, Redipuglia, Vermegliano und ein Sturm auf den Monte Cosich. Unter sehr schweren Verlusten flutet der abgewiesene Feind in seine Deckungen zurück.
Am 20. Juli tobt die Schlacht beim Brückenkopf und am Plateaurand mit ungeschwächter weiter. Nach erbitterstem Ringen setzt sich der übermächtige Feind abends am Monte San Michele fest, von wo ihn zurückgehaltene Kräfte am Morgen des 21. in energischem Gegenangriff unter blutigsten Verlusten wieder hinabwerfen. Östlich Sagrado säubert ein Flankenstoß das Plateau vom Feind, der Hals über Kopf seinen Deckungen zuströmt. Alle Stellungen sind am Abend wieder in unseren Händen, die Angriffe auf Görz blutig abgewiesen. Die Opfer, die der Feind vergeblich brachte, sind sehr groß.
Am 22. wütete gegen das Plateau von der Wippach bis zur Küste den ganzen Tag hindurch ein rasendes Massenfeuer der italienischen schweren Artillerie. Von Polazzo bis zum Monte Cosich schieben sich unter dem Schutze diesem Feuers die Gegner ganz nahe an unsere Stellungen vor. Nachts greifen sie dann bei Selz und im Raum zwischen diesem Ort und Vermegliano an. Bis zum Morgen des 23. sind alle Stürme abgewiesen; ein Gegenangriff östlich Sdraussina zwingt die Italiener zum Rückzug, während am Nordwestrande noch erbittert gekämpft wird. Bei Podgora greifen nacheinander zehn italienische Infanterieregimenter an. Diese Angriffe führen fast immer zum Handgemenge der Feind gelangt sogar in einzelne Grabenstücke, aber nachts wird er doch wieder hinausgeworfen und kollert den Hang hinab, bei Peuma (nordöstlich von Görz) versucht er es sogar mit Gasbomben; aber auch das hindert unsere braven Truppen nicht, dem Gegner wieder den Weg zu weisen. Zwei feindliche Regimenter stoßen gegen den Monte Sabotino vor und brechen in unserem flankierenden Artilleriefeuer zusammen.
In viertägigen harten Kämpfen sind alle Stellungen behautet. Auch bei Plava und Tolmein tobt der Geschützkampf, ohne Erfolg zu zeitigen. Das Vorfeld von Podgora bedecken Hunderte von Leichen. Auch am Plateaurand ist es nicht anders, und doch dauern die Kämpfe auch nachts weiter. Auch bei Podgora wird ein neuer Angriff schon durch Artilleriefeuer im Keime erstick. Ein Gegenstoß wirft ihn vollends zurück. Am Plateaurand werden die Vorstöße schwächer, seltener. Ein Erlahmen der Angriffskraft macht sich bemerkbar.
Erst am 25. entbrennt der Kampf mit neuer Kraft gegen das Plateau. Auf der ganzen Front dauern Tag und Nacht bei gewaltigem Kraftaufwand die heftigsten Kämpfe an, bringen den Italienern jedoch nur vorübergehende Erfolge an einzelnen Orten. Im Morgengrauen des 26. sind die ursprünglichen Stellungen überall im Besitz der über alles Lob erhabenen Truppen. Bei Görz versucht der Feind nicht mehr anzugreifen, doch setzt am 26. das Massenfeuer der Artillerie an der ganzen Front wieder mächtig ein. Als dann die Italiener die Verteidiger genügend erschüttert glaubten, griff die Infanterie mit verstärkter Kraft von neuem an; unter schwereren Verlusten als jemals scheiterte auch dieser heftige Angriff trotz erbitterter Nahkämpfe an dem heldenmütigen Widerstand der alle so heiß umstrittenen Stellungen siegreich behauptenden Verteidiger. Von den Kämpfen der letzten Tage liegen vor dem Görzer Brückenkopf, wo nur mehr Artilleriefeuer herrschte, an tausend Leichen der Italiener. Auch am Plateau von Doberdo ist mit Ausnahme heftiger Artilleriekämpfe verhältnismäßige Ruhe eingetreten. Kleine Vorstöße wurden abgewiesen. In der Nacht auf den 28. gab es keine bedeutenderen Ereignisse. Die Kraft des Angriffs scheint zusammengebrochen. Die Truppen sehen vertrauensvoll der Zukunft entgegen und sind stolz auf die erreichten Erfolge.
2)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 30. Juli.
An der Kaukasusfront dauert die Verfolgung des Feindes auf unserem rechten Flügel fort.
An der Dardanellenfront am 29. Juli bald schwaches, bald heftiges Artillerie- und Infanteriefeuer auf beiden Seiten. Unsere Artillerie traf ein Flugzeugmutterschiff vor Ari Burun und nötigte es, sich zurückzuziehen. Sie bewirkte eine von Explosionen erfolgte Feuersbrunst hinter den feindlichen Schützengräben bei Sed ul Bahr. Unsere anatolischen Batterien beschossen die feindlichen Truppen in der Gegend von Tekke Burun.

 

ZURÜCK   HAUPTSEITE   WEITER

 

Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 2
Nationaler Verlag, Berlin (1915)

2) "Frankfurter Zeitung" (1915)

 

© 2005 stahlgewitter.com