Der Weltkrieg am 16. August 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Armee Prinz Leopold überschreitet den Bug

Großes Hauptquartier, 16. August.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich von Ammerzweiler (nordöstlich von Dammerkirch) brach ein französischer Teilangriff vor unseren Hindernissen im Feuer zusammen.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Bei weiteren erfolgreichen Angriffen gegen die vorgeschobenen Stellungen von Kowno wurden gestern 1730 Russen (darunter 7 Offiziere) gefangengenommen.
Der mit dem erfolgreichen Nurzecübergang angebahnte Durchbruch der russischen Stellungen gelang in vollem Umfange. Dem von der Durchbruchsstelle ausgehenden Druck und den auf der ganzen Front erneut einsetzenden Angriffen nachgebend, weicht der Gegner aus seinen Stellungen vom Narew bis zum Bug. Unsere verfolgenden Truppen erreichten die Höhe von Bausk. Über 5000 Gefangene fielen in unsere Hand.
Bei Nowo-Georgiewsk wurden die Verteidiger weiter auf den Fortgürtel zurückgeworfen.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Der linke Flügel erzwang in der Nacht den Übergang über den Bug westlich von Drohiszyn.
Nachdem Mitte und rechter Flügel am gestrigen Vormittage Losice und Miendrzyrzec durchschritten hatten, stießen sie an den Abschnitten der Toczna und Klukowka (zwischen Drohiszyn und Biala) auf erneuten Widerstand; er wurde heute bei Tagesanbruch östlich von Losice durch den Angriff schlesischer Landwehr gebrochen. Es wird verfolgt.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen:
Die Verfolgung wurde fortgesetzt; Biala und Slawatysze sind durchschritten.
Östlich von Wlodawa dringen unsere Truppen auf dem Ostufer des Bug vor.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Luftbombardement der Küstenforts von Venedig

Wien, 16. August.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Im Raume westlich des Bug nahm die Verfolgung der Russen raschen Fortgang. Die im Zentrum der Verbündeten vordringenden österreichisch-ungarischen Kräfte hefteten sich dem westlich Biala über die Klikawka weichenden Feind an die Fersen. Die Divisionen des Erzherzogs Josef Ferdinand gewannen abends unter Kämpfen den Raum südlich und südwestlich von Biala, überbrückten in der Nacht die Krzna und überschritten sie heute früh. Feindliche Nachhuten wurden, wo sie sich stellten. angegriffen und geworfen. Die Truppen des Generals v. Köveß drängten den Gegner über die obere Klikawka zurück. In der Gegend von Biala und gegen Brest-Litowsk hin sieht man zahlreiche ausgedehnte Brände. Bei Wladimir-Wolynskij, wo wir an mehreren Stellen auf dem östlichen Bugufer festen Fuß gefaßt haben, und in Ostgalizien ist die Lage unverändert.
Italienischer Kriegsschauplatz:
An der Tiroler Front eröffnete gestern die feindliche schwere Artillerie nach längerer Pause wieder das Feuer gegen unsere Werke, und zwar insbesondere gegen jene am Tonalepaß und auf den Plateaus von Lavarone und Folgaria. Angriffsversuche italienischer Infanterie an der Tonalestraße und auf die Popenastellung (südlich Schluderbach) und im Dreizinnengebiete wurden abgewiesen, ebenso scheiterten an der küstenländischen Front erneuerte Angriffe des Feindes im Gebiete südlich des Krn und ein Vorstoß gegen den vorspringenden Teil des Plateaus von Doberdo.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Ereignisse zur See:
Eines unserer Seeflugzeuge belegte am 15. August nachmittags vier Küstenforts von Venedig mit Bomben, von denen alle mit Ausnahme einer einzigen innerhalb der Werke explodierten. Von fünf zur Verfolgung startenden feindlichen Fliegern wurden zwei beim Aufstieg durch Maschinengewehrfeuer zur Umkehr und zur Landung gezwungen, zwei gaben die Verfolgung nach einiger Zeit auf, während der letzte feindliche Flieger unserem Flugzeug bis in die Nähe der istrianischen Küste folgte, wo er - ohne Erfolg erzielt zu haben - umkehren mußte. Unser Seeflugzeug ist trotz heftiger Beschießung durch die feindlichen Kriegsschiffe und Forts wohlbehalten eingerückt.
Laut amtlicher italienischer Veröffentlichung ist unser "U 3" am 12. August in der südlichen Adria versenkt worden; der zweite Offizier und 11 Mann des Unterseebootes wurden gerettet und gefangengenommen.

Flottenkommando. 1)

 

Die Kriegslage im Osten

L. v. B. Wien, 16. August. (Priv.-Tel.)
Der verzweifelte Widerstand, den die russische Armee auf ihrem Rückzuge leistet, hat kaum Aussicht auf selbst nur geringen Erfolg. Schon sind mehr als drei Viertel des zwischen der Weichsel und dem Bug gelegenen Raumes in den Händen der verbündeten Armeen. Auch die neuen Kämpfe, in welche die Armee von Below mit der von ihr bereits einmal gründlich geschlagenen 5. russischen Armee, die nun Verstärkungen erhalten haben dürfte, im Raume Alesew-Kutschiky an der Lawena und an der Eisenbahn von Ponewjesch nach Dünaburg-Kowarsk verwickelt ist, dürften nur den Charakter von starken Nachhutkämpfen haben. Kowarsk an der Swenta, einem Nebenfluß der Wilija, ist 20 Kilometer nördlich von Wilkomir gelegen. Samstag warf General v. Below in der Gegend von Kupischky die Russen nach Norden und Westen, während ein Ausfall aus Kowno blutig abgewiesen wurde und die Angriffstruppen sich dieser Festung immer mehr nähern. Auch die Einschließung von Nowogeorgiewsk wird immer enger. Das dichte Netz von Befestigungen, welches die Russen im Weichsel-Narew-Bug-Raume anlegten und das sie für undurchdringlich und unüberwindlich hielten, ist zerrissen. Seine letzten Reste sehen mit Bangen dem mit Riesenschritten an sie herantretenden Schicksal entgegen, das wohl kein anderes sein dürfte, als das aller ihrer Vorgänger. Nun wird aus Kopenhagen gemeldet, daß die Russen außer Wilna und Dünaburg auch schon Brest-Litowsk räumen und Tag und Nacht alle Vorräte von dort nach Minsk befordern. Damit würde die ohnehin schon bedrohte zweite Verteidigungslinie von den Russen aufgegeben werden und ihre vielfach betonte Absicht, an der Buglinie dem Feldzug eine Wendung zu ihren Gunsten zu geben, in das Reich der Träume gehören. Ohnehin ist durch Energie und Kraft der Verfolgung die Durchführung eines planmäßigen Rückzuges der Russen illusorisch geworden. Ihre Versuche, aus einer feldmäßig ausgebautn Stellung zwischen den über 30 Kilometer östlich von Siedlce gelegenen Städtchen Losice und dem an der Bahn Lukow-Brest liegenden Miedzyrzecze die Armeen des Prinzen Leopold von Bayern und Teile der Armee Woyrsch durch kräftige Gegenstöße aufzuhalten, mißlangen vollständig. Bei und nördlich des ersteren Ortes sowie auf halbem Wege zwischen diesem und der Bahn, vermutlich im Raume Mszauna-Prosnow durchbrach die Armee des Prinzen Leopold die starken Stellungen und warf den Feind gegen Osten. 
Auch die daran anschließende gegen Südwesten gekehrte Front des Feindes, die von Miedzyrzecze und südwestlich von Slawatycze gegen Rozanka im Norden von Wlodawa zog, wurde von der Armee Mackensen heftig angegriffen und zum weiteren Rückzug gezwungen. Die Armeen Erzherzog Josef Ferdinand und Köveß machen unausgesetzt Fortschritte und erleichtern das Vorwärtskommen der Flügel. Sie sind nunmehr 50 Kilometer von dem Gürtel der Westfront von Brest entfernt. Die auf das Nordufer des Bug übergegangenen Teile der Russen werden von dem nordöstlich von Sokolow sich diesem Fluß nähernden Teile der Bayern in Flanke und Rücken bedroht.  Die Absicht der Russen, Zeit zur Umgruppierung ihrer Kräfte zu gewinnen, wird nicht durchführbar sein.
2)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 16. August.
Kaukasusfront: Die Stadt Wan war von russischen Truppen und armenischen Banden angegriffen worden; ihre schwache Besatzung hatte die Stadt nach einem zwanzigtägigen Widerstande bei Ankunft russischer Verstärkungen geräumt. Am 11. August haben unsere Truppen die Stadt wieder besetzt; die Banden und die russischen Truppen wurden gezwungen, sich zurückzuziehen und verwüsteten auf ihrem Rückzuge die Umgegend.
An der Dardanellenfront wiesen wir nördlich von Ari Burun am 14. August einen neuen Angriff des Feindes in der Ebene von Anaforta gegen unseren rechten Flügel zurück.
An der Dardanellenfront setzte der Feind, der seit dem 6. und 7. August fünf neue Divisionen gelandet hat, diese Kräfte ein, um unsere Stellungen zu beherrschen. Dank des heldenmütigen Widerstandes unserer Truppen und ihrer Gegenangriffe errang der Feind kein Ergebnis, trotzdem er die Hälfte dieser neuen Kräfte dabei verlor, und hielt sich nur auf den Uferabhängen. Am 15. August warfen wir in der Umgebung von Anaforta einen feindlichen Angriff mit bedeutenden Verlusten für den Gegner zurück. Wir nahmen einen Hauptmann und einige Soldaten gefangen und erbeuteten zwei Maschinengewehre sowie eine Menge Gewehre. Unsere Truppen besitzen gegenwärtig Stellungen, die die feindliche Stellung beherrschen. Unsere Artillerie traf vor Ari Burun ein feindliches Torpedoboot, das sich brennend entfernte. Bei Sed ul Bahr brachten wir auf unserem rechten Flügel, 2 bis 3 Meter von den feindlichen Gräben entfernt, eine Mine zur Explosion, wodurch die feindliche Stellung mit ihrem Minenwerfer und ihren Drahtverhauen zusammenstürzte. Der Feind antwortete die ganze Nacht mit einer erfolglosen Vergeudung von Munition.

 

Der 1. Weltkrieg im August 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung"

 

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