Der Weltkrieg am 8. September 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Wolkowysk genommen

Großes Hauptquartier, 8. September.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Eine Anzahl feindlicher Schiffe erschien gestern früh vor Middelkerke, beschoß vormittags Westende und nachmittags Ostende. Vor dem Feuer unserer Küstenbatterien zogen sich die Schiffe zurück. Militärischer Schaden ist nicht angerichtet. In Ostende wurden zwei belgische Einwohner getötet, einer verletzt.
An der Front verlief der Tag im übrigen ohne besondere Ereignisse.
Ein bewaffnetes französisches Flugzeug wurde nördlich von Le Mesnil (in der Champagne) von einem deutschen Kampfflieger abgeschossen, es stürzte brennend ab. Die Insassen sind tot.
Ein feindlicher Fliegerangriff auf Freiburg im Breisgau verlief ergebnislos.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
In der Gegend von Daudsewas sind unsere Abteilungen im weiteren Vorgehen.
Truppen des Generals v. Eichhorn setzten sich nach Kampf in den Besitz einiger Seenengen bei Troki-Nowe (südwestlich von Wilna).
Zwischen Jeziory und Wolkowysk schreitet der Angriff vorwärts. Wolkowysk selbst und die Höhen östlich und nordöstlich davon sind genommen; es wurden 2800 Gefangene gemacht und 4 Maschinengewehre erbeutet.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
In der Gegend von Izabelin (südöstlich von Wolkowysk) ist der Feind geworfen.
Weiter südlich ist die Heeresgruppe im Vorgehen gegen die Abschnitte der Zelwianka und Rozanka. Nordöstlich von Pruzana dringen österreichisch-ungarische Truppen durch das Sumpfgebiet nach Norden vor. Es wurden rund 1000 Gefangene gemacht.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen:
Die Kämpfe an der Jasiolda und östlich von Drohiczyn dauern an.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Russische Angriffe bei Tarnopol sind abgeschlagen. Weiter südlich in der Gegend westlich von Ostrow ist ein Vorbrechen des Feindes durch den Gegenstoß deutscher Truppen zum Stehen gebracht.
Die heutige russische Veröffentlichung über die Niederlage von zwei deutschen Divisionen, die Gefangennahme von 150 Soldaten und die Eroberung von 30 deutschen Geschützen und vielen Maschinengewehren ist frei erfunden. Kein deutscher Soldat ist auch nur einen Schritt gewichen, kein Geschütz oder Maschinengewehr ist in Feindeshand gefallen. Hingegen warf der erwähnte Gegenstoß deutscher Regimenter den vordringenden Feind weithin zurück; eines davon machte 250 Gefangene.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der Kaiser an Generalfeldmarschall v. Mackensen

Danzig, 8. September.
Der "Danziger Allgemeinen Zeitung" zufolge hat der Kaiser an Generalfeldmarschall v. Mackensen folgendes Telegramm gerichtet:
"Der schnelle Fall der mächtigen Festung Brest-Litowsk, deren Aufgabe es war, den Weg zum Herzen des feindlichen Landes zu sperren, ist das Ergebnis der glänzenden Operationen, die die unter Ihrer Führung vereinigten verbündeten Armeen, seit sie vor sechs Wochen von der Nordgrenze Galiziens antraten, in Verbindung mit den anderen Heeresgruppen durchgeführt haben. Würdig schließen sich Ihre und Ihrer Truppen Leistungen in diesem Teile des Feldzuges jenen an, die unsere Waffen vom Dunajec an den San und von dort bis zur Befreiung Lembergs bis an den Bug trugen. Weder die überlegene Zahl des Gegners noch wegeloser Sumpf und Urwald haben Ihren Siegeslauf zu hemmen vermocht. Die dankbare Erinnerung an solche Taten vom Führer bis zum letzten Mann wird in unserem Volke nie verlöschen. Ich verleihe Ihnen meinen Hohen Orden vom Schwarzen Adler, den kommandierenden Generalen, deren Maßnahmen die schnelle Einnahme von Brest-Litowsk herbeiführten, dem General der Kavallerie v. Falkenhayn, dem General der Infanterie Arz v. Straußenberg und dem Generalleutnant Hofmann den Orden Pour le mérite. Wilhelm I. R.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Russischer Rückzug hinter die Ikwa

Wien, 8. September.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Im wolhynischen Festungsgebiet blieb gestern die Lage unverändert; einige russische Gegenangriffe brachen unter unserem Feuer zusammen. Weiter südlich hat unser Sieg bei Podkamien und Radziwilow den Feind in einer Frontausdehnung von 90 Kilometern zum Rückzug hinter die Ikwa gezwungen. Unsere Truppen verfolgen. Am Sereth kam es zu erbitterten Kämpfen. Der Gegner brach mit überlegenen Kräften aus seinen bei Tarnopol und Strusow eingerichteten brückenkopfartigen Verschanzungen hervor. Die bei Tarnopol vordringenden Russen wurden durch einen Gegenangriff deutscher Truppen zurückgeworfen. Im Raume westlich und südwestlich von Trembowla ist der Kampf noch im Gange. Nächst der Serethmündung erstürmten die unter dem Befehl der Generale Benigni und Fürst Schönburg stehenden k. und k. Truppen die feindliche Stellung nordwestlich von Szuparka, wobei 20 russische Offiziere und 4400 Mann gefangengenommen und 7 Maschinengewehre erbeutet wurden. Bei den österreichisch-ungarischen Streitkräften an der Jasiolda nichts Neues.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Im Raume des Kreuzbergsattels trat nach der vorgestrigen Niederlage der Italiener Ruhe ein. Ihre Verluste waren größer, als anfänglich angenommen wurde, denn beim Aufräumen des Gefechtsfeldes zählten unsere Truppen allein vor der Pfannspitze, der Cima Frufuoni und dem Eisenreichkamm über 400 Feindesleichen. Die Lage auf dem italienischen Kriegsschauplatz ist durchaus unverändert. Im Abschnitt von Doberdo wiesen unsere Truppen heute früh einen feindlichen Vorstoß gegen den vorspringenden Teil der Karsthochfläche zurück. Italienische Infanterie, die sich östlich Vermigliano vorarbeiten wollte, wurde mit Handgranaten verjagt.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 8. September.
An der Dardanellenfront im Abschnitt Anaforta zerstreute unsere Artillerie am Montag, den 6. September, eine starke feindliche Gruppe bei Kemikli Liman und brachte ihr Verluste bei. Bei Ari Burun ereignete sich nichts Wichtiges. Bei Sed ül Bahr (Südspitze von Gallipoli) wurde das wirkungslose feindliche Artilleriefeuer fortgesetzt. Unsere Erkundungsabteilungen erbeuteten 30 Kästen mit Infanteriegeschossen; unsere anatolischen Batterien beschossen am Sonntag, den 5. September, wirkungsvoll die Artillerie, die Lager und die Werkstätten des Feindes bei Sed ül Bahr. Der Feind erwiderte heftig, aber ergebnislos. Am 6. September erzielten dieselben Batterien einen wichtigen Erfolg, indem sie die feindlichen Infanteriestellungen wirksam beschossen. - An der Dardanellenfront drangen im Abschnitte von Anaforta in der Nacht vom 6. zum 7. September unsere Aufklärungskolonnen, die gegen Messtantepe und Azmak gesandt waren, in die feindlichen Schützengräben ein und erbeuteten 2 Maschinengewehre mit allem Zubehör, die gegenwärtig gegen den Feind benutzt werden, sowie 15 Kisten Munition und 20 Gewehre. Unser Feuer vernichtete einen englischen Krankenwagen, der eine Munitionsladung enthielt, die in die Luft flog. Bei Ari Burun nichts von Bedeutung. Bei Sed ül Bahr beschossen feindliche Torpedoboote mit Hilfe der Beobachtungen eines Fesselballons während einiger Augenblicke und ohne bemerkenswerten Schaden anzurichten, unsere Stellungen am rechten und am linken Flügel. Unsere Batterien in den Meerengen brachten am 7. September feindliche Batterien zum Schweigen, die unsere Stellungen am linken Flügel beschossen, und zerstreuten feindliche bei Mortoliman versammelte Truppen.

 

Absetzung des Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch

Petersburg, 8. September.
Der Zar hat an den Oberbefehlshaber Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch einen Erlaß gerichtet, welcher besagt.
Zu Beginn des Krieges haben höhere Erwägungen mich verhindert, meiner innersten Neigung zu folgen und mich an die Spitze meiner Armee zu stellen; deshalb habe ich Sie mit dem Oberbefehl über alle Streitkräfte zu Lande und zur See beauftragt. Unter den Augen von ganz Rußland haben Euere Kaiserliche Hoheit im Laufe des Krieges Beweise von unerschütterlicher Tapferkeit gegeben, welche das tiefe Vertrauen und die frommen Wünsche (vocux dévots) aller Russen erweckte, welche Ihren Namen durch alle unvermeidlichen Wechselfälle des Kriegsglücks begleiteten. Die Bürde des Dienstes am Vaterland, die Gott auf mich gelegt hat, befiehlt mir heute, da der Feind in das Innere des Reiches eingedrungen ist, den Oberbefehl über die aktiven Truppen zu übernehmen, mit meinem Heere die Anstrengungen des Krieges zu teilen und mit ihm die russische Erde gegen die Angriffe des Feindes zu schützen. Die Wege der Vorsehung sind unbekannt, aber meine Pflicht und mein Verlangen bestärken mich in diesem Entschluß, der auf Erwägungen des Nutzens für den Staat beruht. Der feindliche Einbruch von Westen her, der sich immer verschärft, verlangt vor allem die stärkste Konzentration aller militärischen und bürgerlichen Behörden sowie die Vereinigung des Oberbefehls im Kriege mit der allgemeinen Tätigkeit aller Verwaltungszweige der Regierung, was unsere Aufmerksamkeit von der Südfront ablenkt. Bei diesem Stand der Dinge kenne ich die Notwendigkeit Ihrer Hilfe und Ihres Rates auf unserer Südfront und ernenne Sie zum Vizekönig des Kaukasus und zum Oberbefehlshaber der tapferen Kaukasusarmee. Ich drücke Eurer Kaiserlichen Hoheit meine tiefe Dankbarkeit für Ihre Anstrengungen im bisherigen Teil des Krieges aus.
Ein Armeebefehl, aus dem russischen Hauptquartier, unter dem 5. September datiert und vom Zaren gezeichnet, besagt: "Heute habe ich den Oberbefehl über alle Streitkräfte zu Lande und zu Wasser auf den Kriegsschauplätzen übernommen. Mit festem Vertrauen auf die Gnade Gottes und der unerschütterlichen Sicherheit des endlichen Sieges werden wir unsere heilige Pflicht, das Vaterland bis zum äußersten zu verteidigen, erfüllen und Rußland keine Unehre machen."

 

Der 1. Weltkrieg im September 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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