Der Weltkrieg am 3. Oktober 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

Das abgeschossene französische Luftschiff "Alsace"
Das abgeschossene französische Luftschiff "Alsace"

 Der deutsche Heeresbericht:

Der Angriffsbefehl Joffres -
Das französische Luftschiff "Alsace" herabgeschossen

Joffre
Joffre

Großes Hauptquartier, 3. Oktober.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Feindliche Monitore richteten nachmittags ein wirkungsloses Feuer auf die Gegend von Westende-Bad.
Abermalige Versuche der Engländer, während der Nacht nördlich von Loos verlorenes Gelände wiederzugewinnen, mißglückten vollständig. Mit schweren Verlusten nach stellenweise erbitterten Nahkämpfen gab der Feind hier seine Angriffe auf.
Östlich von Souchez mißlang ein französischer Vorstoß trotz Einsatzes einer erheblichen Menge von Gasgranaten. Ein feindlicher Angriffsversuch aus Neuville heraus gegen die Höhenstellungen östlich wurde mit starken Verlusten für den Feind abgeschlagen. Im nächtlichen, dem Angriff folgenden Handgranatenkampf ging uns ein 40 Meter langes Grabenstück verloren.
Die Franzosen haben gestern die Infanterieangriffe in der Champagne nicht wiederholt. Das feindliche Artilleriefeuer hielt in wechselnder Stärke an. Nördlich von Le Mesnil wurde der Feind aus einem gegen unsere Stellungen vorspringenden Graben hinausgeworfen, wobei er erhebliche Einbuße auch an Gefangenen hatte. Im Handgranatenangriff um die Stellung nordwestlich von Ville-sur-Tourbe behielten wir die Oberhand.
Der Feind wiederholte seine Fliegerangriffe auf Laon und Vouziers. In beiden Orten fielen wieder mehrere Zivilpersonen den Bombenwürfen zum Opfer.
In Gegend von Rethel wurde das französische Luftschiff "Alsace" zur Landung gezwungen. Die Besatzung ist gefangengenommen. Heute vormittag wurden auf die neutrale Stadt Luxemburg von französischen Fliegern Bomben geworfen. Es sind zwei luxemburgische Soldaten, ein Arbeiter und ein Ladenmädchen verletzt.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
In den Kavalleriekämpfen südlich von Kosjany wurde der Gegner über die Mjadsjelka zurückgeworfen. Im übrigen nichts von Bedeutung.
Heeresgruppe des Generals v. Linsingen:
Nach der Niederlage bei Czernycz und dem Scheitern aller russischen Angriffe gegen die Front nördlich dieses Ortes haben die Russen das westliche Korminufer bis auf kleine Postierungen an einzelnen Übergängen preisgegeben.
Die Zahl der von den deutschen Truppen gemachten Gefangenen hat sich auf 2200 erhöht.

Seit einiger Zeit ist der Obersten Heeresleitung folgender Befehl des französischen Generals Joffre bekannt:

"Großes Hauptquartier der Westarmee. Generalstab 3. Bureau, Nr. 8. 565.

14. 9. 1915. - Geheim.

An die Kommandierenden Generale

Der Geist der Truppen und ihr Opfermut bilden die wichtigste Bedingung des Angriffs. Der französische Soldat schlägt sich um so tapferer, je besser er die Wichtigkeit der Angriffshandlungen begreift, woran er beteiligt ist, und je mehr er Vertrauen hat zu den von den Führern getroffenen Maßnahmen. Es ist deshalb notwendig, daß die Offiziere aller Grade von heute an ihre Untergebenen über die günstigen Bedingungen aufklären, unter denen der nächste Angriff der französischen Streitkräfte vor sich gehen wird. Folgende Punkte müssen allen bekannt sein:
1. Auf dem französischen Kriegsschauplatz zum Angriff zu schreiten ist für uns eine Notwendigkeit, um die Deutschen aus Frankreich zu verjagen. Wir werden sowohl unsere seit zwölf Monaten unterjochten Volksgenossen befreien als auch dem Feinde den wertvollen Besitz unserer besetzten Gebiete entreißen. Außerdem wird ein glänzender Sieg über die Deutschen die neutralen Völker bestimmen, sich zu unseren Gunsten zu entscheiden, und den Feind zwingen, sein Vorgehen gegen die russische Armee zu verlangsamen, um unseren Angriffen entgegenzutreten.
2. Alles ist geschehen, daß dieser Angriff mit erheblichen Kräften und gewaltigen materiellen Mitteln unternommen werden kann. Der ohne Unterbrechung gesteigerte Wert der Verteidigungseinrichtungen in erster Linie, die immer größere Verwendung von Territorialtruppen an der Front, die Vermehrung der in Frankreich gelandeten englischen Streitkräfte haben dem Oberbefehlshaber erlaubt, eine große Zahl von Divisionen aus der Front herauszuziehen und für den Angriff bereitzuhalten, deren Stärke der mehrerer Armeen gleichkommt. Diese Streitkräfte, ebenso wie die in der Front gehaltenen verfügen über neue und vollständige Kriegsmittel. Die Zahl der Maschinengewehre ist mehr als verdoppelt. Die Feldkanonen, die nach Maßgabe ihrer Abnutzung durch neue Kanonen ersetzt worden sind, verfügen über einen bedeutenden Munitionsvorrat. Die Kraftwagenkolonnen sind vermehrt worden, sowohl zur Verpflegung als zur Truppenverschiebung. Die schwere Artillerie, das wichtigste Angriffsmittel, war der Gegenstand erheblicher Anstrengung. Eine beträchtliche Menge von Batterien schweren Kalibers ist mit Rücksicht auf die nächsten Angriffshandlungen vereinigt und vorbereitet worden. Der für jedes Geschütz vorgesehene tägliche Munitionssatz übertrifft den bisher jemals festgestellten größten Verbrauch.
3. Der gegenwärtige Zeitpunkt ist für einen allgemeinen Angriff besonders günstig. Einerseits haben die Kitchener-Armeen ihre Landung in Frankreich beendet, und anderseits haben die Deutschen noch im letzten Monat von unserer Front Kräfte weggezogen, um sie an der russischen Front zu verwenden. Die Deutschen haben nur sehr dürftige Reserven hinter der dünnen Linie ihrer Grabenstellung.
4. Der Angriff soll ein allgemeiner sein. Er wird aus mehreren großen und gleichzeitigen Angriffen bestehen, die auf sehr großen Fronten vor sich gehen sollen. Die englischen Truppen werden mit bedeutenden Kräften daran teilnehmen. Auch die belgischen Truppen werden sich an den Angriffshandlungen beteiligen. Sobald der Feind erschüttert sein wird, werden die Truppen an den bis dahin untätig gehaltenen Teilen der Front ihrerseits angreifen, um die Unordnung zu vervollständigen und ihn zur Auflösung zu bringen. Es wird sich für alle Truppen, die angreifen, nicht nur darum handeln, die ersten feindlichen Gräben wegzunehmen, sondern ohne Ruhe Tag und Nacht durchzustoßen über die zweite und dritte Linie bis in das freie Gelände. Die ganze Kavallerie wird an diesen Angriffen teilnehmen, um den Erfolg mit weitem Abstand vor der Infanterie auszunutzen. Die Gleichzeitigkeit der Angriffe, ihre Wucht und Ausdehnung werden den Feind hindern, seine Infanterie- und Artilleriereserven auf einem Punkt zu versammeln, wie er es im Norden von Arras tun konnte. Diese Umstände sichern den Erfolg.
Die Bekanntgabe dieser Mitteilungen an die Truppen wird nicht verfehlen, den Geist der Truppe zu der Höhe der Opfer zu erheben, die von ihr gefordert werden. Es ist daher unbedingt nötig, daß die Mitteilung mit Klugheit und Überzeugung geschieht.

(gez.) J. Joffre."

Hierzu gab ein französischer Regimentskommandeur folgenden Zusatz:

"Diesen Befehl bringt der Oberst zur Kenntnis der Herren Bataillonskommandeure und Kompagnieführer, und bittet sie, während des Dienstes in den Gräben und im Lager jede Gelegenheit zu benutzen, um den Leuten begreiflich zu machen, daß die von ihnen geforderte Anstrengung derartige Folgen haben kann, daß der Krieg binnen kurzem mit einem Schlage zu Ende ist.
Alle müssen bei dem beabsichtigten Angriff diejenige Kraft, Energie und Tapferkeit einsetzen, die nötig sind, um ein so großes Ergebnis zu erreichen.
Wir müssen die deutschen Linien durchbrechen und dazu vorwärtsgehen, trotz allem ..."

Der Befehl des Generals Joffre wird in interessanter Weise durch nachstehende Äußerung des Kommandeurs der englischen Gardedivision ergänzt, die am 25. September in deutsche Hände gefallen ist:

"Divisionsbefehl der Gardedivision.

Am Vorabend der größten Schlacht aller Zeiten wünscht der Kommandeur der Gardedivision seinen Truppen viel Glück. Er hat den anfeuernden Worten des Kommandierenden Generals von heute morgen nichts hinzuzufügen. Möchte sich aber jedermann zwei Dinge vor Augen halten:
1. daß von dem Ausgang dieser Schlacht das Schicksal kommender englischer Generationen abhängt,
2. daß von der Gardedivision Großes erwartet wird. Als ein Gardist von über 30 Dienstjahren weiß er, daß er nichts mehr hinzuzufügen braucht.

(gez.) Lord Cavan."

Aus diesen beiden Dokumenten geht zunächst hervor, wie schmählich man die Öffentlichkeit täuscht, wenn ihr nach dem Fehlschlagen des am 25. September unternommenen Angriffs in seinen eigentlichen Bestrebungen immer wieder versichert wird. der in der Vorbewegung eingetretene Stillstand habe von vornherein in der Absicht der verbündeten englischen und französischen Heeresleitungen gelegen.
Aber die Befehle gestatten noch andere Feststellungen. Der Zweck des Angriffs war, die Deutschen aus Frankreich zu vertreiben, das Ergebnis dagegen, daß die deutschen Truppen auf der etwa 480 Kilometer langen Front an einer Stelle in 23 Kilometern, an einer anderen, und an dieser nicht durch die soldatischen Leistungen des englischen Angreifers, sondern durch gelungene Überraschung mit einem Gasangriff, in 12 Kilometer Breite aus der vordersten Linie ihres Verteidigungssystems in die zweite, die nicht die letzte ist, gedrückt wurden. Nach vorsichtiger Berechnung betragen die französischen Verluste an Toten, Verwundeten und Gefangenen mindestens 130000, die englischen 60000, die deutschen noch nicht dieser Zahl. Ob die Gegner hiernach noch Aussicht haben, ihr Endziel zu erreichen, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls können solche örtlichen Erfolge, erkämpft durch den Einsatz sechs- bis siebenfacher zahlenmäßiger Überlegenheit und vorbereitet durch vielmonatige Arbeit der Kriegsmaterialfabriken der halben Welt einschließlich Amerikas, nicht ein "glänzender Sieg" genannt werden.
Noch weniger ist davon zu reden, daß der Angriff uns gezwungen hätte, irgend etwas zu tun, was nicht in unserem Plan lag, im besonderen unser Vorgehen gegen die russische Armee nach ihm zu richten. Abgesehen davon, daß eine zum Abtransport bestimmte Division beim Einsetzen der Offensive auf dem Westkriegsschauplatz angehalten und dafür eine im Antransport hierher befindliche andere Division nach dem Bestimmungsort der ersten gelenkt wurde, hat der Angriff die deutsche Oberste Heeresleitung nicht veranlaßt, auch nur einen einzigen Mann anders zu verwenden, wie es seit langer Zeit bestimmt war.
Anderseits ist der Angriff weder ohne Ruhe Tag und Nacht fortgeführt worden, noch ist er bisher an irgendwelcher Stelle über unsere zweite Linie hinausgelangt, noch hat er uns verhindert, unsere Reserven genau so sicher und wirksam zu verschieben, wie wir es bei der Mai-Offensive nördlich Arras tun konnten.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Zwei englische Monitore durch Luftbomben beschädigt

Berlin, 3. Oktober.
Am 2. Oktober sind zwei englische Monitore vor La Panne durch Bombenwürfe unserer Wasserflugzeuge beschädigt worden.

Der Chef des Admiralstabes der Marine. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Vergeblicher italienischer Angriff auf die Doberdohöhe

Wien, 3. Oktober.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Der Feind räumte gestern, erschöpft durch die vielen erfolglosen und verlustreichen Angriffe, die er tags vorher unternommen hatte, das Westufer des unteren Korminbaches. Sonst im Nordosten bei unveränderter Lage keine besonderen Ereignisse.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Gestern vor Tagesanbruch gruppierten sich die Italiener zu einem größeren Angriff auf den Nordwestabschnitt der Hochfläche von Doberdo. Unsere Artillerie überfiel die Angriffstruppen mit Feuer und zersprengte sie größtenteils. So endete die feindliche Unternehmung mit dem Vorstoß eines Bataillons längs der Straße Sdraussina San Martino. Dieser Vorstoß und ein ähnlicher gegen Mittag angesetzter Angriff wurden abgewiesen. Ebenso scheiterten Versuche des Gegners, östlich von Redipuglia vorzugehen. Gewisse Bewegungen hinter der feindlichen Front und der lebhafte Verkehr auf den venezianischen Eisenbahnen sind unserer Beobachtung nicht entgangen. An den übrigen Teilen der Südwestfront hat sich nichts von Belang ereignet.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Nichts Neues.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
1)

 

"U 27" das Opfer englischen Flaggenbetruges - Völkerrechtwidrige Ermordung der Besatzung

New York, 3. Oktober.
Der aus England zurückgekehrte amerikanische Tierarzt Banks berichtet, daß ein britisches Wachtschiff unter amerikanischer Flagge sich einem deutschen U-Boot genähert und, als es herangekommen war, das Sternenbanner niedergeholt, die britische Flagge gehißt und das U-Boot beschossen und zum Sinken gebracht habe. Banks, der den Angriff von Bord des von dem U-Boot angegriffenen und beschossenen Viehdampfers "Nicosian" mit ansah, sagte ferner, den Offizieren und Mannschaften des Wachschiffes, auf welches die Besatzung der "Nicosian" übergegangen war, sei strengstes Stillschweigen anbefohlen worden. In einem Privatbriefe, der in amerikanischen Blättern veröffentlicht worden ist, teilt Banks mit, daß die Briten rücksichtslos auf die im Wasser schwimmenden und auf die "Nicosian" gekletterten deutschen Matrosen geschossen hätten.
Anmerkung: Die Nachricht bezieht sich auf denselben Vorfall, über den die deutsche Presse am 8. September auf Grund von Mitteilungen aus London eingetroffener Amerikaner berichtete. Das deutsche Unterseeboot, um das es sich handelt, kann nur das am 6. September amtlich als verlorengegangen gemeldete Boot "U 27" sein.

 

Der 1. Weltkrieg im Oktober 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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