Der Weltkrieg am 15. Oktober 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Der Vormarsch der bulgarischen 1. Armee - Pozarevac gestürmt

Großes Hauptquartier, 15. Oktober.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nordöstlich und östlich von Vermelles sind die Engländer aus unseren Stellungen wieder hinausgeworfen, nur am Westrande der sogenannten "Kiesgrube" konnten sie sich in einem kleinen Grabenstück noch halten.
In der Champagne hoben sächsische Truppen östlich von Aubérive ein Franzosennest aus, das sich in unserer Stellung seit den großen Angriffen noch gehalten hatte, machten 5 Offiziere und 300 Mann zu Gefangenen und erbeuteten mehrere Maschinengewehre.
In der Nacht vom 13. zum 14. Oktober wurden die für die im Gange befindliche
Operation militärisch wichtigen Bahnhöfe von Chalons und Vitry-le-François von
einem unserer Luftschiffe mit Bomben belegt.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
Südwestlich und südlich von Dünaburg griffen die Russen gestern mehrfach erneut an. Südlich der Chaussee Dünaburg - Nowo-Aleksandrowsk wurden sie unter ungewöhnlich schweren Verlusten zurückgeschlagen. Ebenso brachen zwei Angriffe nordöstlich Wessolowo zusammen. Bei einem dritten Vorstoß gelang es den Russen, hier in Bataillonsbreite in unsere Stellung einzudringen. Der Gegenangriff ist im Gange.
Eins unserer Luftschiffe belegte den Bahnhof Minsk, auf dem zurzeit große Truppeneinladungen stattfinden, ausgiebig mit Bomben. Es wurden fünf schwere Explosionen und ein großer Brand beobachtet.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern und Heeresgruppe des Generals v. Linsingen:
Nichts Neues.
Balkankriegsschauplatz:
Bei der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen nehmen die Operationen ihren planmäßigen Verlauf.
Südlich von Belgrad und von Semendria sind die Serben weiter zurückgedrängt; es wurden 450 Gefangene gemacht und drei Geschütze (darunter ein schweres) erobert. Die Werke auf der Südfront von Pozarevac sind heute nacht gestürmt; die befestigte Stadt fiel damit in unsere Hand.
Die bulgarische 1. Armee begann den Angriff über die serbische Ostgrenze; sie nahm die Paßhöhen zwischen Bjelogradschik und Knjazevac in Besitz.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Die Schlacht im Westen

Seit Mittwoch stehen unsere Truppen im Artois und in der Champagne im Kampf gegen die dritte große, durch schweres Artilleriefeuer angekündigte Angriffswelle der englischen und französischen Divisionen. Wieder sind gewaltige Stürme über die deutschen Gräben und Schanzen hinweggefegt und wieder haben die standhaften Verteidiger alle Angreifer mit blutigen Köpfen abgewiesen, oder - wo die Engländer an kleinen Stellen bis in die vorderste Linie gelangt waren - sie sind dabei, die Eindringlinge mit Handgranaten zu vertreiben. Die Angriffe der Gegner haben seit Beginn der großen Septemberoffensive - seit drei Wochen - wohl nie ganz aufgehört, vor allem haben die Franzosen fast keinen Tag vergehen lassen, an dem sie nicht gestürmt hätten, aber aus all diesen schweren Gefechten und Schlachten heben sich doch drei große Gruppen hervor, die jeweils durch einen gewaltigen Überfall mit Millionen von Geschossen von der Artillerie vorbereitet und eingeleitet worden sind. Und all diese fast übermenschlichen Anstrengungen waren vergebens. Nichts ist geschehen, was unsere Gegner ihrem Ziel, dem Durchbruch, ernsthaft näher gebracht hätte. Weder die Überraschung. noch die systematische, ruckweise Bearbeitung unserer Front - der Durchbruch in Etappen, wie unsere Gegner zu sagen pflegen, - hatte einen wirksamen Erfolg. Wir haben einige Gräben, ein paar Dörfer, die aber dem Feind nichts nützen, weil sie im Feuerbereich liegen, und auch die oder jene Höhe verloren, aber weder die Franzosen noch die Engländer dürften das Gefühl haben, "dem freien Feld" wesentlich näher gekommen zu sein. Man bedenke: drei Wochen hatte unsere Heeresleitung inzwischen Zeit, unsere Stellungen zu verbessern und so viel Truppen, Kanonen und Munition zusammenzuziehen, als auch dem Vorsichtigsten nur immer nötig erscheinen könnte.
Die französischen Stürme der beiden letzten Tage haben nichts anderes als ganz fürchterliche Verluste der Angreifer zur Folge gehabt. Bei Tahure vermochten sie ihre Fortschritte nicht zu erweitern, ihre Angriffsbasis liegt so sehr unter unserem Feuer, daß ihre Formationen sich oftmals garnicht zum Sturm entwickeln konnten, wo es ihnen aber gelang, den Angriff vorzutragen, da wurden sie durch unsere Geschoßgarben niedergeworfen. Die Franzosen gewannen keinen neuen Boden mehr, dagegen gelang es uns, die Höhe östlich von Souchez einigermaßen vom Feind zu säubern. Auf kleinen Geländegewinn oder Verlust kommt es auch gar nicht an. Man kann ein Grabenstück gewinnen, ohne jeden Vorteil davon zu haben, und oft wird man ein Teilstück aufgeben, bloß um im Ganzen die eigene Stellung zu verbessern. Das ist ein Wechselspiel, das über den Gesamtverlauf der Operationen garnichts aussagt.
Die Engländer haben zum zweiten Male während der jetzigen Offensive einen Gasangriff bei Loos unternommen, nachdem sie inzwischen einen vergeblichen Sturm ohne dieses Hilfsmittel, das ihnen vor drei Wochen einen Erfolg brachte, versucht hatten. Sie erreichten diesmal so gut wie nichts damit, denn aus den Gräben östlich von Vermelles, in denen sie Fuß fassen konnten, wird man sie bald wieder hinausgeworfen haben. Für den englischen Leser - einige englische Blätter drucken ja die deutschen Berichte regelmäßig ab - wird es schmerzlich sein, bemerken zu müssen, daß der bisherige Gewinn nördlich von Loos so gering war, daß die Engländer noch immer westlich von Hulluch, das sie erobert haben wollten, kämpfen müssen. Die vielgenannte Höhe 70 - eigentlich 69 - liegt zwischen Loos und Hulluch nordwestlich der Straße; die englischen Blätter zeichneten ihre neue Stellung aber mit Vorliebe auf den einige Kilometer südöstlich von Loos gelegenen Hügel, der zufällig auch 70 Meter hoch liegt.
Der deutsche Tagesbericht vom 14. Oktober hinterläßt ein ausgezeichnetes Bild von der Gesamtlage: alle Stürme im Westen abgewiesen, die Russen über die Strypa zurückgeworfen und der größte Teil der Werke von Pozarewatz, die den Vormarsch ins Morawatal aufhielten, sind genommen. Das sind glänzende Erfolge!

Karte zum 1. Weltkrieg

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Wien, 15. Oktober.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Keine besonderen Ereignisse.
Italienischer Kriegsschauplatz:
An der Tiroler Front hält das starke feindliche Artilleriefeuer an. Infanterieangriffe versuchte der Gegner nur auf der Hochfläche von Vielgereuth, wo mehrere italienische Kompagnien um Mitternacht gegen unsere Stellungen vorstießen, jedoch nach kurzem Feuerkampf zum Zurückgehen gezwungen wurden. Ebenso scheiterte ein nochmaliger Annäherungsversuch in den Morgenstunden.
An der Kärntner Grenze und im Küstenlande ist die allgemeine Lage unverändert. Einzelne Abschnitte dieser Front stehen unter andauerndem feindlichen Artilleriefeuer. Eine am Plateaurande nächst Peteano vorgehende italienische Abteilung wurde durch Gegenangriff geworfen und erlitt große Verluste.
Serbischer Kriegsschauplatz:
Die über den Erino Brdo vordringenden k. u. k. Truppen warfen den Feind über den bei Vinca in die Donau mündenden Bolicicabach zurück.
ückenden deutschen Streitkräfte nahmen Pozarevac im Kampf.
Die bulgarische 1. Armee hat den Angriff über die serbische Ostgrenze begonnen und die Paßhöhen zwischen Bjelogradschik und Knjazevac in Besitz genommen.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Die Kriegserklärung Bulgariens

Die "Frankfurter Zeitung" schreibt:
Bulgarien hat nunmehr in aller Form an Serbien den Krieg erklärt.   In der amtlichen Erklärung, die darüber an die bulgarischen Vertretungen im Auslande gesandt worden ist, werden Grenzverletzungen, die schon am 11. Oktober in der Nahe  von Bielodradschik von serbischen Truppen begangen sind, als die Veranlassung des Kriegsausbruches festgestellt. Von Nisch  aus war vor einigen Tagen behauptet worden, die Bulgaren hätten, gleichfalls am 11. Oktober, den Angriff eröffnet. Wir sehen keinen Grund, der serbischen Behauptung, weil sie durch die Agenturen der Entente früher verbreitet wurde, mehr zu glauben als der bulgarischen. Schließlich kommt es bei einer so hochgehenden Spannung, wie sie seit Wochen schon zwischen den beiden Balkanstaaten bestand, wirklich nicht mehr sehr darauf an, auf welcher Seite die Flinten zuerst losgingen, nachdem beide Parteien entschlossen waren, dem Kriege nicht auszuweichen. Nach der bulgarischen Meldung ist der Kriegszustand erst am Donnerstag den 14. Oktober morgens 8 Uhr eingetreten.
An der politischen Lage auf dem Balkan ändert sich durch diese Richtigstellung  des  Sachverhaltes natürlich  nichts.  Darüber gilt, was wir in unserem Leitartikel vom letzten Mittwoch ausgeführt haben. Bulgarien hat mit beherztem Entschluß seine Sache in diesem Kriege und die Bestimmung über seine nationale Zukunft mit der Sache Deutschlands und Österreich-Ungarns verbunden, deren Siege ihm die sichere Bürgschaft für eine glückliche Zukunft sind.  Dabei ist sein Ziel nicht nur die Gewinnung Mazedoniens gewesen, auf das in dem Manifest des Königs Ferdinand besonders hingewiesen wird, sondern ebenso sehr das Streben, in eine unmittelbare Verbindung mit Mitteleuropa zu kommen und den freien Zugang zu den mitteleuropäischen Märkten für seine Bodenerzeugnisse zu erhalten. Daß mit dem rein kommerziellen Verkehr auch ein Austausch kultureller Güter stattfinden wird, liegt auf der Hand, und so wird Bulgarien dem Westen, dem Herzen Europas ein gutes Stück näher rücken. Das Manifest spricht mit berechtigter Zuversicht von dem, was Bulgarien durch diesen Krieg erringen wird. Sicherlich wird das bulgarische Heer in diesem Kriege den glänzenden Taten seiner ruhmreichen Vergangenheit neue Siege hinzufügen.
Daß  es   seine  Ziele  erreichen  wird,  dafür  bietet  außer dem siegreichen Fortschreiten der Heere der Mittelmächte und der Tüchtigkeit der bulgarischen Armee auch die politische Lage auf dem Balkan alle Gewähr. Es ist nunmehr sicher, daß nicht nur Griechenland, sondern auch Rumänien ihre Neutralität aufrecht erhalten werden. Beiden Regierungen wird diese Politik von der Klugheit diktiert. Sie hätten durch ihr Eingreifen Serbiens Geschick nicht abgewendet, wohl aber ihre eigenen Länder mit in den Sturz dieses freiwilligen Vasallen Rußlands hineingerissen. Selbst Herr Veniselos hat in seiner Kammerrede, wie aus der englischen Presse ersichtlich ist, sich mit der Neutralität Griechenlands abgefunden und sich daraus beschränkt, der neuen Regierung Ratschläge dafür zu geben, wie sie diese Neutralität bei den Zentralmächten so vorteilhaft als möglich verwerten könne. Gegen solche Bemühungen Griechenlands wird sich nichts sagen lassen und wir sind überzeugt, daß Griechenlands Interessen durch seine Neutralität sehr wohl gewahrt werden können. Die Entente aber hat auf dem Balkan nichts mehr zu erwarten, und die verzweifelten Pläne, die ihre Presse bald für diese, bald für jene Gegend ankündigt, zeigen nur die furchtbare Ratlosigkeit, in der sich ihre Staatsmänner und Heerführer befinden. Auch Herr Grey ist in seiner gestrigen Unterhausrede über schwache Versicherungen, wonach die militärischen Maßnahmen, die ergriffen wurden um den Erfordernissen gerecht zu werden, den Gegenstand andauernder Aufmerksamkeit der militärischen Stellen der Alliierten bilden, nicht hinausgekommen. Das ist für diese Lage, deren Ernst auch Herr Grey nicht bestreitet, herzlich wenig und wird kaum geeignet sein, den skeptisch gewordenen Briten besser zu gefallen als die geschwollenen Redensarten seines Kollegen Viviani.

 

Der 1. Weltkrieg im Oktober 1915

ZURÜCK   HAUPTSEITE   WEITER

 

Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

2) "Frankfurter Zeitung"

 

© 2008 stahlgewitter.com