Der Weltkrieg am 15. November 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - TÜRKISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

Die Russen über den Styr geworfen -
8500 Serben gefangen

Großes Hauptquartier, 15. November.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Nordöstlich von Ecurie wurde ein vorspringender französischer Graben von 300 Meter Breite nach heftigem Kampfe genommen und mit unserer Stellung verbunden.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg:
In der Gegend von Smorgon brach ein russischer Teilangriff unter schweren Verlusten vor unserer Stellung zusammen.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern:
Nichts Neues.
Heeresgruppe des Generals v. Linsingen:
Im Anschluß an den Einbruch in die feindliche Linie bei Podgacie griffen deutsche und österreichisch-ungarische Truppen gestern die russischen Stellungen auf dem Westufer des Styr in ganzer Ausdehnung an. Die Russen sind geworfen. Das westliche Ufer ist von ihnen gesäubert.
Balkankriegsschauplatz:
Die Verfolgung blieb überall im Fluß. Gestern wurden im ganzen über 8500 Gefangene und 12 Geschütze eingebracht. Davon durch die bulgarischen Truppen etwa 7000 Mann und 6 Geschütze.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der Kaiser bei den Truppen in den Pripetsümpfen

Berlin, 15. November.
Aus dem Großen Hauptquartier wird uns geschrieben:
Der Kaiser weilte am Anfang der letzten Woche bei unseren Truppen in den Pripetsümpfen. Nachmittags fuhr er im Bahnhof Brest-Litowsk ein. Der Bahnhof selbst ist eine Ruine, auf der die deutsche Kriegsflagge weht. Vor den aufgeräumten Trümmern stand die Ehrenkompagnie, gestellt von einem bei Brest-Litowsk liegenden Landsturmbataillon. Unter den Klängen der Nationalhymne schritt der Kaiser nach Begrüßung der unmittelbaren Vorgesetzten die Front der ergrauten Soldaten ab und ließ die Kompagnie im Parademarsch vorbeimarschieren. Haltung und Aussehen der Leute waren vorzüglich, stramm aufgerichtet blickten sie ihrem obersten Kriegsherrn ins Auge.
Vom Bahnhof begab sich der Kaiser im Kraftwagen zur Zitadelle. Hier hatte er beim Manöver 1886 als Gast des Zaren gewohnt. Was die Russen bei der Schnelligkeit der Räumung der Festung zerstören konnten, haben sie zerstört. Die ausgedehnten Kasernen der Zitadelle liegen in Trümmern. Auch bei dem Fort Kowaljewo, wohin die Fahrt weiterging, sind die Betonarbeiten zum Teil gesprengt, zum Teil aber ebenso wie die Hindernisse noch voll erhalten. Dann ging die Fahrt am Übungslager Pugatschewo vorbei zur Stadt Brest-Litowsk, noch vor wenigen Wochen eine von 60000 Einwohnern bevölkerte Stadt, jetzt zu vier Fünfteln verbrannt. Die Russen haben Hab und Gut der Bewohner planmäßig vernichtet und die Bevölkerung mit sich ins Elend weggeschleppt. Im Bereiche der Festung gibt es keinen einzigen Landesbewohner mehr, nur Truppen aller Gattungen bildeten in den Ruinenstraßen Spalier.
Am nächsten Morgen traf der Kaiser vorn in der Front in Pinsk ein. In der von den Russen für ihren Rückzug neuangelegten Haltestelle Pinsk-Wald verließ er den Zug. Die trübe Novemberstimmung des Vortages hatte strahlendem Hohenzollernwetter Platz gemacht. Auf dem Bahnhofe stand die Ehrenkompagnie, diesmal gestellt von jungen Soldaten. Hinter dem Bahnhofe reihten sich in Parade mehrere Brigaden der Bugarmee. Vom brausenden Hurra vieler tausend junger Soldatenkehlen begrüßt, schritt der Kaiser die Front der Truppen ab, deren Haltung und Aussehen dem obersten Kriegsherrn die unerschütterte Kraft und den unverminderten Siegeswillen seiner Truppen zeigte, trotz der gewaltigen Leistungen der Verfolgung und des jetzt stattfindenden Stellungskampfes in unwirtlichster Gegend.
Von hier begab sich der Kaiser zu einem kurzen Besuch der Kathedrale nach Pinsk. Auf den Straßen drängte sich, anders als in Brest- Litowsk, das Volk der 40- bis 50000 Einwohner zählenden Stadt. Die Weiterfahrt führte den Kaiser bis in die Stellungen der Truppen östlich Pinsk, am Schilfmeer der Pripetsümpfe. Aus den Sanddünen am Ostufer des Strumen und der Jasiolda waren die russischen Stellungen und Hindernisse sichtbar.
Am Abend des Tages fuhr der Kaiser, der den Truppen seine Freude über ihre vorzügliche Verfassung und seinen Dank für ihre Leistungen hatte übermitteln lassen, über Brest-Litowsk zu einer anderen Armee auf dem Kriegsschauplatz.

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Sieg über die Russen bei Czartorysk -
Die Montenegriner über den Lin zurückgeworfen

Wien, 15. November.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Die Kämpfe bei Czartorysk haben gestern den vollen Erfolg herbeigeführt. Der geschlagene Feind wurde aus dem Styrbogen über den Fluß zurückgeworfen. Bei seinem eiligen Rückzuge hat der Gegner alle verlorenen Ortschaften angezündet.
Hiermit haben die vierwöchigen zähen und ruhmvollen Kämpfe um Czartorysk ebenso zum Rückzuge der Russen in ihre ursprünglichen Stellungen geführt wie die seinerzeit von den russischen Truppen hoffnungsvoll angekündigten Durchbruchsversuche bei Siemikowce an der Strypa. Die schon gestern angegebene Beute erhöht sich.
Sonst keine nennenswerten Ereignisse zu verzeichnen.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Die feindliche Angriffstätigkeit an der Isonzofront hat gestern, vielleicht infolge des strömenden Regens, sichtlich nachgelassen. Im Abschnitte der Hochfläche von Doberdo wurde jedoch heftig weitergekämpft. Am Nordhange des Monte San Michele gelang es den Italienern, wieder in eine durch schweres Artilleriefeuer geschlagene Lücke unserer Stellungen einzudringen. Starke feindliche Kräfte, die abends nördlich dieser Einbruchsstelle zum Angriff vorgingen, wurden blutig abgewiesen. Hierauf setzte unser Gegenangriff ein, der das verlorene Frontstück vollständig zurückgewann und dem Feinde außerordentlich große Verluste zufügte. Auch ein starker italienischer Angriff gegen den Monte dei sei Busi brach wie alle früheren zusammen. Durch die Beschießung von Görz wurden bisher 58 Zivilpersonen getötet, 50 verwundet, etwa 300 Häuser und fast alle Kirchen und Klöster schwer beschädigt.
Eines unserer Fliegergeschwader belegte neuerdings Verona mit zahlreichen Bomben.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Alle Armeen verfolgen. Nur stellenweise hält noch der Feind. Unsere Visegrader Gruppe hat die Montenegriner über den Lim zurückgeworfen und Sokolovic sowie die östlichen Anhöhen erreicht. Bei der Armee v. Koeveß wurden wieder 850 Gefangene eingebracht und 2 Maschinengewehre erbeutet. Im Toplicatale ist Prokuplje erreicht.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Der türkische Heeresbericht:

Konstantinopel, 15. November.
An der Dardanellenfront fand der zeitweise aussetzende gewöhnliche Artillerie- und Bombenkampf statt.
An der Kaukasusfront überraschte eine unserer Patrouillen in der Gegend von Milo eine feindliche Abteilung von 100 Mann, die zur Flucht gezwungen wurde und ungefähr 50 Mann an Toten und Verwundeten verlor.

 

Die Eröffnung der Universität und Technischen Hochschule in Warschau

Warschau, 15. November.
Heute mittag fand in der Aula der polnischen Universität ein Festakt zur Eröffnung dieser Hochschule statt. Der Rektor Dr. v. Brudzinski hielt eine die Bedeutung des Tages würdigende Festrede. Generalgouverneur Exzellenz v. Beseler dankte in einer Ansprache, in der er u. a. sagte: "Die beiden Warschauer Hochschulen, die von heute ab ihre wissenschaftlichen Arbeiten wieder aufnehmen werden, haben eine hohe und wichtige Aufgabe zu erfüllen; sie sollen die Jugend dieses Landes aus der Unruhe und der unfreiwilligen Muße schwerer Kriegszeiten wieder in die Bahnen friedlicher und fruchtbringender, geistiger Tätigkeit zurückführen. Es mag Ihnen zum Beweise für den weitblickenden hochherzigen Sinn Seiner Majestät des Deutschen Kaisers, meines allergnädigsten Herrn, dienen, daß er dem Allerhöchstem von mir gemeldeten Vorhaben der deutschen Verwaltung, den Wissenschaften in Ihrer Heimat wieder eine Stätte zu bereiten, zuzustimmen geruht. Ich hoffe in Übereinstimmung mit allen mit der Verwaltung Ihres Landes Betrauten, daß diesem der heutige Tag zum Segen gereichen und den Beginn einer Ära neuen geistigen Lebens bezeichnen möge. Möchten ihre Hochschulen ohne Rücksicht auf den Streit des Tages im Geiste wahrer Wissenschaftlichst stets nur den höchsten Zielen edlen Menschentums nachstreben."
Sodann begab sich der Generalgouverneur zur Technischen Hochschule, die ebenfalls durch einen Festakt eröffnet wurde.

 

Der 1. Weltkrieg im November 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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