Der Weltkrieg am 29. November 1915

DEUTSCHER HEERESBERICHT - ÖSTERREICHISCHER HEERESBERICHT - BULGARISCHER HEERESBERICHT

 

 Der deutsche Heeresbericht:

502 serbische Geschütze erbeutet

Großes Hauptquartier, 29. November.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Auf der ganzen Front herrschte bei klarem Frostwetter lebhafte Artillerie- und Fliegertätigkeit.
Nördlich von St. Mihiel wurde ein feindliches Flugzeug zur Landung vor unserer Front gezwungen und durch unser Artilleriefeuer zerstört. In Comines sind in den letzten zwei Wochen durch feindliches Feuer 22 Einwohner getötet und 8 verwundet worden.
Östlicher Kriegsschauplatz:
Die Lage ist im allgemeinen unverändert.
Balkankriegsschauplatz:
Die Verfolgung ist im weiteren Fortschreiten. Über 1500 Serben wurden gefangengenommen.
Zum gestrigen Bericht über den bisherigen Verlauf des serbischen Feldzuges ist noch zu ergänzen, daß die Gesamtzahl der bisher den Serben abgenommenen Geschütze 502 beträgt, darunter viele schwere.

Oberste Heeresleitung. 1)

 

Der österreichisch-ungarische Heeresbericht:

Neue vergebliche Stürme gegen den Görzer Brückenkopf

Wien, 29. November.
Amtlich wird verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Keine besonderen Ereignisse.
Italienischer Kriegsschauplatz:
Die Isonzoschlacht dauert fort. Auch die gestrigen harten Kämpfe endeten für unsere Truppen wieder mit der vollen Behauptung aller ihrer Stellungen.
Gegen den Görzer Brückenkopf führten die Italiener abermals neue Regimenter heran. Ungeachtet ihrer nutzlosen Verluste folgte Sturm auf Sturm. Nur bei Oslavija und auf der Podgora gelang es dem Feind, in unsere Stellungen einzudringen; er wurde aber wieder hinausgeworfen. Ansonsten scheiterten alle Vorstöße schon in unserem Feuer. Der Raum beiderseits des Monte San Michele wurde gleichfalls von sehr bedeutenden italienischen Kräften vergeblich angegriffen. Bei San Martino waren das Infanterieregiment Nr. 39 und das Egerländische Landsturminfanterieregiment Nr. 6 an den Kämpfen hervorragend beteiligt.
Im nördlichen Isonzoabschnitt wurden heftige Angriffe gegen unsere Bergstellungen nördlich Tolmein abgeschlagen.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Unsere Offensive gegen das nördliche und nordöstliche Montenegro nimmt ihren Fortgang. Die k. u. k. Truppen sind im Vordringen über den Metalkasattel und südlich von Priboj. Die Bulgaren verfolgen in der Richtung gegen Prizren.

  Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes.
v. Hoefer, Feldmarschalleutnant. 1)

 

Besuch des Deutschen Kaisers bei Kaiser Franz Josef

Wien, 29. November.
Das Wiener k. k. Telegraphen-Korrespondenzbureau meldet:
In den frühen Morgenstunden verbreitete sich in der ganzen Stadt die Freudenbotschaft von der für den Vormittag erwarteten Ankunft des Deutschen Kaisers zum Besuche Kaiser Franz Josefs. Die öffentlichen und die privaten Gebäude legten sofort Flaggenschmuck an, der besonders reich auf den Straßen war, die vom Penzinger Bahnhof zum Schönbrunner Schloß führen. Die Nachricht rief in allen Kreisen der Bevölkerung außerordentliche Freude hervor, die in der Besprechung des Tagesereignisses auf den Straßen und öffentlichen Orten zum Ausdruck kommt.
Um 11 Uhr traf der Kaiser in Wien ein. Er wurde am Bahnhof vom Erzherzog Thronfolger Karl Franz Josef und den Erzherzögen Franz Salvator und Karl Stefan empfangen. Unter unbeschreiblichem Enthusiasmus des massenhaft herbeigeströmten Publikums fuhr Kaiser Wilhelm in das Schönbrunner Schloß, wo er als Gast des Kaisers Franz Josef abstieg. Die Begegnung der beiden Kaiser, die einander seit Ausbruch des Weltkrieges nicht gesehen hatten, trug einen überaus herzlichen Charakter. Die Monarchen konnten ihre Bewegung kaum meistern. Kaiser Franz Josef geleitete seinen erlauchten Gast in die Fremdenappartements. Bald nach der Ankunft fand ein intimes Dejeuner statt, woran nur die beiden Kaiser und der Erzherzog-Thronfolger teilnahmen. In der ganzen Stadt, die erst seit den frühen Morgenstunden Kenntnis von dem Besuch des Deutschen Kaisers bekam, herrscht größter Jubel und Begeisterung. Die Stadt ist reich beflaggt.
Berlin, 29. November. Seine Majestät der Kaiser hat sich heute zu einem kurzen Besuch bei Seiner Majestät dem Kaiser und König Franz Josef nach Schönbrunn begeben. Es ist die erste Begegnung der beiden verbündeten Herrscher seit dem Ausbruch des Krieges. Das Wiedersehen fällt in eine Zeit, wo deutsche und österreichisch-ungarische Truppen erneut Schulter an Schulter und im Verein mit den Truppen des verbündeten Bulgarien große Erfolge davongetragen haben. Es hat Seiner Majestät am Herzen gelegen, dem Kaiser Franz Josef nach so langer und bewegter Zeit in treuer Freundschaft wieder die Hand zu drücken.

 

Der bulgarische Heeresbericht:

Bulgarischer Vormarsch gegen Prizren und Monastir

Sofia, 29. November.
Bulgarischer Generalstabsbericht vom 27. November.
An der serbischen Front verfolgen wir den Gegner energisch trotz der schwierigen klimatischen Verhältnisse. Bei der Vorrückung gegen Prizren machten wir von den Trümmern der Donau-, Drina- und Sumadija-Division 3000 Gefangene und erbeuteten 8 Kanonen. Bei ihrem Rückzuge gegen Montenegro vernichteten die Serben alle noch vorhandenen Feld- und schweren Geschütze. Die Reste der serbischen Armee gehen bloß mit Gebirgskanonen zurück. Unsere Vorrückung gegen Prizren dauert fort. An der südmazedonischen Front besetzten unsere Truppen am 26. November die letzte serbische Stellung an der Erna Rjeka an der Straße von Prilep nach Monastir. Bei Alince (11 Kilometer südwestlich von Prilep) zogen sich die Serben gegen Monastir zurück. Infolge energischer Verfolgung seitens unserer Truppen konnten die Serben die Brücke über die Erna Rjeka nicht zerstören. An der erwähnten Straße haben die Franzosen bei ihrem Rückzuge auf das rechte Cerna-Ufer die Bahnbrücke beim Vardar, die Brücke bei Vozerei (9 Kilometer westlich von Kavadar) und die Brücke beim Desilee über die Balastica (?) verbrannt und zerstört.

 

Griechenlands Antwort überreicht

Athen, 29. November.
Die "Agence Havas" meldet, die Antwort der griechischen Regierung auf die letzte Note des Vierverbandes ist gestern den Gesandten der Vierverbandsmächte übergeben worden.

 

Die russisch-persische Spannung

Konstantinopel, 29. November.
Hier liegt folgender zuverlässiger Drahtbericht über die Lage in Persien vor: Seit mehreren Jahren stehen bekanntlich russische Truppen in Nordpersien, angeblich zum Schutz gegen Unruhen, in Wahrheit aber, um ohne jeden Rechtsgrund eine Okkupation des Landes vorzubereiten und in Teheran die russischen Kreaturen zu stützen. Die neuerdings erfolgte Berufung angesehener Patrioten in das persische Ministerium veranlaßte den Generalgouverneur des Kaukasus, Großfürsten Nicolai Nicolajewitsch, ohne weiteres den Vormarsch russischer Truppen von Kasoqd auf die Hauptstadt Teheran zu befehlen, um den Sturz des Kabinetts zu erzwingen und den Russenfreund Ferma wieder ans Ruder zu bringen. Geplant war gleichzeitig die Gefangennahme aller nationalistischen Parlamentarier und die Beseitigung der an der Spitze der persischen Gendarmerie stehenden, dem Schah treu ergebenen schwedischen Offiziere. Die völlig überraschte Regierung mit dem Schah an der Spitze entschloß sich, der russischen Vergewaltigung auszuweichen und provisorisch den Sitz des Gouvernements nach der etwas südlicher gelegenen Stadt Kum zu verlegen. Auf das im letzten Moment feierlich gegebene Versprechen, die Truppen wieder zurückzuziehen, entschloß sich der Schah, in der Stadt zu verbleiben. Die Gesandten der Zentralmächte hatten sich auf schriftliche Aufforderung der Regierung bereits nach Kum begeben, wo das Parlament und die Führer der Patriotenpartei schon versammelt waren. Der zum Frieden neigende Schah scheint den Russen noch einmal Konzessionen machen zu wollen, um dem neutralen Lande den Krieg zu ersparen, verlangt aber Zurückziehung aller russischen und englischen Truppen. In Persien herrscht große Erregung. Zahlreiche Stämme und freiwillige Scharen haben sich in der Richtung auf die Hauptstadt in Bewegung gesetzt, um den Schah gegen das brutale, rücksichtslose Vorgehen der Russen zu schüfen.

 

Minensperrung der rumänischen Donau

Bukarest, 29. November.
Der "Independance Roumaine" zufolge haben die rumänischen Behörden die Minensperre im rumänischen Lauf der Donau angeordnet, beginnend bei Turski Smil an der rumänisch-bulgarischen Grenze bis Kilometer 340 und von Galatz bis zur Pruthmündung.

 

Der 1. Weltkrieg im November 1915

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Textquellen:
1) Amtliche Kriegs-Depeschen nach Berichten des Wolff´schen Telegr.-Bureaus  
Band 3
Nationaler Verlag, Berlin (1916)

 

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